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Postdiebstahl in Zürich: 40'000 Franken verschwinden aus Briefen

Ten, twenty and fifty Swiss franc bills in an envelope, photographed on May 25, 2018. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Zehner, zwanziger und fuenfziger Schweizer Franken Banknoten in einem Couvert, aufgenomme ...
Innerhalb weniger Wochen wurden im Bezirk Meilen etwa 40'000 Franken Bargeld aus eingeschriebenen Briefen entwendet.Bild: KEYSTONE

Der Pöstler mit dem Luxusleben: Zürcher Polizei überführt Dieb mit raffinierter Falle

Im Bezirk Meilen verschwindet Geld aus Briefen – und ein Pöstler lebt plötzlich einen verschwenderischen Lebensstil. Zwei geschickt platzierte Fallen der Polizei entlarven den Verdächtigen. Ein Krimi in fünf Akten.
07.02.2025, 11:3907.02.2025, 16:18
Thomas Wey
Thomas Wey
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1. Akt: Leere Couverts

März 2021. Eine Frau aus dem Bezirk Meilen holt zwei eingeschriebene Briefe bei der Post ab. Sie erwartet darin die stolze Summe von insgesamt 30'000 Franken. Doch als sie die Couverts öffnet, sind diese leer – das Geld ist verschwunden.

Die Frau zeigt den Diebstahl an. Die Polizei kombiniert: Ein Pöstler könnte der Täter sein. Interne Ermittler der Post werden eingeschaltet. Diese durchleuchten die Arbeitsabläufe und Dienstpläne der Poststelle, um den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen.

A retail trade apprentice of the Swiss Post counts money at the post office Basel 3 Spalen, Switzerland, on January 18, 2016. (KEYSTONE/Christian Beutler)
Die Spur führt in die Postfiliale.Bild: KEYSTONE

Innert weniger Wochen kommt es zu weiteren Diebstählen, wie die Zürichsee-Zeitung berichtet. 11'210 Franken verschwinden aus einem anderen Brief, gefolgt von weiteren 4200 Franken. Ein Muster wird erkennbar.

2. Akt: Silbernitrat

Um den mutmasslichen Täter zu entlarven, entwickeln die Ermittler eine ausgeklügelte Methode: Sie präparieren einen Brief mit 3000 Franken und Silbernitrat – einer chemischen Substanz, die bei Kontakt auf der Haut dunkle Flecken hinterlässt.

Silver nitrate in glass, chemical in the laboratory and industry, Chemicals used in the analysis
Silbernitrat – bei Kontakt hinterlässt die Chemikalie nicht-abwaschbare Flecken auf der Haut.Bild: iStockphoto

Die Falle wird platziert. Doch der Verdächtige ist vorsichtig. Er öffnet den Brief nicht. Er sortiert ihn aus – und legt ihn unter eine Kiste.

Eine Vertrauensperson beobachtet das Ganze. Später beschreibt sie das Vorgehen gegenüber der Polizei als «so was von komisch».

3. Akt: Schwarze Finger

Zwei Wochen später wagt die Polizei einen weiteren Versuch mit einem präparierten Brief. Diesmal öffnet der Verdächtige das Couvert, lässt das Bargeld aber drin. Offenbar erkennt er die lukrative Sendung als Falle. Doch es ist zu spät.

Schalterschluss. Die Polizei und Kriminaltechniker überprüfen die drei Mitarbeitenden der Filiale. Zwei von ihnen weisen keine Auffälligkeiten auf. Doch der stellvertretende Filialleiter hat dunkle Verfärbungen an Daumen und Zeigefinger.

Die Falle der Polizei schnappt zu – die Chemikalie hat den mutmasslichen Täter überführt.
Die Falle der Polizei schnappt zu – die Chemikalie hat den mutmasslichen Täter überführt.Bild: Tetra images RF

Chemische Tests bestätigen den Verdacht: Der 29-Jährige hat die Falle ausgelöst. Der Verdächtige wird verhaftet, vom Dienst suspendiert und später entlassen.

