Schneller sollen die Asylverfahren sein, und trotzdem fair: Das ist das Ziel des neuen Asylgesetzes. Das Stimmvolk hat diesem 2016 klar zugestimmt – gegen den Widerstand der SVP, die damals mit dem Schlagwort «Gratisanwälte» Stimmung gegen die Gesetzesrevision machte.
Seit rund elf Monaten ist das neue System nun in Kraft – genügend lang, um eine erste Bilanz zu ziehen, fand das Staatssekretariat für Migration (SEM). Und die Bilanz fällt positiv aus: «Ich bin sehr zufrieden», sagte Staatssekretär Mario Gattiker vor den Medien. «Das System funktioniert noch nicht perfekt, aber es funktioniert gut.»
Im Durchschnitt dauert es nun noch 50 Tage, bis die Asylverfahren abgeschlossen werden. Zum Vergleich: 2015 ging es durchschnittlich 280 Tage, bis ein rechtskräftiger Entscheid vorlag.
Die Schnelligkeit der Verfahren ist laut Gattiker aus zwei Gründen wichtig: Unbegründete Asylgesuche könnten dadurch rasch abgewiesen werden, was die Schweiz als Zielland unattraktiv mache. «Und die Schutzbedürftigen erhalten rasch Bescheid, statt jahrelang in Ungewissheit zu leben.»
Schneller sind die Asylverfahren also geworden. Nur: Sind sie auch fair? Anfang Woche war die Schweizerische Flüchtlingshilfe vorgeprescht und hatte ihre Bilanz zu den neuen Asylverfahren vorgelegt – und zwar eine deutlich kritischere (wir berichteten). Sie bemängelte, die Behörden fokussierten zu sehr aufs Tempo, was auf Kosten von Fairness und Qualität gehe. Das zeige sich darin, dass mehr Beschwerden eingereicht und diese häufiger erfolgreich seien.
Mario Gattiker wies diese Kritik gestern zurück. Die Beschwerdequote sei nur wenig höher als vorher. «Zwei von drei Entscheide werden akzeptiert», sagte er. Angesichts des Systemwechsels und der neuen unentgeltlichen Rechtsvertretung sei das eine gute Quote. Das SEM geht zudem davon aus, dass die Zahl der Beschwerden tendenziell wieder sinken wird.
Gattiker räumte ein, dass das Bundesverwaltungsgericht im neuen System öfter Entscheide des SEM umstiess. Dabei sei es jedoch vor allem um Fragen zum Ablauf des Verfahrens gegangen – etwa, in welchen Fällen es medizinische Abklärungen brauche. Inzwischen habe man reagiert und hole mehr medizinische Berichte ein. Er betonte:
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hält indes an ihrer Kritik fest. Viele Beschwerden würden gutgeheissen, weil der Sachverhalt ungenügend abgeklärt worden sei, erklärt eine Sprecherin. Das ist aus ihrer Sicht mehr als eine «Frage des Ablaufs»: «Das betrifft die Grundlagen und ist damit eine zentrale Frage des Verfahrens.»
Dass noch nicht ganz alles rund läuft, räumt auch das SEM ein. In einigen Regionen sei es anspruchsvoll, genügend Ärzte zu finden, die in der kurzen Zeit Abklärungen machen können. Das Gleiche gelte für Dolmetscher.
Insgesamt hat sich das System laut SEM aber bewährt – auch die von der SVP kritisierten «Gratis-Anwälte». Diese beraten die Asylsuchenden nicht nur, sie informieren sie auch früh über ihre Perspektiven. Zusammen mit dem neuen System der Rückkehrhilfe führt dies laut Bund dazu, dass mehr Personen freiwillig abreisen: Die Zahl ist um rund einen Drittel gestiegen.
«Die Schweiz ist – gerade auch im Vergleich mit Europa – sehr gut aufgestellt», betonte Gattiker. Derzeit ist die Situation entspannt: Vergangenes Jahr verzeichnete die Schweiz rund 14'300 Asylgesuche – so wenige wie seit 2007 nicht mehr. Die Migrationslage sei jedoch sehr volatil, sagte Gattiker, der Druck bleibe hoch. (bzbasel.ch)