Keine 14 Tage ist es her, dass an der Urne zwei Krankenkassenvorlagen versenkt wurden. Weder die Prämienentlastungs-Initiative der SP noch die Kostenbremse-Initiative der Mitte konnten die Schweizer Stimmbevölkerung überzeugen.
Welcher ist also der richtige Weg, um das Problem mit den steigenden Kosten im Gesundheitswesen anzugehen?
Darüber debattiert haben in der SRF-«Arena»:
Die Krankenkassenprämien machen der Schweizer Bevölkerung zu schaffen. Jedes Jahr sind sie auf einem Spitzenplatz beim Sorgenbarometer. Und es wird auf absehbare Zeit nicht besser: Gemäss einer Schätzung von Comparis sollen die Prämien 2025 im Schnitt um 6 Prozent ansteigen.
Doch nicht überall ist die Last gleich gross. Am teuersten ist die Gesundheitsversorgung mit durchschnittlich 454 Franken pro Monat im Kanton Genf, am günstigsten mit 246 Franken im Kanton Appenzell Innerrhoden.
Ebenfalls am oberen Ende ist der Kanton Basel-Stadt mit über 450 Franken pro Monat. «Arena»-Moderator Mario Grossniklaus will deshalb vom anwesenden Mitte-Regierungsrat und Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger wissen, ob es nicht frustrierend sei, dass man im Nachbarkanton Basel-Land weniger bezahle. «Bei einem Umzug, wenn es auch nur ein paar hundert Meter über die Kantonsgrenzen sind, bezahlt man plötzlich fast 50 Franken mehr», sagt der SRF-Mann.
Engelberger, der auch als Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz amtet, findet das nicht so dramatisch. Er bringt ein Gegenbeispiel: «Man kann auch in einen Kanton ziehen, in dem die Prämien günstiger sind.» Der Mitte-Regierungsrat verteidigt die föderalistische Tradition, dass jeder Kanton unterschiedliche Angebote – und Prämien – hat. «Wir dürfen diese Unterschiede nicht als ein Problem sehen, sondern als ein Resultat der hohen Gestaltungsfreiheit der Kantone», sagt er.
Doch individuelle Gestaltungsfreiheit kann auch Eigenbrötlerei bedeuten, kritisieren die anderen Politikerinnen und Politiker. SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen entgegnet auf Engelbergers Ausführungen: «Mir ist das zu passiv. Die Prämienlast ist überall zu hoch und sie steigt weiter. Wir haben noch ganz viele Hausaufgaben zu machen.» Auch FDP-Nationalrätin Bettina Balmer kann sich eine Kritik an Engelberger nicht verkneifen: «Die Gesundheitsdirektorenkonferenz muss besser zusammenarbeiten», sagt sie. Sie fände es aber gut, dass Kantone möglichst autonom handeln können.
Hart ins Gericht mit der Gesundheitsdirektorenkonferenz fährt dafür Patrick Hässig, GLP-Nationalrat und gelernter Pflegefachmann. Er sagt: «Bei den Kantonen ist der Wurm drin. Die Ideen für eine überregionale Zusammenarbeit wären seit Jahren da. Aber die Kantone finden keine gemeinsamen Lösungen.» Er habe deshalb im Mai eine Motion eingereicht, die vorsehe, dass die Spitalplanung gemeinsam vom Bund und den Kantonen durchgeführt werde.
Konkret fordert Hässig, dass die Kantone sich «grösstmöglich» in die Spitalplanung einbringen können, aber der Bund das letzte Wort hat. Für Regierungsrat Lukas Engelberger ist das ein rotes Tuch. Er findet die Kritik, dass die Kantone zu wenig gemacht hätten, fehl am Platz und sagt: «Der Fokus auf die Spitalplanung ist falsch, denn diese Kosten entwickeln sich moderat im Vergleich zu den ambulanten Kosten. Wenn dann noch der Bund alles planen muss, wird zudem jeder Prozess um zwei Jahre verlängert.»
Es könne auch nicht das Ziel sein, möglichst viele Spitäler zu schliessen. Engelberger sagt, es brauche die richtigen Spitäler am richtigen Ort mit einem Leistungsangebot, das es auch benötige. Und das alles in hoher Qualität.
In diesem Punkt stimmt ihm Patrick Hässig zu und sagt, dass seine Motion genau da ansetze. Gewisse Änderungen in der Spitalplanung seien nötig. Etwa mit den 24-Stunden-Spitälern, die es nicht überall brauche. Der GLP-Nationalrat bringt ein Beispiel, wie er sich die Umsetzung vorstellt: «Wir haben eine super Luftrettung und Ambulanz. Wenn heute jemand einen Herzinfarkt hat, ist er innerhalb von Minuten hervorragend betreut. Da kann man auch zehn Minuten länger fahren.» Also zu einem anderen Spital.
