Alljährlich berät das Parlament in der Wintersession das Bundesbudget für das folgende Jahr. Lange war dies primär ein Thema für Zahlen-Nerds. Hitzige Debatten gab es durchaus. 2016 lehnte eine unheilige Allianz von SVP und SP im Nationalrat das Budget nach dem ersten Durchgang sogar ab. Am Ende fand man trotzdem immer den Rank.
Die «fetten Jahre» mit sprudelnden Überschüssen sind jedoch vorbei. So sieht es zumindest Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP). Angesichts drohender struktureller Defizite müsse die Schweiz sparen oder zumindest das Ausgabenwachstum drosseln. Das ist per se schwierig, denn Politiker geben lieber Geld aus. Sparen ist unpopulär.
Zuoberst auf der Prioritätenliste der Bürgerlichen steht die Armee. Als Konsequenz aus dem russischen Überfall auf die Ukraine vor bald drei Jahren soll das jahrelang auf «Sparflamme» gehaltene Militär massiv aufgerüstet werden. Im Mai 2022 entschied der Nationalrat, das Verteidigungsbudget bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufzustocken.
Es wäre ein enormer Zuwachs von rund 5,7 auf mehr als 8 Milliarden Franken pro Jahr. Über das «Wie» wird seither gestritten. Vor einem Jahr konnte ein mit der Schuldenbremse konformes Budget nur verabschiedet werden, indem das Ein-Prozent-Ziel bis 2035 erstreckt wurde. Daran hält Karin Keller-Sutter gemäss der «NZZ am Sonntag» eisern fest.
Die Bürgerlichen suchen dennoch nach Wegen, der Armee schneller zu mehr Geld zu verhelfen. In der Sommersession entschied der Ständerat, den Zahlungsrahmen für die Armee in den Jahren 2025 bis 2028 um 4 Milliarden auf 29,8 Milliarden Franken zu erhöhen. Mit anderen Worten: Das Militär soll jedes Jahr eine zusätzliche Milliarde erhalten.
Woher nehmen? An dieser Frage beissen sich die Finanzpolitiker im Parlament die Zähne aus. Naheliegend wäre eine Lockerung der Schuldenbremse, doch dies ist für Keller-Sutter und die bürgerliche Phalanx aus SVP, FDP und Mitte eine «rote Linie». Sie will die Mehrausgaben an anderer Stelle einsparen, vorzugsweise bei der Entwicklungshilfe.
Die Finanzkommission des Nationalrats will diesen Posten im Budget 2025 um 250 Millionen Franken kürzen, zum Entsetzen von Entwicklungsorganisationen, SP und Grünen. Auch die Grünliberalen wollen das Budget in diesem Fall ablehnen. Eine intensive Debatte ist programmiert, der Nationalrat hat dafür ab Dienstag vorsorglich drei Tage reserviert.
Die ständerätliche Kommission allerdings tritt auf die Bremse. Sie will bei der internationalen Zusammenarbeit «nur» 30 Millionen einsparen, dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass aus diesem Topf auch der Schweizer Beitrag für den Wiederaufbau der Ukraine finanziert werden soll. Die ärmsten Länder sollen darunter möglichst wenig leiden.
Einen Grundsatzentscheid in diesem Sinne hatte der Ständerat bereits im September gefällt und damit Bedenken namhafter bürgerlicher Persönlichkeiten aufgenommen, wonach es ein miserables Signal wäre, wenn die reiche Schweiz bei den Ärmsten sparen würde. Die Mehrausgaben für die Armee will die Finanzkommission vor allem im Asylbereich kompensieren.
Beide Kommissionen sind sich einig, dass die Armee 530 Millionen Franken mehr erhalten soll als vom Bundesrat vorgesehen. Das ist nur etwa die Hälfte jener Milliarde, die im aufgestockten Zahlungsrahmen fällig wäre. Die Nationalratskommission hält dennoch am Ein-Prozent-Ziel bis 2030 fest, während die Ständeräte es 2032 erreichen wollen.
