In der Nahost-Debatte in Nationalrat haben sich am Montag die Kritiker des UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA durchgesetzt. Die grosse Kammer will die Zahlungen der Schweiz an die UNO-Organisation sofort stoppen.
Mit 99 zu 88 Stimmen bei sieben Enthaltungen hiess der Nationalrat eine Motion des Ausserrhoder SVP-Nationalrats David Zuberbühler gut. Der Vorstoss geht damit an den Ständerat.
Hintergrund des Entscheids sind Vorwürfe, Mitarbeitende der UNRWA hätten Verbindungen zur Hamas und an Schulen der Organisation sei gegen Israel gehetzt worden. Zuberbühler will Zahlungen an die UNRWA daher auch für die Zukunft ausschliessen.
Gegen die Motion stimmten SP, Grüne und GLP. FDP und Mitte waren in der Sache gespalten.
Der Bundesrat hatte im Mai einen Beitrag von zehn Millionen Franken an die UNRWA für Nothilfe freigegeben. Er argumentierte im Nationalrat ohne Erfolg, ein sofortiger Zahlungsstopp hätte für die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen gravierende Folgen. Denn das UNO-Hilfswerk stelle einen Grossteil der Infrastruktur und Logistik für humanitäre Hilfe im Gazastreifen bereit.
«Ohne die Mitwirkung der UNRWA-Mitarbeiter kann kaum geholfen werden», sagte Aussenminister Ignazio Cassis im Rat. Er verwies darauf, dass der Bund auch die laufende Impfaktion gegen Polio im Gazastreifen unterstütze. Cassis betonte zudem, dass die Organisation auch in Syrien, Jordanien und in Libanon palästinensische Geflüchtete unterstütze.
Angenommen hat der Nationalrat am Montag auch eine zweite Motion zur UNRWA. Der Vorstoss der Aussenpolitischen Kommission verlangt, die Schweiz solle nicht die UNO-Organisation, sondern die Nothilfe durch andere Organisationen im Gazastreifen direkt unterstützen. Direkte Überweisungen an die UNRWA gäbe es damit künftig ebenfalls nicht mehr. Auch dieser Vorstoss geht an den Ständerat.
Fabian Molina (SP/ZH) wehrte sich ohne Erfolg gegen Einschränkungen bei den Zahlungen an das UNO-Hilfswerk: Der UNRWA die Mittel zu streichen, bedeute, das Leid zu vergrössern, ja Menschen in den sicheren Tod zu schicken.
«Ohne die UNRWA würde in Gaza rein gar nichts mehr gehen», sagte Molina. Alle Fachleute seien sich einig, dass keine andere Organisation in der Lage wäre, Nothilfe im grossen Stil zu leisten.
Gegen den Willen der Ratslinken nahm die grosse Kammer am Montag noch eine weitere Kommissionsmotion zum Nahostkonflikt an. Sie verlangt vom Bundesrat, sich auf internationaler Ebene für eine Nachfolgelösung für die UNRWA einzusetzen - etwa durch Integration in das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.
Die bürgerliche Kommissionsmehrheit war der Meinung, die heutigen Strukturen schüfen Raum für die Umleitung von Geldern in terroristische Kanäle. Zudem verhindere sie, dass für geflüchtete Palästinenser eine nachhaltige Lebensgrundlage geschaffen werde.
Nicolas Walder (Grüne/GE) wandte vergeblich ein, Israel versuche die UNRWA seit langem loszuwerden - und damit letztlich die Forderung nach einem Rückkehrrecht für die Palästinenser. Die Vorwürfe gegen das Palästinenserhilfswerk seien nicht belegt.
Der Bundesrat wehrte sich nicht gegen diese Motion. Er gab aber zu bedenken, über das Mandat für die UNRWA entscheide die UNO-Vollversammlung. Dass die UNRWA noch immer existiere, obwohl sie 1949 eigentlich als temporäre Hilfsorganisation gegründet worden sei, liege daran, dass es noch immer keine politische Lösung im Nahostkonflikt gebe. Das Geschäft geht ebenfalls an den Ständerat. (hkl/sda)