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Die Tage werden kälter, das Wetter wird schlechter – doch der Flüchtlingsstrom auf der Balkanroute nimmt nicht ab. Ein Grenzübergang nach dem anderen macht dicht, doch die Menschen lassen sich nicht von ihrem Weg nach Europa abbringen. Nachdem Ungarn seine Grenze komplett geschlossen hat, führt die Route nun durch Slowenien.
Trotz der widrigen Verhältnisse glänzen die grossen Hilfsorganisationen mit Abwesenheit. «Wir sind teilweise 40 Stunden am Stück im Einsatz und müssen den ganzen Menschenstrom organisatorisch regeln», berichtet eine Schweizer Helferin von der kroatisch-serbischen Grenze. «Wenn die freiwilligen Helfer nicht wären, gäbe es Tote», sagt Fabian Henzmann, der diese Woche von Hegyeshalom an der ungarisch-österreichischen Grenze zurückgekehrt ist.
Trapped at the Slovenian BorderCamped out in cold, rainy weather, refugees face a bottleneck when they get to Slovenia.
Posted by AJ+ on Monday, 19 October 2015
Am Wochenende folgten weitere News, die daran zweifeln lassen, ob Spenden wirklich das bewirken, was man sich erhofft: Wie die «Schweiz am Sonntag» berichtet, sammelte die Glückskette 24 Millionen Franken für die Flüchtlinge – wovon gerade mal zehn Prozent für die Soforthilfe an der Balkanroute eingesetzt wurden.
In der Schweiz gibt es mehrere unbürokratische Aktionen aus der Bevölkerung, die Soforthilfe leisten und koordinieren. Wir stellen neun Projekte vor:
Im Namen der Aktion «Tsüri hilft!» war vergangene Woche ein Konvoi aus 27 Fahrzeugen und rund 100 Helfern aus der Schweiz nach Ungarn unterwegs, um Hilfsgüter zu transportieren und vor Ort Soforthilfe für Flüchtlinge zu leisten. «Tsüri hilft!» ist eines der grössten Netzwerke aus freiwilligen Helferinnen und Helfern aus der Schweiz.
Anfang September startete die Schweizerin Selma Kuyas zusammen mit Anja Dräger auf Facebook einen Aufruf – sie wollte einen Hilfstransport organisieren. Nachdem sich mehrere Leute meldeten, eröffnete sie die Facebook-Gruppe «Tsüri hilft!» Mittlerweile hat diese schon 4000 Mitglieder. «Wir sind jetzt bei der Nachbearbeitung unseres Einsatzes», sagt Kuyas auf Anfrage. Weitere Einsätze sollen folgen.
Die vier jungen Basler sind seit zwei Wochen in Preševo an der serbisch-mazedonischen Grenze und kochen für die ankommenden Flüchtlinge. Sie haben schon Tausende Portionen Makuble zubereitet, ein syrisches Gericht mit Reis und Gemüse. «Wir wollen die Ankömmlinge willkommen heissen und ihnen ein Gefühl von Heimat geben», sagt Joel Sames von der Aktion Rastplatz.
Sames fühlt sich, wie viele andere, im Stich gelassen. «Wir übernehmen hier grundlegende Aufgaben, die eigentlich gar nicht unsere sein sollten. Wir fordern von den Behörden und Organisationen, dass sie ihrem Auftrag nachkommen.» Die Gruppe bleibt noch eine weitere Woche, dann geht es erst einmal zurück in die Schweiz. Damit ist es aber noch nicht vorbei mit Rastplatz. «Wir wollen wiederkommen», so Sames.
Die 15 Aktivisten aus dem Raum Bern
Eigentlich reiste die Gruppe im September im Rahmen einer europaweiten politischen Aktion in den Balkan: der «Open Borders Carawan». Es hätte einen symbolischen Grenzübertritt geben sollen. Dazu kam es aber nicht, und die Berner sahen, dass humanitäre Hilfe dringend nötig ist.
«Wir dachten erst, das ist nicht unsere Aufgabe, andere können das besser», so Böhm. «Und das glaube ich noch immer. Aber die grossen Hilfswerke leisten einfach zu wenig. Wir hatten eigentlich keine andere Wahl.»
Ein weiteres Ziel von «Open Eyes Balkanroute» ist es, sich mit anderen privaten Hilfsaktionen zu vernetzen und die Hilfe möglichst effizient zu organisieren. «Wir möchten eine Anlaufstelle für Leute werden, die sich engagieren wollen und nicht genau wissen, was sie tun sollen», erzählt Böhm. Der nächste Konvoi startet am kommenden Wochenende.
Bei ihrem freiwilligen Einsatz Anfang September in Vámosszabadi an der österreichisch-ungarischen Grenze sahen der Schweizer Fabian Henzmann und seine Freundin, wie sehr Kleinkinder und Säuglinge leiden. Er beschloss, seine Kräfte zu konzentrieren und rief die Facebook-Gruppe «Kinder auf der Flucht» ins Leben – heute hat die Gruppe 1'500 Mitglieder.
