Schweiz
Post

Die Post: Konflikt erreicht in Zürich neue Stufe

50-Stunden-Woche, «autoritärer Kurs», Tieflöhne – Protest gegen Post spitzt sich zu

Die Post streitet mit Teilen ihrer Belegschaft über die Arbeitsbedingungen in der Paketzustellung. In Zürich erreicht der Konflikt eine neue Stufe.
27.03.2025, 05:3027.03.2025, 08:10
Stefan Ehrbar / ch media
Mehr «Schweiz»

Tieflöhne, regelmässig zu lange Arbeitszeiten und ein «autoritärer Kurs» der Chefs: Die Post sieht sich mit happigen Vorwürfen aus ihrem Paketzentrum Zürich-Oerlikon konfrontiert. In den vergangenen Tagen ist der Konflikt eskaliert. In zahlreiche Haushalte der Stadt Zürich wurden Flyer mit Solidaritätsaufklebern für die eigenen Briefkästen verteilt.

Im Mittelpunkt eines Arbeitskampfs: das Paketzentrum Zürich-Oerlikon.
Im Mittelpunkt eines Arbeitskampfs: das Paketzentrum Zürich-Oerlikon.Bild: keystone

«50-Stunden-Wochen sind zur Norm geworden», heisst es auf den Flyern. Deshalb hätten die Angestellten des Post-Paketzentrums in Zürich-Oerlikon im Dezember 2024 Verbesserungen von der Leitung gefordert und seien in einen Arbeitskampf getreten. «Sie fordern eine Reorganisation, die das Paket-Zustellen überhaupt wieder human und möglich macht.»

Der Streit wird mit Flyern und Protestaufklebern ausgetragen.
Der Streit wird mit Flyern und Protestaufklebern ausgetragen.bild: ehs

Der QR-Code auf den Flyern verweist auf eine Internetseite der marxistischen Protestbewegung «Revolutionärer Aufbau Zürich» (RAZ). Sie macht der Post in einem Artikel etwa folgende Vorwürfe:

  • Trotz der im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden würden in der Paketzustellung in Zürich-Oerlikon Höchstarbeitszeiten von 50 Stunden regelmässig überschritten.
  • Seit einer Reorganisation per 1. Januar 2024 würden Einstiegslöhne gelten, die tiefer sein könnten als bei vielen Subunternehmern. Viele Angestellte seien deshalb abgesprungen.
  • Im Jahr 2023 habe die Standortleitung Touren der Briefzustellteams gestrichen. Diese Teams hätten dadurch keine Kapazität mehr für Mehrmengen. Zudem habe sie entschieden, dass Sendungen der chinesischen Onlineriesen Temu, Shein und Alibaba Sache der Paketzustellung seien, auch wenn sie vom Format her für die Briefzustellung vorgesehen wären. Diese Pakete müssten nun jeden Morgen mühsam sortiert und später verteilt werden. Bei den Arbeitsbedingungen sei deshalb eine zumutbare Grenze überschritten worden.
  • Auf einen kritischen Artikel von «20 Minuten» habe die Standortleitung reagiert, indem sie den Botinnen und Boten «Unwillen zum produktiven Arbeiten» unterstelle. Sie habe im Januar einzelne Tage ausgewertet, «die in ihren Augen nicht der vorgestellten Produktivität entsprachen».
  • Die Teamchefs seien daraufhin aufgefordert worden, den Druck auf die Angestellten zu erhöhen. Ein «Eskalationsplan» sehe vor, diese zuerst mündlich, dann schriftlich zu ermahnen und im äussersten Fall zu kündigen. Die Teamleiterinnen und -leiter hätten sich schriftlich verpflichten müssen, diesen Kurs mitzutragen.

Mit Petitionen habe ein grosser Teil der Mitarbeitenden in der Paketzustellung in Zürich-Oerlikon Verbesserungen gefordert. CH Media liegt ein Beleg einer Petition von Ende 2024 vor, die von Dutzenden Mitarbeitenden unterschrieben wurde. Auch die Gewerkschaft Syndicom ist involviert. Ende Januar kam es zu einer ersten Verhandlung zwischen einer Delegation des Betriebs, Syndicom sowie den Post-Verantwortlichen.

Bei Syndicom distanziert man sich von der Protestaktion, die nicht mit ihr abgesprochen sei, räumt aber reale Probleme ein. Sprecher Matthias Loosli sagt, im Paketzentrum Oerlikon gehe es um Fragen der Arbeitszeiten und der Einsatzplanung der Angestellten. Diese würden derzeit im Detail geprüft. Da es sich um ein laufendes Verfahren zwischen Sozialpartnern handle, könne Syndicom keine weiteren Angaben machen.

