Im öffentlichen Verkehr sind immer mehr Menschen ohne gültiges Billett unterwegs. Das zeigen Zahlen, die CH Media bei verschiedenen Verkehrsbetrieben angefragt hat. Bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) etwa wurden im letzten Jahr 2.2 Millionen Fahrgäste kontrolliert. Dabei wurden fast 60'000 Taxzuschläge ausgestellt – was bedeutet, dass 2.7 Prozent der kontrollierten Fahrgäste ohne gültiges Billett unterwegs waren.
«Die VBZ stellen fest, dass diese Quote tendenziell steigt», schreibt der Zürcher Stadtrat in einer Antwort auf eine Anfrage aus dem Parlament. Die VBZ hätten 2022 insgesamt 16815 Strafanzeigen in diesem Zusammenhang eingereicht. Das geschieht automatisch, wenn ein Fahrgast zum dritten (und danach jedem weiteren Mal) ohne gültigen Fahrausweis innert zwei Jahren kontrolliert wird. Etwas tiefer lag die Quote 2022 nach Berücksichtigung vorgewiesener persönlicher Abos, nämlich bei 2,6 Prozent. Im Jahr 2017 war diese Kennziffer noch deutlich tiefer gelegen, nämlich bei 0.92 Prozent.
Die VBZ sind keine Ausnahme. Bei Bernmobil waren vergangenes Jahr 2,2 Prozent der Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis unterwegs. Im Jahr 2018 waren es noch 1,8 Prozent gewesen. «In den Jahren dazwischen ist eine leicht ansteigende Tendenz ersichtlich», sagt Sprecher Didier Buchmann. Bernmobil reagiert: «Anhand der Erkenntnisse unserer regelmässigen Auswertungen führen wir gezielt vermehrte Kontrollen auf jenen Linien durch, auf welchen erfahrungsgemäss am meisten Personen ohne gültigen Fahrausweis unterwegs sind.»
Noch höher ist die Quote der Reisenden ohne gültiges Billett bei Postauto. «Von 2017 bis 2019 oszillierte sie um die 3 Prozent», sagt Sprecher Ben Küchler. «Nach und seit Corona ist diese Quote auf 4 Prozent angestiegen.»
Definitive Aussagen zu den Gründen könne Postauto nicht machen. «Dennoch sehen wir unter anderem den folgenden möglichen Grund: Auf dem Höhepunkt der Coronapandemie 2020 haben wir die Kontrollen aus gesundheitlichen Gründen ausgesetzt. Seit Wiedereinführung der Kontrollen schwankt die Quote um die 4 Prozent. Dies lässt vermuten, dass die Aussetzung der Kontrollen während der Peak-Zeit einen nachhaltigen Effekt auf die Disziplin der Fahrgäste bei der Fahrausweisbeschaffung gehabt haben könnte.»
Mit anderen Worten: Weil Fahrgäste merkten, dass sie kaum je kontrolliert werden, verzichten sie auf den Billettkauf. Nun will Postauto gegensteuern. «Wir planen mehr und effizientere Kontrollen und werden auch die diesbezügliche Kommunikation verstärken», sagt Küchler.
Ähnlich sieht es bei den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) aus. Dort liegt die Quote aktuell bei rund 3 Prozent, vor fünf Jahren waren es 2 Prozent. Der Anstieg habe sich während der Coronakrise ergeben, als viele kein Abo mehr gekauft hätten und auf den Kauf von Einzelbilletten umgestiegen seien, begründet Sprecher Matthias Steiger. «Hier zeigte sich, dass ein Teil dieser Personen bei der Bezahlung nicht mehr so diszipliniert war».
Diesen Effekt spüren die BVB und andere Betriebe immer noch. «Unterdessen haben wir die Kontrolltätigkeit aber wieder hochgefahren», so Steiger. Man befinde sich in einer «Korrekturphase»: «Die Fahrgäste registrieren die regelmässigen Kontrollen vermehrt und passen sich an. Somit sollte die Quote von Reisenden ohne Fahrausweis langsam wieder sinken.» Diese Tendenz sei bereits Anfang 2023 zu spüren gewesen und sollte sich nun fortsetzen.
Doch nicht überall wird die steigende Quote auf weniger Disziplin zurückgeführt. Die VBZ etwa geben an, besser zu kontrollieren. «Wir suchen laufend nach neuen Möglichkeiten, um die Prävention und Feststellung von Reisen ohne gültigen Fahrausweis weiter zu optimieren», sagt Sprecher Leo Herrmann. «Das dürfte wesentlich zum Anstieg beigetragen haben.»
Gemäss Zahlen der Alliance Swisspass waren 2019 im gesamten ÖV etwa 3 Prozent der Passagiere mit keinem gültigen oder nur einem teilgültigen Fahrausweis unterwegs. Damit entgeht der Branche jährlich ein zweistelliger Millionenbetrag - «was am Ende allen ehrlichen Kundinnen und Kunden schadet». (aargauerzeitung.ch)