4. Akt: Uhren, Jacht, Sportwagen

Der stellvertretende Filialleiter – ein 29-jähriger Mann aus dem Bezirk Horgen – wird befragt. Er gibt zu, den Brief aus «Neugier» geöffnet zu haben. Die insgesamt 43'400 Franken habe er aber nicht gestohlen, stellt er klar.

Warum hat er denn das Couvert geöffnet? Es habe ihn «einfach Wunder genommen», was darin sei, sagt der Pöstler. Ausserdem sei das Couvert «schon halb offen» gewesen. Er habe es wieder verschlossen, ohne etwas zu stehlen.

Wie es sich für die CSI Zürich Strafverfolgung gehört, wird der Lebensstil des Verdächtigen im Rahmen der Ermittlungen genauestens durchleuchtet – und dieser spricht eine deutliche Sprache. Kurz nachdem das Geld aus dem dritten Brief verschwunden war, gönnte sich der stellvertretende Filialleiter ein Luxusleben: Er flog mit seiner Freundin nach Dubai. Innerhalb von fünf Tagen gab das Paar dort rund 7600 Franken aus. Es mietete für 1000 Franken einen Lamborghini, eine Jacht für 1500 Franken und unternahm einen Helikopterflug für rund 600 Franken. Trotz bescheidenem monatlichen Nettolohn von 4200 Franken.

Dubai Marina Urban Skyline
So lässt es sich leben: ein Blick auf die imposante Skyline von Dubai vom Deck eines Boots.Bild: E+

Die Erklärung des 29-Jährigen: Die Uhr habe er mit Gewinnen aus dem Onlinecasino und Geburtstagsgeld gekauft. Die Reise nach Dubai habe seine Freundin bezahlt. Belege für diese Behauptungen gibt es keine.

5. Akt: Das Urteil

Das Bundesstrafgericht in Bellinzona entscheidet: Die Aussagen des Verdächtigen sind nicht glaubwürdig. «Schutzbehauptungen» nennt das Gericht die Erklärungen des Pöstlers. «Gemäss den allgemein bekannten Wahrscheinlichkeitsstatistiken sind bei Casinospielen die Verlustchancen erheblich grösser als die Gewinnchancen», heisst es im Urteil.

Gericht Richter judge Symbolbild symbol
Das Bundesstrafgericht in Bellinzona glaubte dem Beschuldigten nicht.Bild: Shutterstock

Der Richter stellt beim Beschuldigten «eine von Geldgier angetriebene, nicht unerhebliche kriminelle Energie» fest. Mit seiner Masche hat der 29-Jährige sein Einkommen um 41'000 Franken aufgebessert – um fast 75 Prozent seines Jahreslohns.

Das Gericht verurteilt ihn wegen gewerbsmässigen Diebstahls und Verletzung des Postgeheimnisses zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten sowie einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 200 Franken. Darüber hinaus muss er die 41'000 Franken zurückzahlen. Vom Vorwurf des Diebstahls der letzten 4200 Franken wird er freigesprochen.

Der Krimi ist damit gelöst – fast. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der beschuldigte Pöstler hat Berufung angemeldet.

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135 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mrmikech
07.02.2025 12:07registriert Juni 2016
Das Einzige, was mich wundert: Wer sendet solche Beträge per einfache Post? Wieso keine Banküberweisung oder ein Spezialkurier mit Versicherung der Ware?
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Relativist
07.02.2025 12:04registriert März 2018
Wir die CHF 30'000 Bartransaktion der Dame auch überprüft? Diesen (legalen) Use Case muss man mir noch erklären...
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mMn
07.02.2025 12:17registriert September 2020
Mein Grossvater liess sich noch bis in die späten Neunziger die Rente bar nach hause schicken. Wusste nicht dass Leute immernoch solche Barbeträge per Post versenden. Unverständlich in der heutigen Zeit.
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