Schon heute ist der Bahnhof Lenzburg an der Kapazitätsgrenze, was die Passagierzahlen betrifft. Entlastung ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil: Bis ins Jahr 2040 soll der öffentliche Verkehr in der Schweiz gemäss mehreren Studien um 51 Prozent zunehmen.
Damit dürfte es auch in anderen grossen Bahnhöfen im Aargau eng werden. Problematisch ist dabei nicht die Passagierzahl an sich, sondern die Verteilung der Reisenden über den Tag.
Martin Moser, Absolvent des Studiengangs Verkehrssysteme an der Zürcher Hochschule, hat sich intensiv mit den Personenflüssen in Bahnhöfen beschäftigt. «Der Tagesverlauf der Passagiere ist in allen grösseren Orten ähnlich», sagt er.
Moser verweist dabei auf ein Diagramm des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV), das bei der Delegiertenversammlung im April präsentiert wurde.
Dieses zeigt zwei tägliche Spitzen auf: Morgens zwischen 6 und 7 Uhr benutzen rund 16 Prozent aller Passagiere den Bahnhof, abends zwischen 17 und 18 Uhr sind es 14 Prozent.
Ballen sich diese Personen – in Lenzburg innerhalb kurzer Zeit mehr als 4000 Reisende – zudem auf wenigen Perrons, wird es richtig eng.
Und zwar nicht nur in den Unterführungen, auf den Treppen und in den Zügen, sondern auch zeitlich. Denn der Personenfluss beeinflusst laut Moser «eins zu eins die Leistungsfähigkeit» der Stationen.
Für jeden Bahnhof sind definierte Anschlusszeiten im Fahrplan hinterlegt, die angeben, wie lange der Umsteigevorgang für einen durchschnittlichen Reisenden dauert. Dabei ist es laut Moser nicht relevant, aus welcher Richtung ein Zug ankommt oder in welche Richtung ein Zug abfährt.
Was sehr theoretisch klingt, hat ganz praktische Auswirkungen auf den Bahnbetrieb. Die Personendichte auf den Bahnhöfen und die Bewegungsgeschwindigkeit der Pendlerströme sind massgebend für die Umsteigezeiten.
Wenn die Reisenden in der Unterführung nicht vorwärts kommen, weil dort die Kapazitätsgrenze erreicht ist, verpassen sie möglicherweise Anschlusszüge.
«Dies hätte dann zur Folge, dass die definierten Umsteigezeiten erhöht werden müssten, was wiederum einen grossen Einfluss auf das gesamte System hätte», hält Martin Moser fest.
Gerade auf der dicht befahrenen Ost-West-Linie, an der Lenzburg liegt, wären die Auswirkungen markant, wenn die Züge länger im Bahnhof stehen.
Müsste die definierte Umsteigezeit erhöht werden, hätte dies laut Verkehrsexperte Martin Moser einen negativen Einfluss auf den gesamten Fahrplan der SBB. Darüber hinaus wären «zu- und abführende Transportunternehmen» betroffen.
Im Fall von Lenzburg wären dies der Regionalbus und die Seetalbahn, in Aarau die Wynental- und Suhrentalbahn sowie die Busse von AAR bus+bahn, in Brugg die 14 regionalen Postauto-Linien und in Baden die Kurse der Regionalen Verkehrsbetriebe Baden-Wettingen.
Neben den grossen Pendlerströmen ist auch der Güterverkehr eine Herausforderung für die SBB-Planer. Auf der Bahnstrecke von Lenzburg nach Zürich gab es in Killwangen bisher eine heikle Stelle.
Dort kam es zu einem «Kreuzungskonflikt», wie die SBB in einer Mitteilung schreiben. Güterzüge, die von Wettingen/Neuenhof in den Rangierbahnhof Limmattal fuhren, kreuzten bisher den Personenverkehr auf der Hauptlinie Bern–Zürich.
Um dies künftig zu vermeiden, wurde am Limmatufer ein 340 Meter langes Lehnenviadukt gebaut. Mit dem Fahrplanwechsel am 11. Dezember wird das Viadukt in Betrieb genommen. «Für die Personenzüge im Raum Killwangen-Spreitenbach bringt diese Verkehrsführung höhere Pünktlichkeit», teilen die SBB mit.
Die Bauarbeiten zwischen den bestehenden Bahngleisen und der Limmat seien aufgrund der engen Platzverhältnisse, der steilen Hanglage und der Nähe zum Wasser eine Herausforderung gewesen. Nun stehe das Lehnenviadukt neben dem bereits bestehenden Heitersbergviadukt und integriere sich optimal in die Umgebung.
Der Bau der Pfeilerfundamente für das Viadukt beeinträchtigte die Gegend, der Uferweg war während der Arbeiten längere Zeit gesperrt. Die Bauarbeiten für das Lehnenviadukt dauerten von Sommer 2013 bis Dezember 2016.
Die Projektkosten belaufen sich auf rund 70 Millionen Franken und wurden durch den FinöV-Fonds finanziert. Aus diesem Fonds, dessen Mittel für Bahninfrastruktur-Projekte reserviert sind, soll dereinst auch der Umbau des Bahnhofs Lenzburg bezahlt werden.
Im den nächsten 25 passiert dafür gar nichts, ausser Güterverkehr.
Wären all die Verbindungen nicht so elend dicht aufeinander, hätte man das Platzproblem schon leicht entschärft. Klar, da hängt der ganze Fahrplan dran, und den will kaum einer ändern..