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SRF Arena zur E-ID: Bundesrat Beat Jans wird ausgelacht.

Sandro Brotz mit E-ID
Kommt die ID aufs Handy oder nicht? Darüber stimmt die Schweiz am 28. September ab.Bild: srf
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Bundesrat Jans wird in der E-ID-«Arena» ausgelacht – Hilfe kommt aus der zweiten Reihe

Zum zweiten Mal stimmt die Schweiz über eine E-ID ab. In der Abstimmungs-Arena stritten die Gäste über Big Tech, Überwachung und Inklusion. Eine Akteurin stahl dabei allen die Show.
06.09.2025, 05:5906.09.2025, 16:45
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Irgendwann geht es in der «Arena» um schottischen Whisky, schweizerisches Snus – und um die Frage, wie Online-Shops sicherstellen, dass ausschliesslich Volljährige Alkohol und Tabak bestellen.

Schuld daran trägt Lukas Reimann: Zuerst fragt der SVP-Nationalrat, ob er denn künftig, wenn er einen Whisky online kaufen wolle, persönlich in Schottland erscheinen müsse, um sein Alter nachzuweisen.

Damit hat er sich selbst ein Ei gelegt. Wie er denn bei seinem Snus-Online-Shop, den er bis 2019 betrieben hat, das Alter der Kunden verifiziert habe, will Moderator Sandro Brotz von Reimann wissen. Über einen privaten Online-Anbieter, sagt dieser kleinlaut.

Neuauflage von 2021

Whisky und Tabak führen mitten in die Kernfragen zur Abstimmung über die E-ID. Sollen sich Schweizerinnen und Schweizer künftig im Internet mit einer elektronischen Identitätskarte ausweisen können? Und wenn ja: Wer soll nach dieser E-ID verlangen dürfen?

2021 wurde eine erste Vorlage, die eine E-ID hätte einführen wollen, von der Schweizer Stimmbevölkerung wuchtig abgelehnt. Nun nehmen Parlament und Bundesrat einen neuen Anlauf. Wären es bei der ersten Version noch private Anbieter gewesen, die die E-ID herausgegeben hätten, läge die Verantwortung dieses Mal beim Bund.

Wenn du genauer wissen willst, was bei der E-ID 2.0 anders ist – unsere Reporterin Hanna erklärt dir die Details in einem Video:

Video: watson/hanna hubacher, michael shepherd

Am 28. September stimmt die Schweiz über die E-ID ab. In der «Arena» versuchten folgende Politiker und Politikerinnen mit ihren Argumenten zu überzeugen:

  • Beat Jans, Bundesrat SP, Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements
  • Maya Bally, Nationalrätin Die Mitte/AG
  • Monica Amgwerd, Kampagnenleiterin «E-ID-Gesetz Nein»
  • Lukas Reimann, Nationalrat SVP/SG

Ausserdem sassen in der zweiten Reihe weitere Gäste des Pro- und Contra-Lagers. Sie sollten die Dynamik der Sendung an diesem Abend entscheidend beeinflussen.

Digitale Schweiz oder Überwachungsstaat?

Bundesrat Beat Jans kam aus dem Schwärmen über die vom Bund geplante E-ID nicht mehr heraus. Die Technologie sei hochmodern und transparent, auf dem «höchsten Stand der Sicherheit», bei der Entwicklung seien auch Kritikerinnen und Kritiker eingebunden worden.

Tatsächlich loben Fachpersonen, die neue E-ID sei gelungen, robust und schlank. Die persönlichen Identifikationsdaten werden dezentral auf dem eigenen Smartphone gelagert – und nicht auf Servern oder in Clouds, wo Hacker bei einer Sicherheitslücke Millionen Datensätze erbeuten könnten.

Eine Ausnahme gibt es: Um überhaupt eine E-ID beantragen zu können, müssen Nutzerinnen und Nutzer ein Selfie-Video von sich aufnehmen. Diese Daten werden auf Servern des Bundes gelagert. Ob sie von dort aus im Darknet landen können, wie das bei einem Datenleck beim Fedpol in der Vergangenheit schon geschehen ist, will Moderator Sandro Brotz von Jans wissen. Die Antwort des Bundesrats besteht vor allem aus: Zögern.

So hört sich ein zögerliches Nein an:

Video: srf/arena

Wenn es Jans' Ziel gewesen sein sollte, Vertrauen in die E-ID zu erwecken – funktioniert hat es nicht. Im Gegenteil: Es ist Wasser auf die Mühlen der Gegnerinnen und Gegner. Für sie bietet die E-ID zu wenig Datenschutz und eröffnet privaten Anbietern, sensible Daten zu sammeln. Zudem sei nicht klar, ob die Nutzung der E-ID wie versprochen immer freiwillig bleibt.

Monica Amgwerd findet darum, eine E-ID gefährde die Demokratie an sich: «In freiheitlichen Demokratien werden Ausweisdokumente grundsätzlich überhaupt nicht überprüft. Weder auf der Strasse noch im Internet.» Der Staat habe in gewissen Situationen das Recht dazu, etwa beim Grenzübertritt oder bei Polizeikontrollen. Aber:

«Dass Firmen unsere Passdaten überprüfen, das ist mit unserer Demokratie nicht kompatibel.»
Monica Amgwerd, Kampagnenleiterin «E-ID-Gesetz Nein»

Die Befürchtung der Gegner: In Zukunft würden grosse Tech-Konzerne – Google, Facebook, Tiktok – die E-ID für die Registrierung verlangen. So kämen sie an sensible Daten, die sie selbst verwenden oder weiterverkaufen könnten.

