Begriffe wie Inländervorrang, Kontingente und Höchstzahlen ersatzlos aus der Verfassung streichen: Das will die Volksinitiative Raus aus der Sackgasse (RASA). Selbst EU-freundlichen Politikern geht die Forderung zu weit. Sie befürchten eine krachende Niederlage beim Volk, das genau diese Begriffe mit seinem Ja zur Initiative gegen die Masseneinwanderung im Februar 2014 in die Verfassung geschrieben hat.
Ein Nein würde Kontingenten und Höchstzahlen, wie sie die SVP-Initiative verlangt hat, erst recht zum Durchbruch verhelfen. Um die Situation zu entschärfen, plädieren Politiker von rechts bis links darum für einen Gegenvorschlag. Dieser soll Verfassung und Personenfreizügigkeit in Einklang bringen und die RASA-Initianten zum Rückzug ihrer Initiative bewegen.
Bis zum Mittwoch muss der Bundesrat erklären, wie er mit der RASA-Initiative umgehen will. Laut «NZZ am Sonntag» konnte Justizministerin Simonetta Sommaruga eine Mehrheit der Bundesräte für einen Gegenvorschlag gewinnen. Wie die «Weltwoche» am letzten Donnerstag berichtete, kursiert im Bundesrat ein vertraulicher Entwurf, in dem Sommaruga drei Varianten für einen direkten Gegenvorschlag aufzeigt:
Gegen Sommarugas Pläne formiert sich bürgerlicher Widerstand: «Alle drei Varianten sind untauglich», sagt der Bündner CVP-Ständerat Stefan Engler. Dem Völkerrecht generell den Vorzug zu geben, würde die Volksrechte laut Engler über Gebühr beschneiden. Das würde über die Zuwanderungsfrage hinausgehen und der ebenfalls hängigen SVP-Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» Schub geben.
Die zweite Variante, also Höchstzahlen und Kontingente wieder aus der Verfassung zu streichen, komme dem Begehren der RASA-Initiative allzu nahe. Das Stimmvolk verbinde Kontingente und Höchstzahlen stark mit der SVP-Zuwanderungsinitiative, meint Engler. Die dritte Variante wiederum würde zu einem institutionellen Abkommen mit der EU hinführen. Engler schlägt stattdessen vor, in einem Gegenvorschlag die dreijährige Umsetzungsfrist wieder zu streichen.
Diese setzt die Schweiz unter Druck, die SVP-Zuwanderungsinitiative bis zum 9. Februar 2017 umzusetzen und schwächt ihre Verhandlungsposition gegenüber der EU. «Mit dem Brexit hat sich die Ausgangslage seit dem Abstimmungszeitpunkt stark verändert», sagt Engler. Falle der Zeitdruck weg, könne man sich die neue Situation zunutze machen.
In die gleiche Kerbe schlägt der Aargauer FDP-Ständerat Philipp Müller: Das Parlament könne weitere Optionen auf den Tisch legen, «etwa den Vorschlag, die Übergangsbestimmung zu streichen. Dann würde der zeitliche Druck für eine Lösung mit der EU wegfallen.» Gegen eine neue Verfassungsänderung äussert sich Ständerat Peter Hegglin (CVP/ZG). Man solle den «Inländervorrang light» im Ständerat zuspitzen. «Der Inländervorrang könnte dann zum indirekten Gegenentwurf erklärt und die RASA-Initiative könnte zurückgezogen werden.»
Ob das ausreicht, um die RASA-Initianten zum Rückzug ihrer Initiative zu bewegen, ist allerdings fraglich. Sie stellen zwei Bedingungen: Bundesrat und Parlament müssen den Erhalt der bilateralen Verträge garantieren und mit der EU eine Lösung finden, die über mehrere Jahre Bestand hat.
Noch muss sich der Bundesrat nicht auf einen konkreten Gegenvorschlag festlegen. Am Mittwoch geht es einzig um den Grundsatzentscheid Gegenvorschlag Ja oder Nein. Bei einem Ja hat der Bundesrat bis zum 27. April Zeit für die Ausarbeitung.
Die Frage muss lauten: Bilaterale oder Zuwanderungsbeschränkung. Punkt. Das gemeine Stimmvolk will nämlich nur den Ausländern eins auswischen, ohne selbst Nachteile in Kauf zu nehmen. Genau das har die SVP ihm vorgelogen, als sie immer wieder die Verhandlungsbereitschaft der EU betonte. Nun da auch dem dümmsten klar sein sollte, dass dem nicht so ist, sollen sie entscheiden was ihnen wichtiger ist.