Filigran war es, dieses Schmuckstück. Kaum auf dem Bildschirm zu sehen. Und doch hat es Diskussionen ausgelöst: Das Kettchen mit Kreuzanhänger der SRF-Moderatorin Wasiliki Goutziomitros, das diese vor wenigen Tagen in einer Sendung trug. Das darf sie jetzt nicht mehr. Obschon Goutziomitros beteuert, der Anhänger habe keine religiöse Bedeutung, sei ein Erbstück und bloss ein Glücksbringer: Der Sender will, dass sie als Moderatorin Distanz zu allen Ideologien wahrt.
Privat hingegen darf sie sich schmücken, womit sie will, Kruzifix inklusive. Damit würde sie mit dem Trend gehen. In den vergangenen paar Jahren tauchten in der Mode zunehmend religiöse oder spirituelle Symbole auf, vom besagten Kreuz, getragen von Stars wie Musikproduzent Pharrell Williams oder Topmodel Bella Hadid, bis hin zu Yin und Yang, das sich in vielen Kollektionen wiederfand. Sei es auf dem knalligen Pullover oder als klobiger Ohranhänger.
Aber insbesondere das Kreuz ist en vogue. Seit die US-Sängerin Madonna in den 1980er-Jahren das Schmuckstück als Teil ihrer freizügigen Garderobe einsetzte, empört das freilich niemanden mehr. Aber es bleibt die Frage: Ist das Kreuz heute bloss als modisches Accessoire, als Zierde, zu verstehen, oder muss es als religiöses Bekenntnis der Tragenden gesehen werden?
Sowohl als auch, sagt Sozial- und Wirtschaftspsychologe Christian Fichter: «Statistische Daten fehlen zwar dazu. Aber es kann davon ausgegangen werden, dass es teilweise tatsächlich um ein Statement zum Christentum zu verstehen ist und damit eine tiefere Bedeutung hat.» Überraschend sei das nicht, wenn man die jetzige Weltlage, in der sich die Menschheit befinde, in Betracht ziehe. «Pandemie, Krieg, Banken, die fast kollabieren: Das sorgt für Unsicherheit, der Mensch sucht dann instinktiv nach Halt und Sicherheit. Das kann mitunter eine Rückkehr zu mehr Spiritualität bedeuten, bei der man sich auf gewisse Werte besinnt und die man im modernen Sinne umsetzt.»
Auch der Aberglaube erlebe in solchen Zeiten mehr Zuspruch, so Fichter. Schmuck kann demnach als Glücksbringer empfunden werden, wie im Falle von Goutziomitros. Manchmal ist Schmuck indes nicht nur Glücksbringer, sondern er soll etwas ausdrücken. Wichtig dabei: Dass das gute Stück sichtbar gemacht wird. Denn der Wunsch des Menschen, so Fichter, sich auszudrücken, sei schon immer da gewesen, das habe mit dem ureigenen Bedürfnis des Zurschaustellen der eigenen Identität und Meinung zu tun.
In diesem Kontext hat das Tragen einer Brosche in den vergangenen Jahren eine wahre Renaissance erlebt. Dieses Accessoire hatte lange ein antiquiertes Image. Heute wird sie von jungen Menschen, sehr rege von Politikerinnen und zunehmend Männern getragen. Oftmals, um subtile, nonverbale Botschaften zu platzieren. So stehen etwa Motive wie die Sonne oder die violette Faust in der Schweiz für Gleichstellung, mit einer regenbogenfarbenen Brosche setzt man ein Statement für LGBTQ. Die schwarze «Art nouveau»-Brosche in Form einer Blume, die Preisträger Ke Huy Quan an der Oscarverleihung trug, kann als Bekenntnis zum Jugendstil gedeutet werden - oder aber als Drohgebärde an Quan's Konkurrenten. Denn in manchen Kulturkreisen dient eine schwarze Blume als Symbol der Drohung. Wohl aber eher unwahrscheinlich. Viel eher hat der Stylist von Quan die Blume ausgesucht, weil sie schön zum Anzug passte. Reine Zierde.
Wie dem auch sei: Die Brosche dient heute oft als Kommunikationsmittel, und das entspreche einem allgemein gestiegenen Mitteilungsbedürfnis, sagt Psychologe Fichter: «Mit dem öffentlichen Bekenntnis und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe wird ein ureigener Antrieb des Menschen stimuliert. In der Gemeinschaft wähnt man sich stark und gewappnet für alles, was kommt.» Das Bedürfnis sitze tief in unserer DNA drin, so Fichter: «Wer vor 10 000 Jahren aus einer Gruppe ausgeschlossen wurde, hatte fast keine Chance, zu überleben. Der Kooperationstrieb ist in unserem Gehirn einprogrammiert und wird durch die jetzigen unsicheren Zeiten getriggert.» (aargauerzeitung.ch)