Der Bundesrat plant für eine Rückkehr der Geflüchteten aus der Ukraine, obwohl ein Ende des Krieges nicht absehbar ist. Sollte der Schutzstatus S aufgehoben werden, ist es das Ziel der Behörden, dass möglichst viele Geflüchtete freiwillig die Schweiz verlassen.
Am Freitag hat der Bundesrat ein provisorisches Konzept zur Aufhebung des Status S zur Kenntnis genommen, das den Medien nun vorliegt. Zugleich versicherte er, dass das Konzept kein Präjudiz für eine Aufhebung des Schutzstatus sei und eine sichere Rückkehr derzeit nicht absehbar sei. Der Bundesrat will sich zudem mit der EU abstimmen.
Den Status S hatte der Bundesrat nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im März 2022 zum ersten Mal überhaupt aktiviert. Er erlaubt es, Geflüchtete aufzunehmen, ohne dass diese das ordentliche Asylverfahren durchlaufen müssen. Ende August 2023 lebten rund 65'400 Menschen aus der Ukraine mit Schutzstatus S in der Schweiz.
Das Konzept beruht auf fiktiven Annahmen und einer Aufhebung des Status S in den Jahren 2024 oder 2025, und es macht Empfehlungen. Angenommen wird dabei, dass 80 Prozent oder rund 56'000 Personen freiwillig ausreisen. Die Rede ist von einer Ausreisefrist zwischen sechs bis neun Monaten, um die Vorbereitung auf die Rückkehr zu ermöglichen.
Nach Möglichkeit soll das Ende des Schul- respektive Studienjahres beim Ansetzen der Frist berücksichtigt werden. Jugendliche, die eine Berufslehre machen, können diese abschliessen, wie die zuständigen Behörden bereits entschieden haben. Zahlreiche Geflüchtete aus der Ukraine sind Kinder und Jugendliche.
Verlassen Ukrainer innerhalb der gesetzten Frist die Schweiz nicht freiwillig, wird eine Rückführung organisiert. Die Schweiz habe mit der Ukraine ein Rückübernahmeabkommen, das Ausreisen auf allen Vollzugsstufen vorsehe, heisst es dazu.
Besonders Rücksicht genommen werden soll auf die rund 1000 ohne Begleitung eingereisten Minderjährigen sowie auf die rund 1600 über 75-Jährigen, die aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet sind. Auch in diese Kategorie fallen Menschen mit medizinischen Problemen.
Angedacht sind zudem finanzielle Rückkehrhilfen. Denkbar seien 2000, 3000 oder 4000 Franken pro Person in einer ersten Phase und 1000, 1500 oder 2000 pro Kopf in einer zweiten Phase, heisst es. Empfohlen wird, jenen mehr Geld zu geben, die am Anfang der Ausreisefrist die Schweiz verlassen. Konkrete Entscheide sollen aber erst fallen, wenn sich die Aufhebung des Status S tatsächlich abzeichnet.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) soll für die Rückkehrhilfe ein Länderprogramm für die Ukraine lancieren. Das nötige Geld müsste der Bundesrat bei Bedarf beim Parlament beantragen. Damit auch nach einem langen Krieg möglichst viele ausreisen, soll die Rückkehrhilfe höher sein, wenn der Status S erst nach längerer Zeit aufgehoben wird.
Voraussetzung für eine Rückkehr ist, dass den Geflüchteten in der Ukraine kein unzumutbares Risiko mehr droht - von einem effektiven Ende des Krieges ist im Szenario nicht die Rede. «Breite und klare Kommunikation und Information» sollen «zahlreiche aussichtslose Asylgesuche» verhindern.
Die EU, die Kantone, Hilfswerke und das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) sollen vor der Aufhebung des Status S angehört werden. Auch erhalten die Betroffenen selbst rechtliches Gehör. Während der Ausreisefrist sollen sie weiterhin arbeiten dürfen. Bedürftige erhalten in der Ausreisefrist nur noch Nothilfe statt Sozialhilfe.
Im Sinn einer vorausschauenden Planung erhielten das Justiz- und Polizeidepartement, das SEM und die Kantone vor einem Jahr den Auftrag, rechtliche, organisatorische und verfahrenstechnische Fragen im Zusammenhang mit einer allfälligen künftigen Aufhebung des Schutzstatus S zu prüfen.
Zweck des so entstandenen provisorischen Konzepts ist, dass die Beteiligten koordiniert handeln können, wenn die Geflüchteten dereinst in ihr Land zurückreisen. Der Schutzstatus S gewährt die Schweiz bis mindestens 4. März 2024. Wie es danach weitergehen soll, will der Bundesrat in den kommenden Wochen entscheiden. (sda)