Vergangene Woche brach ein Konvoi aus vier Fahrzeugen und acht Helfern nach Hegyeshalom in Ungarn auf. Dort richteten sie sich in einem Zelt der Aktion «Tsüri hilft!» ein, das vor allem als Wickelstation für Kleinkinder diente. Ausserdem organisierten sie Kinder- und Baby-Medikamente im Wert von mehreren tausend Franken, die sie den Ärzten vor Ort zukommen liessen.
Für Anfang November ist ein weiterer Konvoi geplant. «Diesmal haben wir eine Kinderkrankenpflegerin dabei, wir sind also noch besser vorbereitet», sagt Henzmann.
Der Verein CERIBA startete in Bern als Initiative für Soforthilfe für Flüchtlinge und hat sich mittlerweile zu einem landesweiten Projekt ausgeweitet. In der ganzen Schweiz hat CERIBA sechs Sammelstellen für Hilfsgüter.
In den vergangenen zwei Wochen hat das Team vier Tonnen an warmer Kleidung, Schuhe, Hygieneartikel sowie 2000 Franken an Spendengeldern gesammelt und ist jetzt unterwegs nach Botowo, um dort Hilfe zu Leisten. Momentan sind es 12 Leute, aber es werden in den nächsten Tagen 25 weitere dazukommen, unter anderem zwei Ärzte.
Der Initiant Sash Wegmüller plant, zwei Monate auf der Balkanroute zu verbringen und zu helfen. «Wir machen weiter, so lange es nötig ist», sagt Wegmüller. «Ich spiele sogar mit dem Gedanken, meinen Job vorübergehend aufzugeben und mich im Winter voll auf die Freiwilligenarbeit zu konzentrieren.»
Der Verein «Basel hilft mit» setzt auf regionale und überregionale Soforthilfe in Form von vielen kleinen Teilprojekten. So werden über die Facebook-Seite etwa Sammlungen für Hilfsgüter organisiert, die an Hilfskonvois weitergegeben werden, aber auch an Auffangzentren in der Region, die regelmässig beliefert werden. Auch Flüchtlingscamps in Deutschland, wo die Situation prekärer ist, werden unterstützt.
Zudem organisiert der Verein sogenannte Engagement-Spenden: Zum Beispiel ein Pony-Reiten für Flüchtlingskinder oder eine Aktion mit Coiffeuren zum Haareschneiden.
Corinna Noack hat «Basel hilft mit» Ende August gegründet. «Wenige Tage später standen 50 Leute für die erste Sammelaktion vor der Tür», sagt Noack. Das Kernteam besteht mittlerweile aus 15 Leuten, alle setzen sich ehrenamtlich ein. Das Projekt hätte ursprünglich bis Mitte Oktober laufen sollen – «aber uns war bald klar, dass unsere Arbeit weiter gebraucht wird», so Noack.
Wie viele andere Projekte begann «Action from Switzerland» mit einem simplen Aufruf auf Facebook. Unterdessen hat die Aktion 2300 Likes, eine ansehnliche Website und einen Twitter-Account. Das erklärte Ziel ist es, Flüchtlingen in Notsituationen Hilfe zu senden – in Form von Sachgütern, Geld oder in Form von menschlicher Arbeit.
Im Moment leistet ein Team von «Action from Switzerland» Soforthilfe im serbischen Preševo. Und sie haben mehr als nur Decken und Regenjacken dabei: Mit einem Generator und Radiatoren sollen die Bedingungen für Flüchtlinge vor Ort verbessert werden. Ausserdem beteiligt sich «Action from Switzerland» am Bau eines Schuppens zum Schutz vor dem Regen.
Lange wurde geplant und gesammelt, unter anderem an einem Benefiz-Konzert und einem Stand am Flohmarkt – am 9. Oktober schliesslich fuhr die Basler Gruppe «Be Aware And Share» (BAAS) mit sechs vollbepackten Fahrzeugen nach Bapska in Kroatien. Dort leisteten sie 72 Stunden Hilfe.
Die Filmemacher Omid Taslimi und Lasse Linder drehen in Zusammenarbeit mit «Be Aware and Share» einen Dokumentarfilm über die Erfahrung – er soll im November oder Dezember Premiere feiern. Hier ein Teaser:
Am Sonntag ist das «Baas»-Team erneut mit drei Fahrzeugen in Richtung Kroatien gestartet.
Der Verein mit Sitz in Zürich konzentriert seine Hilfe momentan auf Preševo in Südserbien. «Die Camps können 500 Menschen pro Tag registrieren, es kommen aber 5000 im Tag», sagt Sonia Bischoff von «Borderfree Association». Sie versorgen Flüchtlinge mit Mahlzeiten, bauen Zelte für Flüchtlinge auf und kümmern sich um die Entsorgung des Abfalls. Ausserdem haben sie ein Haus gemietet, in dem 40 Aktivisten Platz finden.
Neben diesen Soforthilfe-Massnahmen wird auch längerfristig geplant. So möchte der Verein Häuser für anerkannte Flüchtlinge mieten, zum Beispiel in Ungarn. «Es gibt kaum Platz für die, deren Asylgesuch angenommen wurde. Viele leben in Zelten», erzählt Bischoff. Auch in der Beratung- und Koordination von privaten Hilfsaktionen will «Borderfree Association» eine wichtige Rolle übernehmen.