Es gibt eine Zahl, die bürgerliche Politiker seit langem umtreibt: 2016 bezogen 346’000 Personen Sozialhilfe. 59 Prozent davon waren Ausländer. Dafür hätten die Bürger kein Verständnis, monieren Politiker von Rechts bis in die Mitte. Vor drei Jahren setzte der Nationalrat deshalb ein Ausrufezeichen: Er verlangte vom Bundesrat, dass Einwanderer nach ihrer Einreise für drei bis fünf Jahr von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden.
Der Ständerat sagte zwar Nein zu dieser Forderung, weil sie gegen die Verfassung verstösst. Aber er verlangte vom Bundesrat einen Bericht über die Möglichkeiten, wie die Sozialhilfe für Ausländer eingeschränkt werden kann. Dieser liegt nun vor. Und er zeigt, dass die Handlungsoptionen des Bundes beschränkt sind. Denn die Sozialhilfe ist erstens Sache der Kantone. Und zweitens sind Ausländer nicht gleich Ausländer. Je nach Kategorie unterscheiden sich die rechtlichen Grundlagen.
So beziehen 100’000 Ausländer mit einem Asylhintergrund Sozialhilfe. Nur: Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene oder anerkannte Flüchtlinge stehen unter dem Schutz der Flüchtlingskonvention. Bei den Einwanderern aus EU-/Efta-Staaten setzt das Freizügigkeitsabkommen mit der EU Grenzen. Bleiben Ausländer aus Drittstaaten: 59’000 von ihnen waren 2016 auf Sozialhilfe angewiesen. Sie stehen im Fokus der Politiker, die ein strengeres Regime aufziehen wollen.
Der bundesrätliche Bericht zeigt, dass das Risiko, Sozialhilfe zu beziehen, stark davon abhängt, aus welchen Gründen eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung erteilt worden ist. Wer hierher kommt, um zu arbeiten ist praktisch nie auf staatliche Unterstützung angewiesen. Überdurchschnittlich hoch ist das Sozialhilferisiko jedoch bei Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz gekommen sind. Bemerkenswert dabei: Das Sozialhilferisiko ist noch grösser, wenn die Drittstaatenangehörigen zu einem Schweizer Partner ziehen.
Der Bundesrat zeigt 20 Optionen auf, wie er den Zugang zur Sozialhilfe einschränken kann. Diese werden nun von einer Expertengruppe geprüft. Im November wird der Bundesrat über das weitere Vorgehen entscheiden. Ansetzen könnte der Bund etwa beim Aufenthaltsrecht. Er könnte zum Beispiel die Bedingungen für das Erteilen von Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligungen verschärfen, wenn ein Sozialhilfebezug besteht – respektive die Hürden senken, um solche Bewilligungen wieder zu entziehen.
Allerdings haben die Kantone schon heute die Möglichkeit, Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligungen zu entziehen. Sie agieren aber unterschiedlich. Die Ostschweizer Migrationsämter etwa haben sich darauf geeinigt, dass die Überprüfung einer Aufenthaltsbewilligung angezeigt sein kann, wenn ein Ausländer 25’000 Franken an Sozialhilfe bezogen hat; bei der Niederlassungsbewilligung ab 80’000 Franken. Andere Kantone wenden andere Schwellenwerte an.
Prüfen lässt der Bundesrat auch Integrationsvereinbarungen oder eine Verschärfung des Bürgerrechts. So könnte als zusätzliche Voraussetzung für den Schweizer Pass festgehalten werden, dass Kinder bis 16 Jahre nicht eingebürgert werden, wenn die Eltern Sozialhilfe beziehen.
Besonders pikant ist der Vorschlag, den Familiennachzug für Schweizer Staatsbürger einzuschränken. Es sollen die gleichen Regeln gelten wie für Personen mit einer Niederlassungsbewilligung. Der Familiennachzug für Schweizer würde ausgeschlossen, wenn ein Sozialhilfebezug besteht. Allerdings räumt der Bundesrat selbst ein, dass dabei das Völkerrecht, sprich der Schutz des Familienlebens, zu beachten ist. «Namentlich dürfte ins Gewicht fallen, dass es Schweizer Bürgern nur unter eng umschriebenen Voraussetzungen zugemutet werden kann, ihr Familienleben ausserhalb der Schweiz zu leben.»
Für SP-Nationalrat Cédric Wermuth zeigt nur schon die Prüfung dieser Option, «dass eben die dauernde Verschärfungsspirale am Ende auch Schweizer trifft». Der Aargauer hält die vom Bundesrat eingesetzte Arbeitsgruppe für absolut überflüssig. Er sieht die Lösung in der Integration von Ausländern — nicht in repressiven Massnahmen. Unzufrieden mit dem Bericht ist man auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums.
SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann spricht von einem «gewaltigen Problem», nur bringen die vorgeschlagenen Optionen nichts. Steinemann fordert in erster Linie, dass die kantonalen Migrationsämter beim Entzug von Bewilligungen strenger werden. Zudem soll das Bundesparlament den Spielraum der Gerichte in dieser Frage einschränken. Steinemann hätte nichts dagegen, wenn der Familiennachzug für Schweizer eingeschränkt würde. Allerdings fordert die Zürcher SVP-Politikerin auch die Verweigerung des Familiennachzugs für anerkannte Flüchtlinge, solange sie wirtschaftlich nicht unabhängig sind.
Probleme schaffen statt Lösungen zu bieten, das war ja schon immer die Taktik gewisser politischer Kreise.
Reden wir doch mal zuerst über die grundsätzlichen Probleme.