Baustellen und Pannen haben einen negativen Einfluss auf die Pünktlichkeit der Züge.Bild: KEYSTONE
Die Konzernspitze handelt: So wollen die SBB ihre Probleme mit der Pünktlichkeit in den Griff bekommen.
18.04.2019, 05:4318.04.2019, 07:25
Sven Altermatt / ch media
SBB-Chef Andreas Meyer bringt es selbst auf den Punkt: «Pünktlichkeit ist eine magische Kennzahl», erklärte er jüngst. Tatsächlich haben die Bundesbahnen nicht weniger als den Anspruch, das pünktlichste Bahnunternehmen Europas zu sein. Präzise getaktete Abfahrtszeiten gelten vielen im Land schlicht als Selbstverständlichkeit. «Und er fuhr so, und er kam so an», wie Peter Bichsel einmal schrieb.
Jüngst hat die Zuverlässigkeit der SBB jedoch gelitten. Zwar ist die Pünktlichkeit in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegen. Doch 2018 waren die Züge unpünktlicher unterwegs als im Jahr zuvor. Die sogenannte Kundenpünktlichkeit ging zurück und betrug noch 90.1 Prozent.
Der Wert besagt, wie viele Reisende insgesamt pünktlich angekommen sind. Als unpünktlich gelten Verspätungen von mehr als drei Minuten; der Massstab gilt als der strengste in Europa. Gegen Ende Jahr sei die Lage gerade in der Romandie und im Tessin «unbefriedigend» gewesen, räumen die SBB ein. Ausgerechnet auf der Paradestrecke Zürich–Bern war in manchen Wochen jeder zweite Zug verspätet.
Der Konzern erklärte die Verspätungen mit Unterhaltsarbeiten und Ausbauten. Dazu kommen Lieferprobleme bei den neuen Doppelstockzügen. Wegen der fehlenden Kapazitäten habe man älteres Rollmaterial einsetzen müssen.
Selbstkritische Töne
Lange spielten die SBB entsprechende Probleme herunter und verwiesen auf die insgesamt guten Werte. Es werde immer Umweltfaktoren geben, die man halt nicht beeinflussen könne, hiess es etwa. Störungen wurden als Einzelfälle taxiert. An der Bilanzmedienkonferenz im März gab sich CEO Meyer dann demütiger. Er beteuerte: «Wir arbeiten mehr und intensiver denn je an unserer Pünktlichkeit.»
Was das genau heisst, zeigen nun Informationen, die CH Media vorliegen. Die Konzernleitung hat sich kürzlich an einer Sitzung eigens mit der Pünktlichkeit auseinandergesetzt, wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigt. Konkret hat die SBB-Spitze eine Reihe von Massnahmen eingeleitet:
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Sie hat eine Expertengruppe eingesetzt. Ihr gehören Topkader der Bereiche Infrastruktur, Personenverkehr und Cargo an. Die Experten sollen die momentane Lage analysieren und «konkrete Handlungsempfehlungen zur Sicherstellung der Pünktlichkeit» formulieren, erklärt SBB-Sprecher Reto Schärli. Bis wann die Ergebnisse vorliegen, will der Konzern nicht sagen. Intern ist die Rede von Ende Mai.
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Über die Bücher gehen die SBB bei der Information der Kunden. Bislang veröffentlichen sie nur wenige Zahlen zur Pünktlichkeit, und das meist nur einmal im Jahr. Ihre Werte nehmen den Gesamtanteil der pünktlichen Reisenden als Massstab – informieren aber nicht darüber, wie viele Züge auf welchen Strecken pünktlich oder verspätet fahren. Im Klartext: Der einzelne Pendler erfährt nicht, ob seine Reisestrecke besonders verspätungsträchtig ist. Doch seit 2017 wirft eine private Plattform ein neues Licht auf die Pünktlichkeit. Auf «Puenktlichkeit.ch» ist detailliert erfasst, wie viele Züge an einem Tag verspätet waren. Die Zahlen stützen sich auf Daten der Verkehrsbetriebe, sie werden breit beachtet (siehe Kontext). Kein Wunder, fürchtet die Konzernleitung um die Deutungshoheit, wie aus einem internen Papier hervorgeht. Die SBB hätten den «Kommunikationslead» verloren, heisst es selbstkritisch. Man wolle künftig transparenter und genauer über die Pünktlichkeitswerte informieren. Geplant ist offenbar, die SBB-App für Smartphones aufzurüsten. Angedacht sind Push-Benachrichtigungen, wenn sich der gewünschte Zug verspätet.
