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«Eltern, chillts!»: Podcast-Star Maja Zivadinovic im Interview

«Zivadiliring» – das erfolgreichste weibliche Podcastteam der Schweiz, mit Yvonne Eisenring, Gülsha Adilij und Maja Zivadinovic.
«Zivadiliring» – das erfolgreichste weibliche Podcastteam der Schweiz, mit Yvonne Eisenring, Gülsha Adilij und Maja Zivadinovic (von links nach rechts).Bild: SRF/Mirjam Kluka

«Eltern, chillts!»: Podcast-Star Maja Zivadinovic im Interview

Das Podcasterinnen-Trio Zivadiliring füllte mit ihrer Live-Show das Hallenstadion. Im Interview erzählt Maja Zivadinovic, dass sie noch immer im «Dauer-Flash» ist, weshalb sie Frauen oft Komplimente macht - und sie gibt Erziehungstipps.
04.11.2025, 17:4504.11.2025, 17:56
Dominik Widmer / ch media

Frau Zivadinovic, wie geht es Ihnen?
Maja Zivadinovic: Ich bin heiser – abends habe ich kaum noch eine Stimme. Ein bisschen Halsschmerzen, etwas Husten. Aber abgesehen davon könnte es mir nicht besser gehen. Mir geht’s richtig gut – tausend von zehn!

Wie viel hat das mit Ihrem grossen Auftritt im Hallenstadion zu tun?
Alles. Ich habe das Gefühl, es gibt ein Leben vor dem Hallenstadion und eines danach. Ich bin im Dauer-Flash. Ich wache früh auf, voller Glück und Adrenalin – ich schlafe kaum, esse fast nichts, weil mein Körper einfach aufgedreht ist. Und ich wünsche mir, dass dieses Gefühl nie vergeht.

«Ich wache früh auf, voller Glück und Adrenalin – ich schlafe kaum, esse fast nichts.»
Maja Zivadinovic
Podcasterin und Journalistin
Maja Zivadinovic ist Podcasterin und Journalistin mit serbischen Wurzeln. Sie arbeitete unter anderem als Reiseleiterin in der Türkei und beim Fernsehsender Tele Züri. Seit 2021 moderiert sie mit Gülsha Adilji und Yvonne Eisenring den Talkpodcast «Zivadiliring», der diesen Oktober als Live-Show im Hallenstadion stattfand. Die 38-Jährige schreibt regelmässig über Familien- und Erziehungsthemen. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich. (chm)

Wir führen dieses Interview knapp eine Woche nach Ihrem grossen Auftritt. Sie haben als erste Schweizerinnen überhaupt das Hallenstadion gebucht – und gefüllt. Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Diese Energie. Wenn 10’000 Menschen zusammenkommen, die es gut meinen – miteinander und mit uns – entsteht etwas Magisches. Trotz der Grösse war es erstaunlich intim. Es fühlte sich an, wie ein Abend unter Freundinnen.

Was braucht es, um ein Hallenstadion zu füllen?
Ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht. Es war ursprünglich gar nicht unsere Idee. Wir haben einfach Ja gesagt, ohne genau zu wissen, worauf wir uns einlassen. Wir hatten keinen Plan und hätten nie gedacht, dass wir wirklich ausverkaufen. Als es nach zehn Tagen so weit war, waren wir völlig überrumpelt.

Und dann mussten Sie plötzlich eine zweistündige Show auf die Beine stellen …
Genau. Wir mussten alles selbst entscheiden – und zwar alles. Wenn Madonna oder Taylor Swift im Hallenstadion auftreten, haben sie Teams von fünfzig Leuten. Wir waren zu dritt – ohne jede Erfahrung mit solchen Dimensionen. Wir mussten bestimmen, was es im Foyer zu essen gibt, ob ein Teppich auf die Bühne soll, wie das Bühnenbild aussieht.

