Der frühzeitig angekündigte Rücktritt von SP-Bundesrat Alain Berset auf das Ende der Legislatur war beste Wahlkampfhilfe für seine Partei. Während der Sommerpause wurde gewerweisst, wer denn nun kandidieren will und wer nicht. Fast niemand war sich zu schade, auf das Kandidierendenkarussel aufzuspringen. Und ab Anfang September gab es dann fast im Wochentakt eine Medienkonferenz, wo die fünf Herren und eine Dame ihre offizielle Kandidatur für die Berset-Nachfolge publik machten. Beste (Gratis-)Werbung kurz vor den eidgenössischen Wahlen.
Es mag Zufall sein oder auch nicht: Ausser in Basel-Stadt, wo die SP minim verlor, legte die Partei in allen Kantonen ihrer Bundesratsaspiranten zu. In Zürich (+3,8 Prozent), in Bern (+3.9), in der Waadt (+4.9) und in Graubünden (+0.7).
Den Schub der Bundesratswahlen will die SP nun auch noch für die zweiten Wahlgänge im Ständerat mitnehmen. Vier öffentliche Hearings führt die Partei mit ihren sechs Kandidierenden durch. Drei der vier Veranstaltungen finden in Kantonen statt, wo die SP noch um einen Ständeratssitz kämpft.
Wie in Genf, wo der Bisherige SP-Ständerat Carlo Sommaruga gemeinsam mit Lisa Mazzone (Grüne) im zweiten Wahlkampf den Sitz gegen das bürgerliche Doppel bestehend aus Mauro Poggia (MCG) und Céline Amaudruz (SVP) verteidigen muss.
Sechs Kandidierende wollen die Nachfolgen von Alain Berset antreten. Am 25. November wird die SP-Fraktion bestimmen, wer auf das offizielle Bundesratsticket kommt und der Bundesversammlung zur Wahl vorgeschlagen wird. Diese findet am 13. Dezember statt. Noch ist unklar, ob die Partei ein 2er oder 3er Ticket macht - auch dies wird die Fraktion entscheiden. Die Kandidierenden haben unterschiedliche Präferenzen und lobbyieren entsprechend hinter den Kulissen.
Doch wie verlief nun also das erste öffentlichen Rencontre in Genf? Wie die Kandidierenden punkteten:
Der Berner 55-jährige Nationalrat kämpft mit dem Ruf, in Bern kein Schwergewicht zu sein, dafür ein «Sunnyboy». Aebischer nahms gelassen. Er sei zwar kein Schwergewicht, aber auch kein Leichtgewicht, sondern ein Mittelgewicht. Das habe aber auch damit zu tun, sagte der ehemalige TV-Moderator, dass er als Quereinsteiger nicht in die wichtigsten Parlamentskommissionen kam – wie die Wirtschafts- oder Sozialkommission.
Wohl wegen seiner Fernsehvergangenheit betonte er, dass er aus einer SP-Familie kommt. Schon die Grosseltern waren Gewerkschafter - und das im bernischen SVP-Land Schwarzenburg. Aebischer verkauft sich auch als jemand, der überparteilich arbeiten kann. Wie beim Kita-Gesetz.
Die 45-jährige Berner Regierungsrätin sieht einen ihrer Trümpfe in ihrer Herkunft: Seit 30 Jahren lebt sie in der Stadt Bern. Und urbane Vertreter sind im Bundesrat rar, wie wir wissen. Allemann verwies auf ihre Erfolge als Berner Regierungsrätin. So konnte sie die Prämienverbilligungen erhöhen um 30 Millionen Franken.
Ein weiteres Steckenpferd ist die Raumplanung. Sie haben den Klimaschutz im Richtplan verankert. Wie die übrigen Bundesratsaspiranten setzt sie sich für gute Beziehungen zur EU ein. Dafür brauche es ein breit abgestütztes Verhandlungsmandat.
