Die Medienmitteilung ist ordentlich gepfeffert: Von «handwerklichen Fehlern», «Alibi-Übung» und «fehlender medizinischer Fachkenntnis» ist da die Rede. Es geht um einen neuen Entwurf der ambulanten Pauschalen. Diese sollen die Finanzierung von Herzkathetern, Meniskus-Eingriffen oder Operationen des Grauen Stars neu regeln. Es sind dies alles Leistungen, die ambulant (also ohne Übernachtung im Spital) erbracht werden können.
Die Pauschalen versprechen eine Vereinheitlichung und Vereinfachung bei der Abrechnung. Doch es regt sich Widerstand. Die Gesellschaft für Radiologie will den Entwurf so nicht akzeptieren, wie sie in der Mitteilung schreibt. Sie hält ihn für «teuer» und sagt, er sei «voller Fehler». So lautet die erste konkrete Stellungnahme zu den überarbeiteten ambulanten Pauschalen, die Ende Juni eingereicht wurden.
Die Reform des alten Tarifs Tarmed ist zwar kaum bestritten, weil er veraltet ist und gespickt mit Fehlanreizen. Jede Neuerung erweist sich dennoch als schwierig. Es geht um viel Geld, wie aktuelle Zahlen zeigen: 2022 bezogen Patientinnen und Patienten ambulante ärztliche Leistungen in der Höhe von 12'750'866'682 Franken. Das sind fast 13 Milliarden, also 1421 Franken pro Person-Pflege, Spitalaufenthalte und Physiotherapien sind darin nicht eingerechnet.
Der Weg zu einem neuen Tarif ist gerade darum ein steiniger, weil er nicht mehr Kosten verursachen darf als der alte. Das ist eine zentrale Vorgabe des Bundesrates, der den Tarif genehmigen muss.
Das stellt die Tarifpartner vor ein Dilemma. Einerseits beklagen Spitäler und auch einzelne Ärztegesellschaften eine Unterfinanzierung: Ihre Leistungen werden im heutigen Tarif nur ungenügend abgedeckt. Andererseits möchte niemand den bereits ergatterten Teil des Kuchens wieder abgeben und Einbussen hinnehmen.
Wenn also die Radiologen schreiben, es fehle die fachliche Expertise in der Erarbeitung der Pauschalen, dann stimmt das. Denn für die Tarifpartner Santésuisse und Hplus hat die Gesellschaft Solutions Tarifaires Suisse (STS) die Pauschalen auf der Grundlage der Daten verschiedener Spitäler berechnet. Die ärztlichen Fachgesellschaften wurden da nur marginal einbezogen, es fehlten überdies Daten aus den Arztpraxen.
Doch die Kritik bedeutet auch, dass Radiologen Einbussen verkraften müssten. Und dagegen wehren sie sich vehement.
Ob ihre Kritik wirkt? Bereits im Frühjahr lief eine erste Vernehmlassung zu den Pauschalen. Die STS besserte aufgrund der Rückmeldungen nach: «Um der Ärzteschaft entgegen zu kommen, wurden Untersuchungen wie Ultraschall, Röntgen oder die gesamte Funktionsdiagnostik aus dem Tarifwerk der ambulanten Pauschalen herausgenommen», wie sie auf Anfrage Ende Juni erklärte.
Der neue Entwurf sieht immer noch die Einführung von über 450 ambulanten Pauschalen vor. Die Ärztinnen und Ärzte hätten sich eine abgespecktere Version gewünscht.
Darunter nicht nur die Radiologen, die kritisieren, dass ihre Verbesserungsvorschläge ignoriert wurden. Wobei STS-Geschäftsführer Tobias Bosshart entgegnet, der Vorschlag der Gesellschaft für Radiologie beruhe nicht auf realen Kosten- und Leistungsdaten, sondern einzig auf normativen Expertenmeinungen. Diese wiederum akzeptiere das Bundesamt für Gesundheit nicht.
Auch die Ärztevereinigung FMH, welche die Einführung solcher Pauschalen bereits im April als «sinnvoll» erklärte, schlug vor, zunächst ein begrenztes Set von ambulanten Pauschalen einzuführen - jene mit einer stichfesten Datengrundlage aus der Praxis. Eine solche fordert auch das BAG von den Tarifpartnern in einem neuen Brief.
FMH-Vorstandsmitglied Urs Stoffel stellt nun aber fest: «Der neue Entwurf ist nicht stark entschlackt.» Das berge Risiken, weil der Bundesrat klare Vorgaben gemacht hat, welche für die Genehmigung der Pauschalen erfüllt sein müssen. Stoffel unterstreicht die FMH-Position: «Wir müssen 2025 mit einem begrenzten Set von Pauschalen starten, welche genehmigungsfähig sind und nicht mit dem Kopf durch die Wand. Sonst gefährden wir die ganze Reform.»
Dass die Pauschalen eingeführt werden, zeichnet sich also trotz Kritik ab. Die Frage ist mehr, wie viele es sein werden.
In meinen Augen müssen insbesondere bei den Löhnen der Spezialisten abstriche gemacht werden, denn sie sind europaweit mit Abstand am höchsten in der Schweiz!