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In diesen Regionen droht Pendlern eine Preiserhöhung

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Wer so seelig lächelt, pendelt nicht zur Stosszeit und ist von keiner Preiserhöhung betroffen. Bild: Shutterstock

In diesen Regionen droht Pendlern eine Preiserhöhung

Der Bund will sein Geld für Bahn und Bus effizienter einsetzen. Drei Verkehrsverbünde müssen deshalb mehr Geld einnehmen oder drauflegen. Bei weiteren könnte eine Preiserhöhung in den nächsten Jahren drohen. Das sind die Gründe.
30.12.2022, 20:4630.12.2022, 20:47
Stefan Ehrbar / ch media
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Der öffentliche Verkehr in der Schweiz deckt seine Betriebskosten nicht. Doch die regionalen Unterschiede sind riesig – auch bei der Frage, wer das Defizit trägt. So muss der Kanton Basel-Stadt 73 Prozent der ungedeckten Kosten des regionalen Personenverkehrs (RPV) bezahlen, wozu S-Bahnen oder Regionalbusse gehören. Der Bund übernimmt 27 Prozent. In Graubünden ist es umgekehrt: 80 Prozent des Defizits zahlt der Bund, 20 Prozent der Kanton.

Nun verschärft der Bund die Regeln für jene, die wegen tiefen Ticketpreisen wenig Geld einnehmen. Solange das Tarifniveau in einem Verbund mindestens 80 Prozent des nationalen Niveaus erreicht, zahlt er auch künftig seinen Anteil. Liegt es aber darunter, müssen die betroffenen Kantone diesen Teil der ungedeckten Kosten bald selber tragen.

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat zu diesem Zweck ein neues Modell namens «Entschädigung Verbundpreis-Niveau» erarbeitet, mit einem Standard-Erlösniveau von 100 Prozent. Zwischen 80 und 100 Prozent liegt die «Toleranzzone». Verbünde, die auf weniger als 80 Prozent kommen, müssen reagieren. Entweder ihre ÖV-Betriebe müssen mit weniger Geld auskommen, die Kantone schiessen das Geld ein oder die Preise werden erhöht.

Das ist vielerorts angesichts angespannter Finanzen die wahrscheinlichste Option. BAV-Sprecher Michael Müller sagt, es gehe darum, die finanziellen Mittel des Bundes einheitlich einzusetzen: «Dieses Vorgehen schützt insbesondere Tarif- und Verkehrsverbünde mit einem vergleichsweise hohen Tarifniveau.»

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Pendler am Hauptbahnhof in Zürich.Bild: KEYSTONE

Etwas tiefere Preise werden akzeptiert

Derzeit liegen drei Tarifverbünde unterhalb der Toleranzzone, verlangen also aus Sicht des Bundes zu tiefe Preise: Der jurassische Verkehrsverbund Vagabond, der Tarifverbund Genf Unireso und der Verbund Arcobaleno, der das Tessin und den italienisch sprechenden Teil des Kanton Graubünden umfasst.

Das unterdurchschnittliche Erlösniveau bei Arcobaleno sei bekannt und habe historische Gründe, sagt Thomas Schmid, Leiter des Amts für Energie und Verkehr des Kantons Graubünden. Als der Verbund vor 25 Jahren gegründet worden sei, habe der ÖV im Tessin einen kleinen Anteil gehabt. «Mit tiefen Preisen hat man den ÖV attraktiv gemacht und es hat gut funktioniert». Der ÖV sei mittlerweile gut frequentiert. Der Kanton Tessin werde nun mögliche Lösungen ausarbeiten.

Für den Verbund Unireso dürfte der Befund weniger Konsequenzen haben: Der grösste Teil seiner Kosten entsteht im Ortsverkehr, also bei Bussen und Trams in Städten. An diesem beteiligt sich der Bund sowieso nicht. Zudem muss der Kanton Genf bereits jetzt 71 Prozent des RPV-Defizits selbst übernehmen. Würde er sich entscheiden, das Tarifniveau zu belassen und die neu anfallenden Kosten zu übernehmen, wären die Mehrkosten wohl überschaubar.

In einigen Verbünden – etwa beim Berner Libero, dem Tarifverbund Nordwestschweiz, den Verbünden Ostwind und Passepartout – sind die Erlöse zwar innerhalb der Toleranzzone, aber unterhalb des Standard-Niveaus. Das akzeptiert der Bund grundsätzlich, um «unterschiedlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen». Trotzdem könnte es dort zu Kostensteigerungen und zu Preiserhöhungen kommen. Viele dieser Verbünde müssen nämlich den SBB bald mehr bezahlen.