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Ausgebaut hat die Konzernleitung auch das sogenannte Pünktlichkeits-Board; jenes Gremium also, das die Pünktlichkeit sicherstellen soll. Das Board wird personell verstärkt. Es habe neu «eine thematisch breitere, zeitlich längerfristige Optik», sagt Schärli. Was bedeutet das genau? Mehr Gewicht bekommt etwa der Aspekt Rollmaterial – gerade weil die SBB wegen Engpässen gezwungen sind, ältere und tendenziell unzuverlässigere Züge einzusetzen. Im Moment rolle alles über die Schienen, was irgendwie einsatzbereit sei, sagt ein Insider. Das Pünktlichkeits-Board soll ferner auch die Sicht der Kunden stärker einbeziehen.
Schwierige Zeiten erwartet
Die Pünktlichkeit zu halten ist schon schwierig, sie weiter zu steigern äusserst knifflig – gerade mit Blick auf das Schienennetz: Dass die SBB im Jahr 2018 so viele Unterhaltsarbeiten erledigen mussten wie nie zuvor, steht exemplarisch dafür. Trotzdem ist der Rückstand beim Unterhalt noch immer riesig, wie neuste Zahlen zeigen. Ende 2018 betrug er 5.5 Milliarden Franken.
Die Konsequenz: Die SBB müssen weiterhin munter bauen und dafür Strecken sperren oder Umleitungen einrichten. «Das Halten und Verbessern der Pünktlichkeit ist deshalb anspruchsvoll», sagt SBB-Sprecher Schärli. Auch aus diesem Grund lege die Konzernleitung grosses Augenmerk auf das Thema.
Streitfrage: Unterschiedliche Massstäbe für Pünktlichkeit
Wie erfasst man die Pünktlichkeit? Die SBB setzen auf die sogenannte Kundenpünktlichkeit. Der Wert zeigt, wie viele Reisende insgesamt ihr Ziel mit weniger als drei Minuten Verspätung erreicht haben. Gemessen wird an Bahnhöfen und ausgewählten Punkten. Was die SBB selbst nicht kommunizieren, ist die Zugpünktlichkeit; sie gibt an, wie viele Züge ihr Ziel in der Drei-Minuten-Frist erreichen. In die Lücke springt das private Portal «Puenktlichkeit.ch», das jüngst auf grosse Beachtung stiess. Seine Zahlen stützen sich auf Daten, die von den Verkehrsunternehmen gemäss «Open Data»-Grundsatz veröffentlicht werden. Die SBB halten die Kundenpünktlichkeit jedoch für aussagekräftiger. Sie berücksichtige auch, wenn ein Zug etwa spätabends fast leer unterwegs ist. Allerdings räumen selbst die SBB ein: Im Einzelfall sei es für Kunden nicht relevant, wie gut der Gesamtwert ist. «Sie brauchen eine rasche und gute Lösung für ihr aktuelles, konkretes Transportproblem.» (sva)
400 Meter lang, 1300 Passagiere, 4 Jahre Verspätung: Der neue Intercity der SBB ist da
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400 Meter lang, 1300 Passagiere, 4 Jahre Verspätung: Der neue Intercity der SBB ist da
Die SBB präsentierten im Mai 2017 ihren neuen Intercity-Zug erstmals den Medien. Der Zug mit dem Namen «Twindexx Swiss Express» wird von der Firma Bombardier hergestellt. Hier steht er im Bahnhof Interlaken bereit für die Abfahrt.
quelle: keystone / anthony anex
Die SBB renoviert die Züge aus den 90ern
Video: srf
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