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Flüchtlinge sollen bis 25 in die Schule gehen

ARCHIV --- ZU DEN EMPFEHLUNGEN DER SODK ZU UNBEGLEITETEN MINDERJAEHRIGEN IM ASYLBEREICH STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILD ZUR VERFUEGUNG --- Lehrerin Silva, links, beobachtet ihren Schueler Samuel, Mit ...
Mathematikunterricht im Kanton Thurgau: Der geflüchtete Samuel löst Rechenaufgaben.Bild: KEYSTONE

Flüchtlinge sollen bis 25 in die Schule gehen

Flüchtlingskinder stellen die Schweizer Schulen vor riesige Herausforderungen. Über 20'000 Minderjährige befinden sich im Asylprozess. Sie alle müssen eingeschult werden. Lehrer lancieren dafür eine neue Idee – und fordern Hunderte neue Stellen.
08.01.2017, 16:3108.01.2017, 16:58
Yannick Nock / Schweiz am Sonntag
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Im vergangenen Jahr sind Tausende Kinder in die Schweiz geflüchtet. 1900 davon allein, ohne Eltern oder Verwandte. Das stellt die Schulen vor grosse Herausforderungen. Sie müssen die Minderjährigen aufnehmen, ausbilden und aufs Berufsleben vorbereiten. Doch oft ist die Zeit dafür zu knapp. Ein 14-jähriger Geflüchteter schafft es bis zur Volljährigkeit selten, sich die nötigen Grundlagen für eine Lehrstelle anzueignen. Stattdessen droht nach dem 18. Geburtstag ein Leben in der Sozialhilfe.

Deshalb lanciert der Bildungsexperte des Schweizer Lehrerverbands, Jürg Brühlmann, nun eine neue Idee: Flüchtlinge sollen bis zum Alter von 25 Jahren das Recht haben, einen Grundschulabschluss und wenn möglich einen Berufsabschluss machen zu können.

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Deutschkurse sind zentral

«Das würde die Perspektive für die Jugendlichen verbessern und gleichzeitig das Sozialsystem entlasten», sagt Brühlmann. Die jungen Erwachsenen könnten in separaten Klassen unterrichtet werden, aber teilweise auch im Regelbetrieb. «Natürlich nicht bei den ganz jungen», sagt er, «aber bei den 13- bis 15-Jährigen und an Berufs- und Fachmittelschulen.»

Viele Kantone kennen bereits altersdurchmischte Klassen auf der Sekundarstufe. Die vorhandenen Brückenangebote oder Vorlehren würden bei weitem nicht ausreichen, um alle geflüchteten Jugendlichen in die Arbeitswelt zu integrieren, sagt Brühlmann. Entscheidend sei der Deutschunterricht, aber auch Grundkenntnisse in Mathematik oder den Naturwissenschaften.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe steht dem Vorschlag positiv gegenüber. Die Jugendlichen sollten eine echte Chance erhalten, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sagt Sprecher Michael Flückiger. «Wenn dazu weitere Schuljahre nötig sind, begrüssen wir das.» Allerdings pocht die Organisation bei älteren Flüchtlingen in erster Linie auf Vorbereitungskurse für den Arbeitsmarkt.

20'000 Minderjährige im Asylprozess

Weniger überzeugt von der Idee ist der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann (LDP). «Wenn das Alter für die Grundschule auf 25 erhöht wird, öffnen wir eine Schleuse, die wir kaum wieder schliessen können.» Die neue Regel müsste dann auch für Schweizer gelten. Die Folgen seien schwer abzuschätzen. Eymann will deshalb volljährige Flüchtlinge vor allem auf die Berufsbildung vorbereiten. Er sieht ganz besonders im Gastgewerbe oder in der Baubranche gute Chancen.

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Doch der Übergang in die Berufswelt ist nur die eine Seite. Schon länger fordert der Lehrerverband mehr Unterstützung von Bund und Kantonen, um die Zunahme von minderjährigen Flüchtlingen zu bewältigen. Wie neuste Zahlen des Bundes zeigen, befanden sich Ende 2016 über 20'000 Minderjährige im Asylprozess. Besondere Betreuung brauchen Kinder, die allein auf der Flucht waren, sogenannte unbegleitete minderjährige Asylsuchende. 3170 befinden sich derzeit im Prozess, allein im vergangenen Jahr kamen 1900 hinzu.

Gesucht: Hunderte Lehrer

Die Schule sei kein Abstellraum, wo Kinder hineingesteckt und jederzeit wieder umplatziert werden können, sagt Brühlmann. Oft seien die Flüchtlingskinder traumatisiert. «Sie benötigen vor allem Stabilität.» Die Symptome kämen manchmal erst Monate später zum Vorschein. Das macht auch den Lehrern zu schaffen. «Statt neue Pensen bereitzustellen, wurden Sparrunden umgesetzt», kritisiert er. Die Klassen seien häufig zu gross, die Betreuung komme oft zu kurz.

Eine Besserung ist nicht absehbar, vielmehr dürfte sich die Situation verschärfen, weil die Klassen weiter wachsen. «Wir benötigen Hunderte neue Stellen», sagt Brühlmann. Mehrere Kantone haben mittlerweile Dutzende Aufnahmeklassen geschaffen. Allein im Kanton Zürich wurden 2016 rund 500 neue Flüchtlingskinder eingeschult.

Neue Stellen sind zwar nicht in Sicht, aber mehr Geld. Die Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK) will mit dem Bund nachverhandeln. Bisher vergütet er die Kantone für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene pauschal mit 6000 Franken pro Person. Geht es nach der EDK, soll die Prämie erhöht werden. Zu konkreten Zahlen wollen sich die Erziehungsdirektoren nicht äussern. Ziel sei es aber, weitere Angebote bereitzustellen.

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Domino
08.01.2017 21:21registriert Januar 2016
Das Ziel ist doch nicht das wir Flüchtlinge ein Leben lang hier versorgen. Viel wichtiger ist das sie während dem Aufenthalt hier nebst einer Grundbildung lernen ihr Land wieder aufzubauen. Mauern, schweisen, stromern etc. Als Beispiel sollte man Deutschland nach dem 2WK nehmen.
So entsteht für Syrien eine Zukunft, und das ist sozial. Die Flüchtlinge ein Leben lang hier mit Sozialgeldern zu versogen ist assozial und macht niemand glücklich.
Aus dem Kriegsgebiet Syrien kommen nur rund 12% aller der Gesuchssteller. In den anderen Ländern sollte man vor Ort Schulen bauen oder unterstützen.
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dnsd
08.01.2017 18:30registriert November 2014
Dafür spende ich gerne was - wen die Schule in Aleppo neu aufgebaut wird und die jungen Männer danach beim Wiederaufbau ihres Landes helfen...
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atomschlaf
08.01.2017 18:19registriert Juli 2015
"Weniger überzeugt von der Idee ist der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann (LDP). «Wenn das Alter für die Grundschule auf 25 erhöht wird, öffnen wir eine Schleuse, die wir kaum wieder schliessen können.» Die neue Regel müsste dann auch für Schweizer gelten."

Ich verstehe nicht ganz, wo Eymann das Problem sieht. Wer hier lebt, kommt ohnehin mit 6 oder so in die Volksschule. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es grosse Auswirkungen hätte, wenn hier Aufgewachsene diese theoretisch auch bis 25 besuchen könnten.

Oder übersehe ich da was?
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