A-Welle und Frimobil eher teuer

Deren Fernverkehr kann auch mit Tickets eines Tarifverbunds innerhalb dessen Gebiet genutzt werden. Da die SBB aber keine Subventionen für den Fernverkehr erhalten, sind sie laut BAV-Sprecher Michael Müller darauf angewiesen, dass sie für solche Fahrten eine Entschädigung von den Kantonen erhalten, die nahe am Niveau des sogenannten Nationalen Direkten Verkehrs (NDV) liegt.

Der NDV kommt auf Verbindungen zum Einsatz, die mehr als einen Tarifverbund umfassen. Die Kantone, deren Verbünde sich unterhalb des Standard-Erlösniveaus befinden, müssen den SBB künftig das Delta zwischen den Verbundeinnahmen des Fernverkehrs und dem Standard-Erlösniveau bezahlen.

Daneben gibt es Verbünde, in denen das Erlösniveau über dem Standard-Niveau von 100 Prozent liegt. Das heisst, dass die Pendlerinnen und Pendler bereits heute einen hohen Teil der Kosten selbst tragen. Derzeit sind dies die Tarifverbünde A-Welle der Kantone Aargau und Solothurn und der Freiburger Verbund Frimobil. Nicht angewendet werden kann das Modell für den Zürcher Verkehrsverbund (ZVV). Berechnet wurde aber ein Wert für die Zonensysteme des ZVV mit angrenzenden Verkehrsverbünden, den Z-Pass. In den Z-Pass-Korridoren A-Welle, Schwyz und Zug liegt das Niveau ebenfalls bei über 100 Prozent.

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Eine Frau besteigt einen Zug.Bild: KEYSTONE

ZVV schert aus

Zu einer Preissenkung wird es trotzdem nicht kommen. «Wir möchten betonen, dass der Tarifverbund A-Welle seit Dezember 2017 keine Tariferhöhungen vorgenommen hat», sagt Geschäftsführerin Christine Neuhaus – und das, obwohl die Teuerung seither um fünf Prozent gestiegen sei.

Dasselbe gilt für den Z-Pass. «Eine Senkung der Preise ist aufgrund des Modellwertes nicht angezeigt», sagt ZVV-Sprecher Thomas Kellenberger. Das gelte auch in Anbetracht der derzeitigen finanziellen Lage des ÖV und des Umfelds mit einer hohen Teuerung.

Das BAV-Modell sei ein «auf sehr vielen Annahmen beruhendes, generisches Modell». Ein Vergleich mit effektiven Tarifen und deren Produkten sei nicht möglich oder zweckmässig. «Von der grundsätzlichen Idee her ist das kein Modell zur Nivellierung der Tarife nach unten, sondern hat zum Zweck, zu tiefe Tarife anzuheben beziehungsweise deren Mitfinanzierung durch den Bund zu unterbinden.»

Gnadenfrist für Verbünde

Dass das Modell im ZVV nicht angewendet werden kann, liegt daran, dass beim Finanzierungsmodell der Zürcher alle Erlöse beim ZVV bleiben. Deshalb führt der Verbund keine Fahrausweisstrukturerhebungen durch, deren Daten für die Anwendung benötigt würden. Das Tarifniveau ist aber im ZVV laut dem Bund sowieso bereits vergleichsweise hoch.

BAV-Sprecher Müller sagt, die Kantone beziehungsweise Verbünde blieben frei, die Tarifhöhe festzulegen. «Ab einem bestimmten Niveau müssen sie die Kosten aber alleine tragen.»

Im Frühling 2023 wird das BAV das Modell auf Basis der Zahlen des Jahres 2022 berechnen. Ab dem Fahrplanjahr 2024 kommt es zur Anwendung, allerdings mit einer Karenzfrist von drei Jahren für den RPV. Danach müssen wohl viele ÖV-Nutzende tiefer in die Taschen greifen. Der eigenwirtschaftliche Verkehr, also etwa der Fernverkehr der SBB, kann die höheren Entschädigungsansprüche schon 2024 geltend machen.

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19 Kommentare
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Unsinkbar 2
30.12.2022 21:46registriert August 2019
Ich finde das ganze Ticketsystem irgendwie kompliziert. Versucht mal einem Touristen zu erklären, wieviele Zonen er lösen muss wenn es nicht gerade eine Standard-Strecke wie Zürich - Interlaken ist. Hat der Tourist eine Zone zuwenig gelöst gibt es eine Busse (Kulanz ist ja bei einigen Betrieben nicht bekannt, und Englisch ja auch nicht). Aber der Ami-Tourist wird wohl die Busse eh nie erhalten, geschweige den bezahlen.
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