580 Passagiere guckten am Sonntag in einem SBB-Intercity von Lugano nach Zürich buchstäblich in die Röhre. Mitten im 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel streikte der FV Dosto von Hersteller Alstom (früher Bombardier). Dem Lokführer gelang es, den Doppelstockzug zumindest bis zur Nothaltestelle unterhalb von Sedrun GR zu fahren. Dort war aber Schluss. Die Reisenden mussten in eine Ersatzkomposition wechseln und kamen mit mehreren Stunden Verspätung an ihren Zieldestinationen an.
Jetzt ist klar, warum der Doppelstöcker im Gotthardtunnel stecken blieb. Wie die SBB auf watson-Anfrage erklären, gab es eine Störung am Zugsicherungssystem ETCSII des FV Dosto. Dieses kontrolliert die Fahrt von Zügen in Abhängigkeit von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Dies war der erste Evakuierungs-Ernstfall seit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im Jahr 2016. «Für die Passagiere bestand zu keiner Zeit eine Gefahr», betont ein SBB-Sprecher.
Leser Marius Schneider schilderte chmedia die Evakuierung wie folgt: Passagiere seien Wagen für Wagen zum Umsteigen aufgefordert worden. «An und für sich hat das im Tunnel nicht viel anders ausgesehen als in einer U-Bahn-Station in London oder Paris», sagt Schneider. Er sei dann vielleicht hundert Meter vorwärtsgelaufen und links durch eine Querverbindung in die andere Tunnelröhre abgebogen.
Panik sei nie ausgebrochen, er habe sich stets sicher gefühlt. Das habe vor allem damit zu tun gehabt, wie die SBB in dieser Situation kommuniziert haben. «Es war jederzeit klar, was ist, wie es weitergeht. Vermutlich wäre es erst dann kritisch geworden, wenn es noch länger gedauert hätte», sagt Schneider beeindruckt. Vielleicht hätten einige Fahrgäste schon ein mulmiges Gefühl gehabt.
Evakuierungen aus den Eisenbahntunnels kommen relativ selten vor. Zuletzt strandete im September 2020 ein Eurocity im eben eröffneten Ceneri-Basistunnel. Damals dauerte es über zwei Stunden, die Passagiere aus dem defekten Giruno von Stadlerrail bis ans Tageslicht zu bringen.
Im April 2020 blieb ein Lötschberger-Zug der BLS im Simplontunnel stecken, nachdem er mit einem Blechteil kollidiert war. Es dauerte dreieinhalb Stunden, die Passagiere nach Brig zu transportieren.