Zum ersten Mal überhaupt hat das Bundesamt für Kommunikation ein Aufsichtsverfahren gegen die SRG durchgeführt. Grund war eine mögliche Verletzung der Konzession. Der öffentlich finanzierte Rundfunk könnte also die Regeln gebrochen haben, die für ihn gelten. Nun liegt die Verfügung des Bundesamts vor.
Das Verfahren war nach einem Artikel von CH Media gestartet worden: Die Recherche hatte aufgezeigt, wie das Schweizer Fernsehen auf dem Wiederholungskanal SRF info Liveübertragungen von Sportveranstaltungen zeigt – obwohl das wahrscheinlich nicht zulässig sei.
Ein Beispiel war das Fussballspiel zwischen dem norwegischen Klub Bodø und dem serbischen Verein Roter Stern Belgrad. Das Bundesamt für Kommunikation kommt jetzt zum Schluss: Der Match hätte am 28. August 2024 auf SRF info nicht gezeigt werden dürfen. Das Bundesamt hält weiter fest: Auch die Übertragung des Fussball-Länderspiels zwischen Schottland und Finnland vom 7. Juni 2024 verstiess gegen die Vorschriften.
In beiden Fällen fand die Behörde, dass die Sportveranstaltung keinem «Ereignis von nationaler Bedeutung» entsprochen habe. Diese Voraussetzung muss aber erfüllt sein, wenn Live-Sport auf SRF info gezeigt wird.
Der Sender wurde 2001 ins Leben gerufen, um Informationssendungen zu wiederholen, die zuvor auf SRF 1 und SRF 2 ausgestrahlt worden sind. Zudem darf der Wiederholungskanal Programme über Ereignisse von nationaler Bedeutung «originär», also live, präsentieren. Dazu zählen Übertragungen von Debatten im Bundesparlament, Vorträge am World Economic Forum in Davos – und Sportveranstaltungen.
Die privaten Medienunternehmen kritisieren, dass auf SRF info viel zu viel Sport gezeigt werde. Das Schweizer Fernsehen mache damit aus zwei Sendern drei und erhöhe seinen Marktanteil. Bei Live-Sport schauen mehr Menschen zu als bei der Wiederholung der «Tagesschau» und der Sendung «10 vor 10.»
Der Bericht des Bundesamts für Kommunikation bestätigt nun den Vorwurf, dass SRF info oft etwas anderes zeigt als Wiederholungen. Das Bundesamt wies die SRG an, alle Live-Sendungen aufzulisten, die von Juni bis August 2024 auf SRF info ausgestrahlt worden waren: Die SRG wies nicht weniger als 100 Sendungen aus. In einem Zeitraum von drei Monaten ergibt das mehr als eine Übertragung pro Tag.
Diese hohe Zahl steht im krassen Widerspruch zur Verfügung des Bundesamts: Sie besagt, dass am Charakter von SRF info als Wiederholungskanal für Informationssendungen festzuhalten sei. Erstausstrahlungen dürften «nur ausnahmsweise erfolgen». Kann man von einer Ausnahme sprechen, wenn etwas täglich geschieht oder noch häufiger? Die SRG schert sich offenbar nicht um die Vorgabe der Aufsichtsbehörde.
Aus den 100 Sportübertragungen, die auf SRF info von Juni bis August 2024 zu sehen waren, wählte das Bundesamt 10 für eine genauere Analyse aus. Bei 8 stimmte das Amt der Meinung des Schweizer Fernsehens zu, dass ein «Ereignis von nationaler Bedeutung» gezeigt worden sei. Beispiele: das Handballspiel zwischen Kadetten Schaffhausen und Kriens-Luzern, ein Moto-3-Motorradrennen in Grossbritannien, die Qualifikation für ein Formel-1-Autorennen in Belgien.
In der Konzession ist nicht klar definiert, was ein «Ereignis von nationaler Bedeutung» ist. Die SRG findet, dass es sich um keine «exakte Wissenschaft» handle, sie verweist auf ihre «Programmautonomie» – und wendet eigene Kriterien an: Ein grosses Sportereignis kann auf SRF info gezeigt werden. Die Schweizer Beteiligung an einem weniger wichtigen Wettkampf ist von Belang. Oder auch der Austragungsort: Liegt er im Inland, spricht das für eine Übertragung. Schliesslich sind auch Wettbewerbe zulässig, die nur ein Fachpublikum interessieren. Zum Beispiel Handball, Langlauf, Reiten.
Das Bundesamt für Kommunikation schliesst sich diesen Argumenten weitgehend an. Und es interveniert nicht, wenn die SRG erklärt: Sie habe die Übertragungsrechte erworben, nun müsse sie die Veranstaltung auch zeigen – denn das sei Teil des Vertrages. Warum erwirbt die SRG Sportrechte, für deren Nutzung sie auf den Wiederholungskanal angewiesen ist? Das Bundesamt sieht davon ab, diesen Punkt anzusprechen.
Die Behörde kommt zum Schluss: Bei den Fussballspielen Schottland gegen Finnland und Roter Stern Belgrad gegen Bodø habe die SRG die Anforderungen für eine Ausstrahlung auf SRF info nicht erfüllt. Von einer Verletzung der Konzession mag das Bundesamt trotzdem nicht sprechen. Bei einer Fehlerquote von 2 Prozent bei 100 originären Ausstrahlungen sei «die Konzession im Ganzen gesehen erfüllt». Die Verfügung hat keine Konsequenzen für die SRG.
Beim Verband der Schweizer Regionalfernsehen Telesuisse kommt das schlecht an. Der Präsident André Moesch sagt: «Das Bundesamt für Kommunikation hält in seinem Entscheid zwar fest, dass die SRG mit der Ausstrahlung von zwei Spielen ihre Konzession eindeutig verletzt hat. Aber konkrete Folgen hat das für die SRG nicht, weder finanzielle noch organisatorische.» Die SRG müsse nicht einmal darlegen, wie sie solche Konzessionsverletzungen zukünftig vermeiden wolle. Wie üblich werde die SRG von der Aufsichtsbehörde mit Samthandschuhen angefasst. «Ganz anders ist es bei den Regionalsendern, bei denen das Bundesamt jeweils mit der Stoppuhr in der Hand auf die Sekunde genau prüft, ob sie ihren Konzessionsauftrag erfüllen.»
Das Bundesamt für Kommunikation weist darauf hin, dass im Sommer 2024 die Fussball-Europameisterschaft, die Olympischen Spiele und die Paralympics stattgefunden hätten. Das erkläre «die mögliche Häufung der Live-Berichterstattung» der SRG. Der für Informationssendungen vorgesehene Wiederholungskanal SRF info diente dabei als Überlaufgefäss für Sportübertragungen aller Art.
Andererseits darf man dem SRG wirklich ein Kränzchen winden für die Breite der Sportübertragungen. Randsportarten wie zB Handball zeigt sonst keiner. Und ohne diesen Sendeplatz auf SRFinfo würde es das SRF wohl auch nicht zeigen...