Armeechef Thomas Süssli kann gemäss der «NZZ am Sonntag» mit diesem Kompromiss leben, und auch rechte Sicherheitspolitiker sind gegenüber einer «Turbo-Aufrüstung» skeptisch. «Eine Erhöhung des Armeebudgets auf 1 Prozent des BIP bis 2030 ist zwar wünschenswert, aber kaum realistisch», sagte der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli.
Das macht es wahrscheinlich, dass sich die Variante des Ständerats durchsetzen und der befürchtete «Absturz» des Budgets 2025 vermieden wird. Es wäre eine Peinlichkeit, denn in diesem Fall müsste das Finanzdepartement ein Notbudget erstellen und das Parlament in der nächsten Frühjahrssession nochmals darüber beraten.
National- und Ständerat werden sich dies kaum zumuten wollen. Das Grundproblem aber bleibt: Die Ideen für eine Finanzierung der Armee erinnern mehr an Zahlenakrobatik als an seriöses Budgetieren. Ohne Mehreinnahmen wird es nicht gehen. Im Ständerat denkt man an die Änderung des Verteilschlüssels bei der OECD-Mindeststeuer zugunsten des Bundes.
Die Kantone erhalten heute 75 und der Bund 25 Prozent der Einnahmen. Künftig sollen es 50:50 sein, doch die Kantone werden diese Idee, die ausgerechnet von «ihrer» Vertretung in Bern stammt, kaum hinnehmen. Ohnehin findet ein Teil der Bevölkerung laut einer Sotomo-Umfrage, man sollte bei der Armee besser sparen, statt ihr mehr Geld zu geben.
Populär ist diese Idee bei den Anhängern von SP, Grünen und GLP, doch sie ist kurzsichtig. Will die Schweiz sich quasi «gratis» von den NATO-Ländern verteidigen lassen, könnten ihr diese irgendwann eine Rechnung schicken. Schon im Kalten Krieg profitierte die Schweiz vom Schutz durch die NATO, aber damals besass sie noch eine breit aufgestellte Armee.
Bleibt die Frage der Schuldenbremse. Ihre Lockerung wird in der Sotomo-Umfrage von einer deutlichen Mehrheit abgelehnt. Doch was geschieht, wenn das Parlament ein «regelwidriges» Budget verabschiedet? Vorerst einmal gar nichts. Gemäss der Bundesverfassung sind «die Mehrausgaben in den Folgejahren zu kompensieren».
Von einem «klaren Sanktionsmechanismus», wie das Finanzdepartement auf seiner Website vollmundig behauptet, kann aber keine Rede sein. Es gibt keinen Automatismus bei der Kürzung der Bundesausgaben, wie ein erfahrener Nationalrat betont. Kein Wunder, sind Hardcore-Verfechter der Schuldenbremse der Ansicht, sie sei eigentlich zu wenig streng.
Es ist schwer vorstellbar, dass die bürgerliche Parlamentsmehrheit ein solches «Experiment» riskieren würde. Doch mit Sparen allein wird man den künftigen Finanzbedarf des Bundes nicht abdecken können, und das nicht nur wegen der Armeeausgaben.
Die Zeiten, in den Bundesräte irgendwohin geflogen sind und Geld verteilt haben, sind definitiv vorbei.
Auch die Entwicklungshilfe gehört unter die Lupe genommen, dort liegt einiges an Einsparpotential.
Auch in der Landwirtschaft gibt es Auswüchse, zb. ist mir schleierhaft, warum Werbung für Schweizerfleisch mit x Millionen unterstützt werden muss, ebenso wie Werbung für Schweizer Weine?
Da gibt es im Bundesbudget noch sehr viele solcher "Leichen", die man einfach jedes Jahr mitschleppt, weil man das "schon immer so gemacht hat"!