«Am Küchentisch habe ich gelernt, was Kaufkraft ist», sagte der 59-jährige Balser Regierungsrat zu Beginn. Er betonte, dass er aus einer Arbeiterfamilie kommt und die soziale Gerechtigkeit der Antrieb seiner Politik ist. Jans schaffte es, bei allen Fragen einen Bezug zu seinem Allltag zu schaffen.
Etwa, wie er seine zwei Töchter in einem Multikulti-Quartier aufgezogen hat - und also auch die Probleme von grossen Städten kennt, die er einbringen will. Spontanapplaus gab es für Jans, als er betonte, der Fokus dürfe nicht auf den Kosten im Gesundheitswesen geben, sondern bei der Finanzierung, die sozialer sein müssen
Der 58-jährige Zürcher Ständerat ist so etwas wie der Outsider in der Runde. Beliebt bei den Wählern, aber nicht in der eigenen Partei. Und sagte er: «Ich habe Fehler gemacht». Denn Jositsch wollte eigentlich schon Nachfolgern von Simonetta Sommaruga werden, doch die Parteileitung wollte nur Frauen zu lassen. Jositsch Beziehung zur SP-Fraktion ist also gelinde gesagt kompliziert.
Dass er es auf das Ticket schafft, glaubt kaum jemand. Und wohl deshalb betonte der gewiefte Politiker, dass als SP-Bundesrat die Beziehung zur eigenen Fraktion besonders wichtig se. Weil man als SPler in der Regierung stets in der Minderheit ist.
Der 50-jährige SP-Nationalrat und ehemalige Fraktionschef bringt am meisten Erfahrung mit im Bundesrat. Er selbst sprach davon, dass er zwei Leben hatte: Eines als Sachpolitiker, wo er unter anderem am Atomausstieg mitarbeitete, und eines als Generalist an der Spitze der Fraktion. Nordmann hatte den Vorteil, als einziger Welscher auf dem Podium zu sein.
Er sprach nicht nur von seinen Erfolgen im Parlament sondern auch von den Herausforderungen. Ein bisschen liest es sich wie ein Regierungsprogramm: Fachkräftemangel, Kostenanstieg im Gesundheitswesen und die Beziehung zu Europa. Nordmann ist ein Schnelldenker und so beantwortete er Bernasconis Fragen schon bevor sie gestellt waren.
Der Rätoromane ist mit 39 Jahren der Benjamin in der Runde der Bundesratsaspiranten. Er sieht seinen Vorteil darin, dass er die «Vision der Jungen» in den Bundesrat einbringen kann. Pult profilierte sich in seinen Wortmeldungen als starker Verfechter des Service Public.
Egal ob es um den Güterverkehr auf der Schiene ging oder die Initiative zur Halbierung der Serafe-Gebühr und die Zukunft der SRG. Selbst aus der Digitalisierung machte er eine Service-Public-Frage: Die Post müsse eine wichtige Rolle bei der Digitalisierung spielen und in diesem Bereich investieren.
Aus dem Publikum kam schliesslich die Frage, wie sich die Kandidaten als Bundesrat in der Palästinenserfrage positionieren würden. Pult nahm den Ball auf. Die Lage sei kompliziert doch eines sei klar: Die Schweiz müsse immer Anwältin des Völkerrechts sein. Dafür gab es Applaus. Das Thema war damit beendet. Das passte zum Abend: Es war ein nettes Geplauder unter Freunden.
- Aebischer zu glatt, zuviel TV, kaum Erfahrung. Guter Typ aber exekutiv? Nein.
- Allemann exekutiv ok. Leistungsausweis 30 Mio. ausgeben, die nicht vorhanden sind. Zudem wäre doch ein Mann dran. Nein. Und Berner sind genug im BR seit 2000.
- Jans exekutiv gut, vertritt endlich die City (sage ich als Landei). Tiptop.
- Jositsch etwas verbissen aber vernünftig, lösungsorientiert und parteiübergreifend. ok
- Nordmann nein danke, Vollblutparlamentarier seit Urzeiten.
- Pult nein danke. Rhetorisch Weltklasse aber sonst? Ich seh da wenig Fleisch.
Ich hoffe sehr, Jans macht's!