Die SBB kämpfen mit einem Paradox: Mit dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember startet zwar die neue Nachtzug-Verbindung von Zürich nach Amsterdam. Gleichzeitig wird die Eurocity-Verbindung nach München schneller – die Fahrt dauert nur noch dreieinhalb statt vier Stunden. Das Angebot stimmt also. Beim Ticketsystem hingegen steckt weiter der Wurm drin.
Denn wer diese Verbindungen via App buchen will, erhält nach wie vor eine Fehlermeldung und wird auf die Webseite verwiesen:
Doch der entsprechende Webshop ist alt und benutzerunfreundlich, Preisvergleiche sind nicht möglich, die Seiten sind nicht für Mobilgeräte optimiert. Etliche Verbindungen erscheinen zwar im Fahrplan, Tickets sind aber nicht buchbar. Ebenso sind sitzplatzgenaue Reservationen nicht möglich. Kein Wunder, der Shop stammt aus der Prä-Smartphone-Zeit.
Den SBB ist bewusst, dass ihr System viel zu kompliziert ist. 2017 schrieben sie deshalb einen entsprechenden Auftrag unter dem Codenamen «Aruba» aus. Das Projekt kostet 20 Millionen Franken. Damit sollten Kundinnen und Kunden endlich bequem und schnell an Billetts für Reisen ins europäische Ausland kommen – und zwar über alle Kanäle. Anfang 2020 hätte das Buchungssystem live gehen sollen.
Schon vor Corona gab es Verzögerungen. Nun, im November 2021, ist immer noch nicht absehbar, wann das Projekt vollendet sein wird. Inzwischen ist zwar laut SBB die Anbindung an Frankreich und Deutschland realisiert (neu können auch Sparbillette gelöst werden), Österreich und Italien seien in Arbeit. Wann das Projekt aber vollständig umgesetzt sein wird, bleibt unklar. Einen konkreten Zeitpunkt nennen die SBB nicht mehr. Das Projekt werde weiter vorangetrieben und man sei «zuversichtlich, dass gemeinsam mit unseren europäischen Partnern zeitnah eine gute Lösung gefunden wird», so ein SBB-Sprecher.
Das Nachsehen haben die Passagiere. Nun wird Kritik laut: «Für uns ist absolut nicht nachvollziehbar, weshalb gerade die ÖV-Branche, die seit Jahren Serviceleistungen abbaut und die Kundschaft möglichst auf digitale Buchungsmöglichkeiten verweist, den internationalen Ticketverkauf sträflich vernachlässigt, wenn nicht sogar verschlafen hat», so Karin Blättler, Präsidentin der Passagierorganisation Pro Bahn.
Der ganze ÖV-Apparat sei viel zu träge unterwegs, um in der heutigen Zeit schnell und flexibel auf neue Kundenbedürfnisse und veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. «Wenn man wie bei Airlines nicht einfach zu einem internationalen Bahnticket kommt, nützt auch das beste Zugsangebot nichts», bilanziert Blättler.
Seit Jahren setzt sich die verkehrspolitische Umweltorganisation «umverkehR» für bessere Zugverbindungen ein. Geschäftsleiter Silas Hobi ist ernüchtert über die weiteren Verzögerungen: «Zwar ist die Nachfrage nach internationalen Bahnreisen wegen der Klimadebatte massiv gestiegen. Gleichzeitig erhalten wir immer mehr Rückmeldungen von frustrierten Kundinnen und Kunden, die sich über das mühsame SBB-Ticketsystem beklagen.»
Viele Schweizer Kundinnen und Kunden weichen wegen des komplizierten SBB-Ticketshops auf Buchungsplattformen von ÖBB, DB oder die europaweite Plattform trainline.com aus. Das Problem: Dort sind in der Schweiz die Billetts nur für bestimmte Züge gültig. Wer wegen Verspätungen den Anschlusszug verpasst, muss sich ein neues Ticket kaufen. Zudem zahlen Kunden eine Buchungsgebühr.
«Das Buchungssystem ist im internationalen Verkehr unsere Achillesferse», sagte SBB-Chef Vincent Ducrot im Dezember 2020 zu chmedia. Vier Monate später sagte er zu watson: «Das Ticketing im internationalen Verkehr ist unser Schwachpunkt. Wir arbeiten hart daran, dies zu ändern.» Nun bleibt nur noch abzuwarten, wann der SBB-Boss endlich «sein» Buchungssystem präsentieren kann, das noch unter seinem Vorgänger Andreas Meyer aufgegleist worden ist.
Aruba sollte aber nicht nur benutzerfreundlicher sein, sondern auch ähnliche Ticketpreise wie die anderen Staatsbahnen anbieten. Sonst lösen wir halt weiterhin auf sncf, trenitalia, öbb etc.
Was die SBB treibt ist eine Katastrophe
Zum verzweifeln.