Bettina Balmer, die selbst als Oberärztin am Universitäts-Kinderspital in Zürich arbeitet, macht bei dieser Aussage grosse Augen. Doch bevor sie etwas sagen kann, wird ihr von Flavia Wasserfallen das Wort abgeschnitten. Die SP-Ständerätin erklärt Hässig, dass seine Motion bestenfalls Druck auf die Kantone aufbaue, aber politisch nicht lange überleben werde. Man müsse nun Richtung Qualität gehen. Der GLP-Nationalrat unterbricht sie und sagt: «Die Qualität halten wir, wenn wir weniger Häuser (Spitäler) haben, aber dort viele Fälle haben.»
In der Folge reden Wasserfallen und Hässig gleichzeitig, fallen sich beide ins Wort und spätestens als sich auch noch Lukas Engelberger einschaltet und alle drei gleichzeitig reden, ist das vermutlich für die TV-Zuschauenden zu viel, um noch mitzukommen. Just in diesem Moment hebt Bettina Balmer den Finger und sagt, sie würde gerne etwas richtigstellen. «Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute!» Doch grundsätzlich sei sie mit Hässig einverstanden, dass es «nicht in jedem Tal ein Spital» benötige. «Es braucht mehr ambulante Gesundheitszentren, die man bei Bedarf für stationäre Aufenthalte umfunktionieren kann – etwa bei einer Pandemie», so die FDP-Nationalrätin.
Schliesslich lenkt auch Lukas Engelberger (ein wenig) ein und gesteht: «Wir müssen in der Gesundheitsdirektorenkonferenz besser interkantonal zusammenarbeiten.»
Ein anderer Lösungsvorschlag, der diskutiert wurde, ist die Einheitskrankenkasse. Bereits viermal hat die Schweiz diesen Vorschlag der SP an der Urne abgelehnt. Doch die Genossinnen und Genossen geben nicht auf.
«Wir bei der SP haben einen langen Schnauf und beim nächsten Mal haben wir vielleicht Erfolg», sagt Flavia Wasserfallen. Niemand sehe ein, weshalb so viele Kassen in der Grundversicherung dasselbe anbieten müssen. «Die Versicherer können sich auf Zusatzversicherungen fokussieren.»
GLP-Nationalrat Patrick Hässig entgegnet, dass zwar in der Grundversicherung dieselben Leistungen gelten, aber der Wettbewerb trotzdem bestehe durch den Preis und den Service. «Meine Eltern beispielsweise entscheiden sich gerne für eine teurere Krankenkasse, weil sie wissen, dass dort ihre Rechnungen schnell vergütet werden.» Flavia Wasserfallen macht das fassungslos: «Das ist doch nicht die Realität. Die meisten wechseln ihre Versicherung wegen der hohen Prämienlast!» Sie sehe keinen Vorteil am Wettbewerb der Grundversicherungen. «Der Wechsel verursacht nur Kosten, die wir alle tragen müssen.»
Am Schluss wird in der «Arena» noch über einen Lösungsansatz der FDP debattiert: die Budgetkrankenkasse. Diese soll bis zu 25 Prozent Rabatt einbringen. Doch dafür muss man mit weniger Leistungen auskommen. Den Versicherten würden etwa weniger Spitäler und Ärzte zur Verfügung stehen, die Franchise wäre höher, gewisse Leistungen könnten nur im Ausland erbracht werden und Abstriche müsste man auch bei Homöopathie und Psychotherapie machen. Aber alles auf Freiwilligenbasis.
FDP-Nationalrätin Bettina Balmer sagt: «Mir gefällt das Wort Budget nicht. Denn es ist klar, dass man Leuten hilft, wenn sie krank sind. Aber sie sollten die Wahlmöglichkeit haben, ob sie etwa eine Homöopathie in der Grundversicherung benötigen.»
Gar keine Sympathie haben alle anderen Anwesenden für die Budgetkrankenkasse. SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen sagt dazu: «So bricht unser solidarisch finanziertes System auseinander.» Für GLP-Nationalrat Patrick Hässig gehe der Vorschlag in Richtung «Amerikanisierung». «Wir sind gegen Leistungskürzungen.» Und Mitte-Regierungsrat Lukas Engelberger sagt: «Bis jetzt ist das nur ein Marketing-Gag. Ich bin für mehr Eigenverantwortung. Aber ohne die Solidarität auszuhöhlen.»
Bezüglich Einheitskasse bin ich nicht ganz sicher, wieviel wirklich und ob eingespart werden kann, aber es macht die Administration auf jeden Fall einfacher. Das hin- und herwechseln jeden Herbst um monatlich "nur" 10.- statt 20.- mehr zahlen zu müssen, ist weder nachhaltig noch sinnvoll für alle Beteiligten.
Nichts desto trotz, eine Einheitskasse, welche vom Volk getragen wird wäre absolut das Richtige. Wir auch bei der AHV, wären hier die Milliarden die ins Ausland wandern, besser eingesetzt.