Die Post will die Vorwürfe nicht kommentieren. Die Aussagen stammten von einem anonymen Kollektiv. «Wir können diese so inhaltlich nicht nachvollziehen», sagt Sprecherin Jacqueline Bühlmann. Auf einen detaillierten Fragekatalog zu den einzelnen Vorwürfen geht sie nicht ein.

Post untersucht Arbeitstage

Dass es Probleme gibt, bestätigt auch die Post-Sprecherin. «Seit Dezember gibt es in Oerlikon Herausforderungen bezüglich der Länge der Arbeitstage, die wir untersuchen», sagt sie. Zudem befinde sich die Post aktuell in einer «vertieften schweizweiten Analyse der Gesamtsituation, was die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden namentlich in der Zustellung anbelangt.»

Die Gesundheit des Personals habe für die Post eine sehr hohe Priorität, ebenso wie attraktive Arbeitsbedingungen. Das sei auch im GAV geregelt, an den sich die Post halte. Der durchschnittliche Arbeitstag dauere 8,24 Stunden. Darauf basiere auch die Planung, so Bühlmann. «Aufgrund von Schwankungen der Paketmengen kommt es zu Abweichungen vom Durchschnitt, was in der Logistikbranche üblich ist. Überstunden werden selbstverständlich angerechnet und können kompensiert werden.»

Die schwankenden Mengen seien auch für die Tourenplanung schwierig, insbesondere zu Zeiten mit vielen Paketen wie vor Weihnachten. Die Post passe deshalb die Tourenplanung täglich an und evaluiere diese regelmässig.

An immer mehr Briefkästen tauchen Protestflyer gegen die Post auf.
An immer mehr Briefkästen tauchen Protestflyer gegen die Post auf.bild: ehs

Der Streit im Paketzentrum Zürich-Oerlikon dürfte die Post allerdings noch länger beschäftigen. An immer mehr Briefkästen in Zürich tauchen die Solidaritätskleber auf. Zudem habe die Betriebsversammlung des Paketzentrums im Februar entschieden, einer Vereinbarung mit der Post nicht zuzustimmen, heisst es im RAZ-Artikel. Die Hauptforderungen seien nicht erfüllt worden: «In vielen Köpfen setzt sich immer mehr die Erkenntnis fest, dass es nichts bringt, mit dem Management zu reden.» (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Momente, in denen der Pöstler einfach zu weit gegangen ist
1 / 20
Momente, in denen der Pöstler einfach zu weit gegangen ist
bild: via slyced
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Mit 60 Jahren macht man das nicht mehr» – unterwegs mit dem Paketboten
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
86 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
fax
27.03.2025 06:48registriert Juni 2014
Prekäre Löhne für zu lange Tage: MERCI POST!! MERCI GRATISPÄCKLI!! MERCI SOFORTZUSTELLUNG!! MERCI AUSLAGERUNG AN UNREGULIERTE SUBUNTERNEHMUNGEN!! Transport muss mehr kosten!!
10518
Melden
Zum Kommentar
avatar
RightIsWrong
27.03.2025 07:02registriert November 2023
Es lebe die rechte (Wirtschafts-)politik:
Der Markt regelt es, nur kein Staat, keine Regeln (ausser die, welchen Bonzen helfen)
Konkurrenz ist das Beste.
Jeder gegen jeden...

Der Auftrag jedes Chefs/Unternehmers ist die Profitmaximierung, dazu gehört auch die Ausbeutung der Arbeitenden.

Logistiker sind austauschbar, darum ist es da besonders schlimm.
9115
Melden
Zum Kommentar
avatar
TRN
27.03.2025 06:37registriert Dezember 2021
Im Paketdienst steht die Post in Konkurrenz zu privaten Anbietern. Bei diesen privaten Anbietern wurden die Arbeitsbedingungen schon in diversen Formaten (z.B. Kassensturz, Rundschau) immer wieder kritisiert. Die sind dort auch lausig, obwohl die Privatanbieter bei der Kundenauswahl Rosinenpicken können, während die Post alle bedienen muss. Wenn die Post kostendeckend arbeiten will, so dürfte es schwierig sein, substantiell bessere Arbeitsbedingungen zu bieten, ausser die Paketzustellung wird quersubventioniert.
5710
Melden
Zum Kommentar
86
Büsi-Entführung in Stein am Rhein: Jetzt meldet sich die Täterin
In den vergangenen Wochen hat ein Verbrechen, das selbst den hartgesottensten Kriminellen die Haare zu Berge stehen lässt, das beschauliche Stein am Rhein erschüttert. Die Rede ist natürlich von einer Entführung – nein, DER Entführung – die Rhy-Brocki wurde um ihren geliebten Kater Balu gebracht.
Zur Story