Juso-Chefin stellt Keller-Sutter zur Rede – die Bundespräsidentin nutzt die Steilvorlage
Erben, Emissionen, Exodus: Drei Schlagworte, die nur bei der «Initiative für eine Zukunft» der Juso zusammenfallen. Doch genau darum geht es.
Ende November entscheidet die Schweiz, ob sie eine nationale Erbschaftssteuer in der Höhe von 50 Prozent auf Vermögen über 50 Millionen Franken einführt, zweckgebunden für den Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaft. Wenn die Jungsozialisten Klassenkampf und Klimakrise verbinden können, sind sie in ihrem Element. Eigentlich.
Denn die «Arena» zur Erbschaftssteuer-Initiative zeigte: Gegen Naturgewalten wie die Bundespräsidentin und einen der bekanntesten Unternehmer des Landes braucht es avatarartige Bändigerkräfte.
Ihre Fähigkeiten im TV-Studio unter Beweis gestellt haben:
Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage:
- Mirjam Hostetmann, Präsidentin Juso
- Katharina Prelicz-Huber, Nationalrätin Grüne ZH
- David Roth, Vize-Präsident SP, Nationalrat LU
Gegnerinnen und Gegner:
- Karin Keller-Sutter, Bundespräsidentin und Vorsteherin EFD
- Peter Spuhler, Verwaltungsratspräsident Stadler Rail
- Jürg Grossen, Präsident GLP, Nationalrat BE
Kommt es zu einem Erben-Exodus?
Als Erste liess Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter ihre Kräfte spielen. Moderator Sandro Brotz fragte, warum sie sich für einen so kleinen Teil der Bevölkerung so vehement einsetze, denn gemäss Zahlen vom Bund wären nur rund 2500 Personen von der Juso-Erbschaftssteuer betroffen.
Von diesen Personen würden viele aber nicht bleiben, sollte die Initiative durchkommen, stellte die Bundespräsidentin gleich zu Beginn der Sendung klar: «Wer so hohe Vermögen besitzt, ist sehr mobil. Studien und Berechnungen des Finanzdepartements zeigen, dass 85 bis 98 Prozent dieser Menschen das Land verlassen würden, sollten wir diese Steuer einführen.» Am Schluss, warnte sie, hätte die Schweiz sogar weniger Einnahmen als zuvor. Es drohe ein Loch von 2,8 bis 3,7 Milliarden Franken, sagte Keller-Sutter.
Gleich ein Praxis-Beispiel zu ihrer Theorie lieferte Peter Spuhler, alt-SVP-Nationalrat und Verwaltungsratspräsident der Stadler Rail AG. Er, der selbst über ein Vermögen von mehr als 4 Milliarden US-Dollar verfügen soll, sagt:
Er sei deshalb derselben Meinung wie die Bundespräsidentin: Durch die Erbschaftssteuer gäbe es so einen Exodus an Wohlhabenden, dass die Schweiz am Schluss weniger Steuern einnehme. Als Beispiel dafür nennt Spuhler Norwegen, wo nach einer Erhöhung der Vermögenssteuer viele vermögende Personen in die Schweiz ausgewandert seien.
Auf dieses Stichwort scheint der Luzerner Nationalrat und SP-Parteileitungsmitglied David Roth nur gewartet zu haben. Er sagt:
«Kurzfristig vielleicht, langfristig nicht», quittiert Spuhler das Argument. Der Mann, der als einer der ersten Milliardäre des Landes mit einem Wegzug drohte, gibt übrigens zu, dass seine Koffer nun doch nicht gepackt sind.
Ob die Initiative wirklich dafür sorgen würde, dass viele Superreiche wegziehen und der Schweiz Steuersubstrat fehlen würde, blieb offen. Moderator Sandro Brotz warf mehrere Schätzungen von Ökonomen in den Raum. Von mehreren Milliarden Verlust bis hin zu leichten Mehreinnahmen. Aufgrund der fehlenden Datenlage, die Juso-Chefin Mirjam Hostetmann kritisierte, wusste am Ende niemand so genau, welche Berechnung stimmte.
Unternehmer oder Erben?
Dasselbe geschah beim Streit darüber, wer diese 2500 Personen eigentlich sind: Unternehmer, deren Firmen bedroht wären, oder Menschen, deren Vermögen nicht an eine Firma gebunden ist. Für SP-Nationalrat David Roth ist klar: Maximal acht Prozent davon sind Unternehmer. Und auch Juso-Chefin Mirjam Hostetmann sagt: «Die wenigsten sind klassische Patrons.»
Peter Spuhler widerspricht: Er schätzt, dass mindestens die Hälfte Unternehmer seien. Und dass sie wie er selbst leiden würden:
Dann sagt Spuhler etwas Bemerkenswertes:
Mit anderen Worten: Wer nur Kapital hat, kann flüchten. Wer ein Unternehmen hat, bleibt zurück.
Wie viele der Betroffenen tatsächlich Unternehmer sind, lässt sich allerdings nicht belegen. Grüne-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber kritisiert, dass mit grossen Vermögen kaum gearbeitet werde:
Sie verweist damit auf Schätzungen der Universität Lausanne, wonach 2025 in der Schweiz rund 100 Milliarden Franken vererbt werden – fünfmal mehr als vor 30 Jahren, inzwischen rund zwölf Prozent des BIPs.
Diejenigen Erben, die ein Unternehmen führen, könne man bei der Gesetzesausgestaltung später gezielt berücksichtigen, erklärt Prelicz-Huber
Wer zahlt fürs Klima?
Nebst all dem Gerede über Geld ging es auch ums Gewissen. Dass die Superreichen fürs Klima zur Kasse gebeten werden sollen, findet Juso-Chefin Mirjam Hostetmann nur gerecht:
Laut Hostetmann verursachen Milliardäre millionenfach so viele Emissionen wie ein Durchschnittsbürger. Einen Beleg nannte sie nicht. Oxfam-Analysen zeigen jedoch, dass die 50 reichsten Menschen in 90 Minuten so viel CO₂-Emissionen ausstossen wie ein Durchschnittsmensch in seinem ganzen Leben.
Die Juso-Präsidentin hielt der Bundespräsidentin vor, gar nicht über das Klima sprechen zu wollen:
Karin Keller-Sutter liess sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Zahlen sind ihr Element. «Der Bund investiert jährlich zwei Milliarden Franken in den Klimaschutz», sagte sie und verwies auf die bestehende Steuerprogression sowie kantonale Erbschaftssteuern, die bereits heute wohlhabende Personen stärker belasten. Eine nationale Erbschaftssteuer lehne sie ab.
Trotz dieser Ausführung sagte Hostetmann, als sie am Schluss zu Gemeinsamkeit mit der Bundespräsidentin befragt wurde: «Wir brauchen mehr Geld. Nicht nur fürs Klima, sondern auch sonst für den Staat. Da haben wir dieselbe Ansicht.»
Eine Steilvorlage für Keller-Sutters bekanntes Mantra:
Der Klimaschutz sei auch für sie wichtig – aber die Erbschaftssteuer-Initiative bleibe für sie der falsche Weg.
