Die Prämien für die Krankenkassen steigen auf nächstes Jahr stark an. Deshalb wechseln viele zu einem günstigeren Anbieter. Noch bis Ende November bleibt Zeit dafür. Viele kündigen ihre bestehende Versicherung mit eingeschriebenem Brief, um sicher zu sein, dass sie ankommt. Das macht sich die Post zunutze, die seit letztem Jahr mit den Krankenkassen Sympany und Assura zusammenarbeitet.
CH Media weiss von einem Vorfall in einer Postfiliale in Zürich, bei dem die Mitarbeiterin am Schalter erkannte, dass der Kunde einen eingeschriebenen Brief an seine Krankenkasse aufgab. Sie fragte ihn, ob er bereits eine neue Versicherung habe. Die Post empfehle eine solche von Assura, mit der sie zusammenarbeite.
Ein gleicher Vorfall ereignete sich in einer Postfiliale in der Region Bern. Dort wollte der Schaltermitarbeiter einer Kundin eine Versicherung verkaufen – und erklärte dies damit, dass die Post neue Einnahmequellen brauche, weil die Menge der verschickten Briefe zurückgehe.
Von einem solchen Vorgehen war ursprünglich keine Rede. Als die Post im August 2022 ihre Zusammenarbeit mit der Assura bekannt gab, schrieb sie davon, dass die Versicherung in einigen Filialen eigene Beratungsstellen in Betrieb nehmen werde. Beraterinnen und Berater der Krankenkasse würden dort zur Verfügung stehen. Zudem würden Postmitarbeitende in 104 Filialen «interessierten Kundinnen und Kunden» einen Termin mit Assura vermitteln. Mit den selben Worten war im Juli 2022 schon die Zusammenarbeit mit Sympany angekündigt worden.
Keine Rede war allerdings davon, dass das Postpersonal selbst jene Kundinnen und Kunden anspricht, die kein Interesse an einer Krankenversicherung zeigen, sondern lediglich einen Brief an ihre Krankenkasse abschicken wollen.
Die Post bestätigt aber: Das Vorgehen hat System. Mitarbeitende würde Kundinnen und Kunden auf das Beratungsangebot von Assura ansprechen, sagt Sprecherin Jacqueline Bühlmann. Das sei der Fall, wenn sich die Kundschaft in einem «spezifischen Lebensereignis» wie «Umzug», «Heirat und Familie» oder «längere Auslandsreisen» befinde oder Interesse am Angebot zeige.
Nur: In beiden Fällen fand keine Konversation mit den Kundinnen und Kunden statt, aus der hervorgegangen wäre, dass sie sich in einem solchen Lebensereignis befinden – was sie nicht tun. Zudem bekundeten beide kein Interesse an einer neuen Krankenversicherung. Die Mitarbeiterin leitete dies in der Zürcher Filiale alleine daraus ab, dass ein eingeschriebener Brief an eine Krankenkasse aufgegeben wurde.
Dass es nicht dem Wunsch aller Postkunden entspricht, auf die Adressaten ihrer Briefe angesprochen zu werden, nimmt die Post offenbar in Kauf. Ein Problem mit dem Postgeheimnis sieht sie nicht. Die Ansprache der Kundschaft auf das Krankenkassen-Angebot verletze dieses nicht, da damit keine Informationen über den Postverkehr offengelegt würden, sagt Bühlmann.
Die Post würde keine Verträge abschliessen, sondern Kunden nur weitervermitteln. Die Zusammenarbeit mit Assura laufe gut und sei im September auf 220 Filialen ausgebaut worden. Gestartet wurde vor einem Jahr mit 140 Filialen. Seit September ist mit der Groupe Mutuel eine weitere Krankenkasse in die Filialen der Post eingezogen. Mit solchen Partnerschaften wolle die Post die Filialen zu regionalen Dienstleistungszentren entwickeln, sagt Bühlmann. Sie sei mit weiteren potenziellen Partnern aus den Branchen Banken, Versicherungen, Krankenversicherungen, Gesundheit und Behörden im Kontakt.
Einfluss auf den Lohn des Schalterpersonals hat das Vermitteln von interessierten Kundinnen und Kunden nicht. Mitarbeitende hätten zwar Jahresziele, die sich aber etwa durch die Partnerschaft mit den Krankenkassen nicht änderten, sagt Bühlmann.
Die Ziele gälten auf der Stufe Gebiet respektive Team und würden nicht auf einzelne Mitarbeitende heruntergebrochen. Auch gebe es keine Boni, Provisionen oder Spezialvergütungen. Das Anwerben von Kundinnen und Kunden für externe Firmen dürften aber viele Mitarbeitende nicht als Bereicherung, sondern eher als Belastung empfinden, werden sie doch von Dienstleistern zu Verkäufern.
Partnerschaften sollen helfen, das defizitäre Filialnetz der Post rentabler zu machen. Generell dagegen ist nicht einmal die Stiftung für Konsumentenschutz. Sie lehnt aber die aktive Ansprache der Kundschaft mit Dienstleistungen jenseits der Post ab. Sie spricht von «Belästigung» und schlägt stattdessen vor, dass die Post dem Bund keine Dividende mehr auszahlen soll, sondern das Geld in den Service Public investieren soll – «zum Beispiel in Filialen ohne Konsumentenbelästigung». (aargauerzeitung.ch)
Und ein Jahr später erkennt man, dass die „sehr gut funktionierende Zusammenarbeit“ halt doch nicht sooooooo gut funktioniert, entlässt 300 oder 3987 Mitarbeiter und überlegt sich dann am nächsten Montag zwischen Cafe- und Mittagspause, ob man vielleicht nicht doch einen Schalter-Vertrieb für seltene Lego-Sets einrichten sollte.