Schweiz
Nationalrat

Nationalratsentscheid: UNRWA-Hilfe gestrichen, Entwicklungshilfe gekürzt

Die soeben gewaehlte Nationalratspraesidentin Maja Riniker, FDP-AG, hinten Mitte, spricht kurz nach ihrer Wahl zur Grossen Kammer, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 2. Dezemb ...
Der Nationalrat kürzt die Mittel für die Schweizer Hilfe im Ausland.Bild: keystone

Nationalrat will wegen Armee-Nachrüstung bei Auslandshilfe sparen

04.12.2024, 13:49
Mehr «Schweiz»

Die Budgetdebatte im Nationalrat ist in den ersten zwei Tagen ohne Überraschungen über die Bühne gegangen. Die beschlossenen Mehrausgaben für die Armee und die Landwirtschaft sollen insbesondere mit einer 250-Millionen-Franken-Kürzung bei der Auslandshilfe kompensiert werden.

In der bisher neun Stunden dauernden Diskussion um den Bundeshaushalt vom kommenden Jahr folgte die grosse Kammer in fast allen Punkten ihrer vorberatenden Finanzkommission. Nur ein Minderheitsantrag und zwei Einzelanträge - alle betreffen Details - waren erfolgreich.

Nachdem der Nationalrat am Dienstag eine halbe Milliarde Franken mehr für die Armee bereitgestellt und dafür weniger Mittel für das Bundespersonal beschlossen hatte, ging es am Mittwoch schwerpunktmässig um die Ausgaben für Auslandshilfe, Asyl und Landwirtschaft. Die bürgerliche Mehrheit von SVP, FDP und Mitte setzte sich wie in der Kommission auch im Plenum durch.

Neue Prioritäten gefordert

Konkret kürzte die grosse Kammer das Budget für die internationale Zusammenarbeit um 250 Millionen Franken. Den Kredit für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit stutzte der Rat um 147,7 Millionen Franken, jenen für multilaterale Organisationen um 52,3 Millionen Franken. 50 Millionen Franken weniger als der Bundesrat genehmigte er für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).

Die veränderte geopolitische Lage erfordere neue Prioritäten, sagte Pius Kaufmann (Mitte/LU). Namens der SVP-Fraktion sagte Andreas Gafner (EDU/BE), die Sicherheit der Bevölkerung im Inland müsse an erster Stelle stehen.

Die Kürzungen seien tragbar, hielt Alex Farinelli (FDP/TI) fest. Die Mittel für die internationale Entwicklungshilfe hätten zugenommen, mehr als alle anderen Ausgaben des Bundes. Umgekehrt seien die Ausgaben für die Landesverteidigung reduziert worden, nicht zuletzt zugunsten der internationalen Zusammenarbeit.

«Brandgefährliche Kürzung»

SP, Grüne, GLP und EVP wehrten sich vergeblich gegen die Abstriche. Sie gingen auf Kosten einzelner Länderprogramme und der multinationalen Zusammenarbeit, sagte Corina Gredig (GLP/ZH) und warnte vor Reputationsschäden.

«Sicherheitspolitisch ist die Kürzung brandgefährlich», warnte Cédric Wermuth (SP/AG) und sprach von einem «verheerenden Signal gegen aussen». Mit den Mehrheitsanträgen könnten Peking und Moskau ihren Einfluss im globalen Süden ausdehnen.

Gerhard Andrey (Grüne/FR) erinnerte an die Pflege der internationalen Beziehungen und die Glaubwürdigkeit der neutralen Schweiz. Diese habe etwa den Ukraine-Gipfel auf dem Bürgenstock möglich gemacht. «Entwicklungspolitik und Sicherheitspolitik sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden», sagte Marc Jost (EVP/BE).

Tiefe Asylzahlen nachvollzogen

Ebenfalls Federn lassen muss im kommenden Jahr der Asylbereich. Insgesamt kürzte die grosse Kammer die Ausgaben für das Staatssekretariat für Migration (SEM) im Vergleich zum Budgetentwurf des Bundesrats um 105 Millionen Franken.

