Ob in der Romandie, im Raum Bern oder in Zürich: In den letzten Wochen hatten die SBB immer wieder mit Pannen zu kämpfen. Tiefpunkt war die Gleisabsenkung in Allemand VD, der Achse Lausanne-Genf komplett blockierte.
Dementsprechend tief sind die Pünktlichkeitswerte auf einigen Intercity-Strecken (Werte der letzten 13 Wochen):
Als pünktlich gelten Züge, wenn sie weniger als drei Minuten Verspätung aufweisen. Der SBB-Zielwert liegt bei 94 Prozent.
Im Fernverkehr liegen gegenwärtig fast alle Zahlen im roten Bereich. Baustellen, schlechtes Wetter: Die Ursachen seien vielfältig. «Ein zentraler Grund ist, dass die Fahr- und Haltezeiten nicht mehr mit der Realität übereinstimmen», sagt David Fattebert, Leiter Programm Pünktlichkeit der SBB, zur NZZ.
Seit der Einführung des Konzeptes Bahn 2000 im Jahr 2004 hätten sich die Fahrzeiten kaum verändert, obwohl mehr und schwerere Züge verkehrten und die Zahl der Passagiere vor Corona stark gestiegen sei. Dies führe zu längeren Haltezeiten an den Bahnhöfen. Die Frage sei, ob die SBB auf gewissen Linien die Fahrzeiten erhöhen müsse. «Der Fahrplan ist so zu konzipieren, dass es im Bahnsystem gewisse Puffer gibt.»
Auf gewissen Strecken hat die SBB bereits gehandelt. In Bern fährt der IC Richtung Zürich seit Dezember 2020 nicht mehr um xx.32 Uhr, sondern um xx.31 Uhr. Deswegen verpassen Pendler aus dem Umland ihren Anschluss nach Zürich, was für Proteste sorgte. Denn zu Spitzenzeiten drängen sich die Passagiere durch die engen Unter- und Überführungen, was für verlängerte Umsteigezeiten sorgt. «In Bern haben wir null Reserve», sagt Fattabert weiter zur Zeitung.
Auch auf der Strecke Bern-Zofingen-Luzern haben die SBB schon reagiert. Die Fahrzeit beträgt neu 61 statt 60 Minuten. «Wenn wir auf einer Strecke in der Lage sind, schneller zu fahren, geben wir den Zeitgewinn fortan nicht mehr in jedem Fall sofort an die Kunden weiter, sondern bauen diesen wo nötig als Reserve zuerst in den Fahrplan ein», kündigte der frühere SBB Chef Personenverkehr, Toni Häne, 2019 in einem watson-Interview an. Welche weiteren Strecken betroffen sind, ist noch unklar.
Die SBB können nicht beliebig Puffer in die Fahrpläne einbauen. Denn der Kern des Konzeptes Bahn 2000 sieht vor, dass die Reisezeit zwischen den Knoten Bern, Zürich, Basel, Luzern bei maximal einer Stunde liegt.
SBB-Chef Vincent Ducrot hat den SBB im Juli 2020 zwei Jahre Zeit gegeben, um wieder pünktlich zu werden. «Erste Massnahmen zeigen zwar Wirkung, doch das System ist träge», erklärt Fattebert weiter zur NZZ. So habe Ducrot angeordnet, die Baustellen auf der West-Ost-Achse zeitlich besser zu verteilen. Dies, um die Zahl der Langsamfahrstellen, die zu Verspätungen führen, zu reduzieren.
Doch wie die aktuellen Probleme zeigen, lassen sich die Pannen nicht mit kosmetischen Massnahmen lösen. Darum setzen die SBB auf verbesserte Konzepte beim Einsatz des Personals und den Zügen. Der oft getadelte Schüttelzug ist trotz Ausfällen kein Problem mehr: Die Zuverlässigkeit des FV-Dosto habe sich laufend verbessert, so Fatteberg weiter.
Moment, der Zug nach Zürich fährt nun eine Minute _später_, deshalb verpassen ihn nun Leute? Obwohl sie damit mehr Zeit für den Umstieg haben?
Nichtsdestotrotz ist der Taktfahrplan eine der grössten Pluspunkte im Schweizer Bahnsystem und im Grossen und Ganzen sehr zuverlässig.