«Wenn Madonna oder Taylor Swift im Hallenstadion auftreten, haben sie Teams von fünfzig Leuten. Wir waren zu dritt.»
Maja Zivadinovic

Das klingt nach einem Crashkurs in Eventmanagement.
Total. Wir mussten sogar für Sanität, Sicherheit, Ärzte und Technik zahlen – alles. Wenn Sie die Halle buchen, ist sie leer, und jedes Detail kostet. Das summiert sich unglaublich. Selbst das Konfetti war teuer: Einmal knallen kostet knapp 1000 Franken.

Sie sagen, Sie haben Ihr Leben in zwei Teile geteilt – vor und nach dem Hallenstadion. Aber auch beruflich hatten Sie einige Wendungen. Sie waren Coiffeuse, Reiseleiterin, dann Journalistin. Wie kam es dazu?
Ich hatte als Teenager keine Ahnung, was ich machen wollte. Meine Eltern sagten: «Mach das KV, das ist eine solide Ausbildung.» Also wollte ich genau das nicht. Aus purer Verlegenheit begann ich eine Coiffeurlehre – und hasste sie ab dem dritten Tag. Ich war schlecht darin, aber meine Eltern fanden, ich solle es durchziehen.

Waren Ihre Eltern streng?
Nein, eher nicht. Meine ältere Schwester war strenger. Sie ist viereinhalb Jahre älter und übernahm früh eine Art Erziehungsrolle. Ich hörte oft mehr auf sie als auf meine Eltern.

Sie schreiben heute regelmässig über Familie und Erziehung. Wenn Sie an Ihre eigene Kindheit denken – was war prägend?
Meine Eltern waren jung, als sie uns bekamen. Sie arbeiteten sehr viel, aber sie waren jung mit uns – und dadurch irgendwie frei. Wir hatten keine Handys, waren viel draussen, durften ausprobieren. Es war eine unbeschwerte Zeit. Ich finde, heute wird Erziehung oft zu ernst genommen. Man will alles richtig machen, aber manchmal vergisst man dabei, einfach Spass zu haben.

Ihre Eltern kamen in den 1970er-Jahren aus Serbien in die Schweiz. Eigentlich wollten sie ja zurückgehen.
Ja, das war der Plan. Sie wollten hier Geld verdienen, ein Haus in Serbien bauen und dann zurück. Sie arbeiteten tagsüber in normalen Jobs und gingen abends noch putzen. Jeder Franken floss in dieses Haus. Am Ende haben sie es sogar verkauft. Meine Mutter entschied irgendwann, dass sie bleiben will. Sie sagte: «Hier ist es sicherer, die Schulen sind besser.» Mein Vater war erst enttäuscht – er sah sich schon als Bonze in Serbien (lacht). Aber schliesslich blieb er, weil er ohne uns nicht gehen wollte.

Sie sind in einem multikulturellen Umfeld aufgewachsen. Was hat Sie daran geprägt?
Ich bin in einem Arbeiterviertel gross geworden, die Schweizer waren in der Minderheit. Es gab viele Kinder aus der Türkei, Albanien, Italien, Spanien, Tibet. Wir waren einfach alle zusammen. Das hat mich sehr geprägt – diese Offenheit, dieses Selbstverständnis, dass Verschiedenheit normal ist. Viele aus dieser Zeit sind noch heute in meinem Leben.

«Ich nehme mir vor, die Kopfhörer herauszunehmen, wenn mich jemand anlächelt.»
Maja Zivadinovic

Das scheint uns heute als Gesellschaft weniger zu gelingen. Warum?
Wir sind zu verkopft geworden. Jeder ist in seiner eigenen Welt, alle mit Kopfhörern in den Ohren. Spontane Gespräche entstehen kaum noch. Ich nehme mir fest vor, öfter die Kopfhörer herauszunehmen, wenn mich jemand anlächelt.

Sie haben einmal gesagt, Sie sprechen oft Frauen an, die Sie schön finden.
Ja, das mache ich wirklich. Ich finde, wir sollten uns mehr Komplimente machen. Ich sage Frauen oft, dass ich sie schön finde – ohne Hintergedanken. Einmal musste ich das sogar betonen, weil jemand irritiert war (lacht). Aber es tut allen gut. Wir sind da in der Schweiz sehr zurückhaltend.