Neben einer Kürzung für den Betrieb der Bundesasylzentren im Umfang von 85 Millionen Franken stellte der Nationalrat auch für die Sozialhilfe für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge 20 Millionen Franken weniger zur Verfügung. Die kleine Kammer befasst sich ab nächstem Montag mit dem Bundesbudget. Ihre zuständige Kommission beantragt im Asylbereich Kürzungen von insgesamt 185 Millionen Franken.

Die Kürzung bei den Betriebsausgaben der Bundesasylzentren begründete Kommissionssprecherin Anna Giacometti (FDP/GR) im Nationalrat mit den tiefen Asylzahlen. Dagegen gab es keinen Widerstand. Neun der insgesamt 36 temporären Bundesasylzentren in der Schweiz werden bis Anfang März geschlossen.

Landwirtschaft muss nicht sparen

Nicht kürzen will der Nationalrat die Direktzahlungen für Bäuerinnen und Bauern. Der Nationalrat will für die Landwirtschaft über 46 Millionen Franken mehr bereitstellen als der Bundesrat, davon rund 42 Millionen für Direktzahlungen an Betriebe. Die Mehrheit wolle die Ausgaben auf dem aktuellen Niveau halten, sagte Pius Kaufmann (Mitte/LU) dazu.

Die erste Runde der Beratung des Bundesbudgets im Nationalrat wird am (morgigen) Donnerstag abgeschlossen. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
25 Bilder zeigen unsere Classe politique beim Schaffen in Bern
1 / 27
25 Bilder zeigen unsere Classe politique beim Schaffen in Bern
Daniel Jositsch (SP/ZH).
quelle: keystone / lukas lehmann
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Debatte eskaliert: SP-Molina bezeichnet Armee als Trachtenverein
Video: ch media
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
256 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Bran_don
04.12.2024 10:10registriert März 2020
Wenn man die Länderliste durch geht, die die UNO als Entwicklungsland aufgeführt wird, stört mich einiges. Das Länder dort aufgeführt werden, die sehr hohe Militärausgaben führen und für sehr spezielle Programme fördern, usw. als mehr Gelder für die Bevölkerung budgetieren. Darum sollte diese Entwicklungshilfe mal richtig überarbeitet werden und deren Bewertung dazu.
13617
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alex747
04.12.2024 09:46registriert Oktober 2019
Der Schweizer Staat hat in 2023 für die Entwicklungshilfe 4,3 Milliarden ! CHF ausgegeben. Gleichzeitig jammert der Bund dass 13 AHV Rente 4,1 Milliarden kosten würde. Ich kann mich wirklich nicht erinnern dass der Bund JEMALS sich beklagt hat dass die Entwicklungshilfe zu viel kosten wird. Ich frage mich warum sind wollen unsere Bundesbeamten so verbissen Gelder ins Ausland zu schicken? Wie profitieren sie davon? Aus Altruismus machen sie das sicher nicht.
17478
Melden
Zum Kommentar
avatar
Roomba Hafen
04.12.2024 09:37registriert August 2024
Finde ich vernünftig. Wir können nicht von der Schweizer Bevölkerung verlangen, jedes Jahr noch höhere Krankenkassenprämien zu zahlen und gleichzeitig schmeisst die Schweiz für sinnlose Projekte im Ausland Geld zum Fenster hinaus.

Jetzt sind wir mal wieder an der Reihe!
14871
Melden
Zum Kommentar
256
    Warum SRF «Zivadiliring» rauswirft, während Moderatoren bei Privatanlässen absahnen können
    Das Schweizer Fernsehen verhält sich rigide in der Anwendung seiner Regeln gegenüber externen Mitarbeitern. Und freigebig gegenüber eigenen Angestellten.

    Misst das Schweizer Fernsehen mit zweierlei Mass? Diese Frage stellen sich Beobachter nach der Absetzung des Podcasts «Zivadiliring». Das Talkformat der drei Frauen Maja Zivadinovic, Gülsha Adilji und Yvonne Eisenring erreicht ein grosses Publikum.

    Zur Story