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Nach Missbrauchs-Skandal: Der Abt von St. Maurice tritt zurück

Nach Missbrauchs-Skandal: Der Abt von St. Maurice tritt zurück

28.06.2025, 14:3928.06.2025, 15:22
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Mgr Jean Scarcella, pere abbe de la congregation des chanoines de Saint-Maurice, pose a l'interieur de la Basilique de l'abbaye de Saint-Maurice le mercredi 23 avril 2025 a St-Maurice. (KEYS ...
Abt Scarcella tritt zurück – und bittet um Vergebung.Bild: keystone

Der Abt des ältesten Klosters der Schweiz, Jean Scarcella, tritt zurück. Dies teilte die Abtei St. Maurice im Wallis am Samstag mit. Der Papst habe der Rücktritt bereits angenommen. Ein Bericht hatte kürzlich auf einen «mangelhaften» Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Institution hingewiesen.

In der Mitteilung bat Scarcella die Opfer und die Gläubigen erneut um Vergebung. Er hoffe, dass die Entscheidungen dazu beitragen werden, alle Formen des Missbrauchs zu beseitigen. Papst Leo XIV. habe den Verzicht angenommen, schrieb die Abtei weiter. Auch der Vatikan teilte mit, der Rücktritt sei vom Papst angenommen worden. Die Leitung des ältesten christlichen Klosters des Abendlandes werde von Prior Simon Previte als Kapitelsvikar übernommen.

Im November 2023 hatte Papst Franziskus die Abtei unter Sonderverwaltung gestellt, nachdem gegen neun Kanoniker Missbrauchsvorwürfe erhoben worden waren.

Selber unter Verdacht

Scarcella gab damals nach Angaben der katholischen Presse in der Schweiz berichtete bekannt, dass gegen ihn im Rahmen der laufenden Ermittlungen Roms wegen angeblichen Missbrauchs ermittelt werde. Er war selbst beschuldigt worden, weil er in der Vergangenheit eine unangemessene Geste gemacht haben soll.

Der Abt legte im Herbst 2023 sein Amt vorübergehend nieder, um die Unabhängigkeit der kirchenrechtlichen Ermittlungen im Missbrauchsskandal zu gewährleisten. Erst vor dreieinhalb Monaten nahm er seine Funktion wieder auf.

Die Walliser Staatsanwaltschaft legte ein Dossier mit Missbrauchsfällen im Umfeld der katholischen Kirche im Oktober 2024 zu den Akten und stellte das Verfahren ein. Sie kam nach einem Vorverfahren zum Schluss, dass alle angezeigten Taten verjährt sind oder nicht rechtzeitig eine Strafanzeige erstattet wurde.

Der Bericht des Bischofskonvents, der im Oktober 2024 veröffentlicht wurde, sprach von «Fehlern», aber nicht von «Vergehen». In Bezug auf Scarcella kam der Bericht zum Schluss, dass «es in diesem Fall keine Beweise für Missbrauch oder Belästigung im engeren Sinne des Wortes gibt». Papst Franziskus hatte die Untersuchung im November 2023 nach Missbrauchsvorwürfen gegen neun Kanoniker (teils tot, teils noch im Amt) in Auftrag gegeben.

Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) hatte die Rückkehr Scarcellas in das Amt bedauert und sah darin eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der gegen Missbrauch ergriffenen Massnahmen.

Die Schweizerische Bischofskonferenz begrüsste am Samstag den Rücktritt. Scaracella habe den Bericht abgewartet und sich zum Rücktritt entschlossen, damit sein Nachfolger die geforderten Reformen angehen könne. Die Konferenz dankte dem Zurückgetretenen für die zehnjährige Mitarbeit im Gremium.

Bericht deckte Missstände auf

Es brauchte Enthüllungen in den Medien im Jahr 2023, unter anderem in der Sendung «Mise au point» des Westschweizer Fernsehens RTS, damit die Abtei den Neuenburger Generalstaatsanwalt Pierre Aubert beauftragte, an der Seite von Forscherinnen der Universität Freiburg eine Untersuchung durchzuführen.

Im Auftrag der Abtei durchforstete die Gruppe Archivmaterial und sprach mit 57 Zeugen und 24 Geistlichen. Sie listete eine «nicht unerhebliche Anzahl» von sexuellen Verfehlungen auf, die zwischen 1950 und 2022 begangen wurden.

Am 20. Juni wurde dann der Bericht der unabhängigen Arbeitsgruppe veröffentlicht. Sie kam zum Schluss, dass die Abtei Saint-Maurice im Umgang mit den zahlreichen Missbrauchsfällen der letzten Jahrzehnte versagt hat.

Die Abtei wolle Lehren aus dem Bericht ziehen, hiess es. Sie kündigte eine Reihe von Massnahmen an, die insbesondere den Empfang von Opfern, die Neugestaltung der Führung, die Prävention oder auch die Erinnerungsarbeit betreffen. (sda/adn)

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quelle: keystone / giuseppe lami
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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bernhard K.
28.06.2025 15:47registriert September 2016
Er bittet um Vergebung, hat aber nichts begriffen und schon gar nichts getan zur Bekämpfung und Verhinderung von Missbrauch in seiner Kirche. Ich frage mich, wie solche Menschen mit ihrer Schuld leben können.
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eih
28.06.2025 15:57registriert Oktober 2020
"Scaracella habe den Bericht abgewartet und sich zum Rücktritt entschlossen" D.h., er hat abgewartet, ob in der Untersuchung Belastendes gegen ihn gefunden wurde. Anscheinend wurde genug aufgedeckt um ihn zum Rücktritt zu bewegen.
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