Sie gelten als sehr aufgeschlossen. Gibt es Grenzen bei dieser Offenheit?
Ja. Ich würde meinen Sohn nie zeigen und auch meinen Freund halte ich aus der Öffentlichkeit heraus. Ich selber bin ich zu 99 Prozent gerne sichtbar. Ich habe viele schöne Begegnungen dadurch – nur selten Momente, in denen es unangenehm wird.

Zum Beispiel?
Einmal hatte ich mit meinem Freund und meinem Sohn in der ÖV einen Streit. Mein Sohn lag schreiend am Boden – und just in diesem Moment kam jemand auf mich zu, strahlte und machte mir ein Kompliment. Ich war überhaupt nicht in Stimmung. Aber im Nachhinein ist es eine lustige Geschichte.

Wenn Sie heute an Erziehung denken – was haben Sie von Ihren Eltern übernommen?
Ganz klar die Freiheit. Ich war ein freies Kind, und das will ich meinem Sohn auch ermöglichen. Er darf vieles selbst entscheiden. Ich nehme ihn ernst, das ist mir wichtig.

In einer Ihrer Kolumnen beschreiben Sie, wie Ihr Sohn einmal ein Handy bekam, weil er krank war – und dann drei Monate nicht mehr ohne in den Buggy stieg.
(lacht) Ja, das war legendär. Ich schob den Wagen durch das Quartier, und er klebte mit dem Gesicht am Handy. Mir war das peinlich – nicht, weil ich mein Kind «abfucke», wie man so sagt, sondern weil ich dachte, die anderen würden urteilen. Irgendwann habe ich gemerkt, wie blöd das ist. Es ging vorbei. Kinder sind immer in Phasen. Und jede Phase hört irgendwann auf.

Gülsha Adilji, Yvonne Eisenring und Maja Zivadinovic.
Gülsha Adilji, Yvonne Eisenring und Maja Zivadinovic (von links nach rechts).Bild: Gian Vaitl Zuerich Switzerland

Ist das Ihr Rat an Eltern?
Ja, chill. Es geht alles vorbei. Wenn man das verinnerlicht, wird vieles einfacher.

Gibt es bei Ihnen Bildschirmregeln?
Wir haben einen grossen Fernseher, und der bleibt. iPad und Handy liegen herum, aber weil sie nicht verboten sind, sind sie auch nicht so spannend. Sonntags ist bei uns Filmabend.

Sie haben serbische Wurzeln und tragen einen Namen, den man in der Schweiz sofort als «nicht typisch schweizerisch» erkennt. Haben Sie erlebt, dass das ein Hindernis sein kann?
Ja, früher schon. Ich habe zum Beispiel während der Lehrstellensuche erlebt, dass man mit Zivadinovic weniger weit kommt als mit «Müller» oder «Meier». Ich habe tatsächlich einmal in einem Coiffeursalon angerufen und mich als Majan Zivadinovic vorgestellt – die Stelle war «leider schon besetzt». Fünfzehn Minuten später rief ich noch einmal an, diesmal als Seraina Müller. Plötzlich war sie wieder frei.

Das haben Sie wirklich gemacht?
Ja, zweimal sogar. Ohne die Stimme zu verstellen. (lacht) Und ich habe auch erlebt, dass man mich auf dem Kreisbüro misstrauisch ansah, nur weil ich oft gezügelt war. Eine Beamtin meinte einmal auf Hochdeutsch, Menschen, die häufig umziehen, hätten «meist etwas zu verbergen». Ich fand das völlig absurd – ich liebe einfach das Einrichten neuer Wohnungen!

Haben Sie das Gefühl, dass sich solche Dinge verändert haben?
Ja, sehr. Ich selbst erlebe das heute nicht mehr – und mein Vater, der früher wegen seines Namens oder seiner Sprache benachteiligt wurde, auch kaum. Ich hoffe, das bleibt so. Früher hat man mit Namen wie Zivadinovic einfach schlechtere Chancen gehabt, bei Bewerbungen oder Wohnungssuchen. Das ist heute zum Glück anders. (aargauerzeitung.ch)

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