Amgwerd: «Das Gesetz ist so ausgestaltet, dass unsere Daten an Big Tech gelangen können»

Video: srf/arena

Maya Bally, die das Gesetz in der Rechtskommission des Nationalrats mitausgearbeitet hat, will das nicht gelten lassen. Die E-ID sei eine grossartige Möglichkeit für Banken oder Mobilfunkanbieter, den gesetzlich vorgeschriebenen Identifikationsprozess sicher durchzuführen.

Als Bally dann fragt, warum die grossen Tech-Firmen nun plötzlich Interesse daran haben sollten, die E-ID zu verlangen, entfährt es Amgwerd: «Das ist deren Geschäftsmodell! Haben Sie die letzten 25 Jahre Digitalisierung mitbekommen?»

Beat Jans wird ausgelacht

Je länger die «Arena» geht, desto mehr zeigt sich: Bundesrat Jans und Mitte-Nationalrätin Bally tun sich schwer. Erstens gelingt es ihnen kaum zu erklären, warum die E-ID eine sichere Lösung sein soll. Was mit «zweitens» zusammenhängt: Weder Jans noch Bally erwecken den Eindruck, sich mit dem Thema sonderlich wohlzufühlen.

Es ist die erste Arena, die Beat Jans als Bundesrat bestreitet. Als er noch als Vizepräsident der SP in «Arena»-Sendungen eingeladen wurde, wirkte er gelöster, schlagfertiger. Wenn Jans nun über QR-Codes und digitale Sicherheitsinfrastrukturen spricht, erinnert er ein wenig an Angela Merkel, die das Internet mal als «Neuland» bezeichnet hatte.

Jans versucht zu erklären, wie die E-ID eine Sicherheitsstufe eingebaut hat, die verhindert, dass Firmen missbräuchlich Daten abfragen. Er verhaspelt sich dabei.

Monica Amgwerd lächelt süffisant.

Jans versucht zu erklären, warum es kein Problem ist, dass die Videos, mit denen man sich bei der E-ID registrieren muss, nicht wie alle anderen Daten dezentral, sondern zentral auf Servern des Bundes gelagert werden. Ausser, dass das «abgesicherte Server» mit «höchster Sicherheitsstufe» seien, kann Jans aber nichts Konkretes dazu sagen.

Monica Amgwerd lächelt süffisant.

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Bild: srf

Rettung aus der zweiten Reihe

Zum Glück für Jans sind in der zweiten Reihe zwei weitere Befürwortende der E-ID. Vanessa Grand ist Journalistin und Sängerin. Die Walliserin lebt mit einer Glasknochenkrankheit und sitzt im Rollstuhl. Sie erklärt, wie sich für sie als Behinderte der Alltag dank E-ID verbessern würde.

Grand: «Das ist kein Luxus, sondern ein Grundrecht»

Video: srf/arena

Grand findet, die Gegnerinnen und Gegner der E-ID würden ihr und anderen Behinderten die Selbstbestimmung verwehren. Und fragt: «Ist das euer Verständnis von Demokratie? Sind wir nicht gleichberechtigte Menschen wie ihr auch?»

Das Votum von Grand schindet in der Runde vorne Eindruck. Auch Lukas Reimann erklärt, dass ihm Inklusion ein wichtiges Anliegen sei. Er wird von Grand brüsk abgeschnitten:

«Also, Herr Reimann, gerade beim Thema Inklusion sind wir mit eurer Partei ziemlich am Chrampfen.»
Vanessa Grand, Befürworterin E-ID

Auch Gerhard Andrey setzt sich für die E-ID ein. Der Freiburger politisiert für die Grünen im Nationalrat und ist Informatiker. Er weiss, wovon er spricht.

Bei der E-ID-Vorlage von 2021 hat Andrey noch zu den Gegnern gehört. In der zweiten Arena-Reihe weibelt er nun an vorderster Front für die E-ID Version 2.0.

«Mit diesem Gesetz bekommen wir die Hoheit im Internet zurück. Ich kann nun als Individuum sagen: Nein, diese Daten, die du von mir willst, gebe ich dir nicht!», so Andrey.

Es sei ganz klar, dass man eine Infrastruktur im Internet brauche, die ähnlich funktioniere wie die Identitätskarte in der physischen Welt, denn: «Im Internet funktionieren die Dinge nun mal etwas anders als am Kiosk», sagt Andrey. Die Verweigerungshaltung der Gegnerinnen und Gegner bringe die Schweiz nicht vorwärts.

Andrey: «Die Gegner wollen weiterhin die ID kopieren»

Video: srf/arena

Gar keine E-ID ist auch keine Lösung, könnte ein Fazit der «Arena» sein. Oder: Manchmal lohnt es sich, den Menschen in der zweiten Reihe zuzuhören. Vielleicht haben sie die besseren Argumente.

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431 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Urs der Bär
06.09.2025 06:38registriert Oktober 2022
Der Schlusssatz im Artikel ist einfach Top:
„ Oder: Manchmal lohnt es sich, den Menschen in der zweiten Reihe zuzuhören. Vielleicht haben sie die besseren Argumente.“
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wintergrün
06.09.2025 06:32registriert Dezember 2017
Vanessa Grand bringt es auf den Punkt - für Behinderte aber auch den Normalbürger bringt die E-ID erhebliche Vorteile und geringere Verwaltungskosten.
Die Nein Sager dürfen gerne beim Papier Prozess bleiben.
Vielen Dank Frau Grand - diese Stimmen aus der Bevölkerung sind wichtig.
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Rantanplan75
06.09.2025 06:38registriert Januar 2021
Immer diese Ewiggestrigen. An einer eID führt kein Weg vorbei wenn wir nicht vollends den Anschluss an morgen verlieren wollen.
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