Schweiz
SP

Corona Schweiz: Berset wurde schon im August vor zweiter Welle gewarnt

Bundesrat Alain Berset spricht an einer Medienkonferenz zu Covid 19 Massnahmen, am Mittwoch, 27. Januar 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Gesundheitsminister Alain Berset.Bild: keystone

Von der 2. Welle überrascht? Dokument zeigt, dass das BAG Berset schon im August warnte

15.02.2021, 07:1615.02.2021, 12:45
Mehr «Schweiz»

Um was geht's?

Der Bundesrat wurde von der zweiten Welle überrascht, die sich im September in der Schweiz aufbaute. So hiess es jedenfalls gemeinhin. Noch im Dezember sagte Gesundheitsminister Alain Berset in der SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie», sein grösster Fehler sei gewesen, dass er im Sommer zu optimistisch war.

Die Grossveranstaltungen hätten nicht erlaubt werden dürfen. Zu seiner Entschuldigung sagt Berset: «Wir haben immer aufgrund der Informationen entschieden, die wir im Moment hatten. Was wahr ist an einem Tag, kann schon am nächsten falsch sein. Das ist das Merkmal einer Krise.»

Nun zeigt aber ein vertrauliches Dokument von Anfang August, dass Berset klare Warnungen von Experten aus seinem Bundesamt für Gesundheit ignorierte. Der Tagesanzeiger erkämpfte sich Zugang zum Dokument, Bersets Departement wollte es zuerst nicht freigeben.

Begründung: Das Dokument sei «nicht über ein Entwurfsstadium, das vom Generalsekretariat genehmigt wurde, hinaus gekommen und dem Bundesrat schliesslich auch nicht vorgelegt.» Der BAG-Rechtsdienst lenkte aber schlussendlich ein.

Was steht im Papier?

Das Dokument stammt aus der Feder der BAG-Arbeitsgruppe «Strategie», die Vorbereitungen auf eine allfällige zweite Welle treffen sollte. Die steigenden Zahlen erweckten anscheinend das Misstrauen der Arbeitsgruppe, und so wird am 6. August im Papier festgehalten:

«Nachdem sich die Covid-19-Fallzahlen lange auf niedrigem Niveau bewegten, lässt sich seit Mitte Juni eine Trendwende mit kontinuierlich ansteigenden Fallzahlen feststellen.»

Zusammen mit dem Anstieg der Positivitätsrate: «Ein klares Signal für eine epidemische Trendwende» – nur eine Frage der Zeit, bis auch die Anzahl der Todesfälle ansteigen würde. Die Bilanz:

«Entsprechend gilt es als höchste Priorität, die Anzahl der täglichen Neuinfektionen schnellstmöglich zu reduzieren und auf einem tiefen Niveau zu stabilisieren, um das Auftreten einer zweiten Epidemiewelle zu verhindern.»

Einen Tag später lässt die Arbeitsgruppe laut Tagi im Protokoll ergänzen:

«Die AG Strategie weist darauf hin, dass aus ihrer Sicht eine sofortige Anpassung der nationalen Begleitmassnahmen erforderlich ist, um die Fallzahlen zu stabilisieren und einen weiteren Anstieg zu verhindern. Zusätzlich gibt sie zu bedenken, dass bei einem zusätzlichen Anstieg eine Anpassung der Basismassnahmen nicht mehr ausreichend sein wird, um die Fallzahlen zu kontrollieren (…).»

>> Coronavirus: Alle News im Liveticker

Was passierte damit?

Schlussendlich nicht viel. Anscheinend kam es am Abend des 10. Augusts zu einem Treffen zwischen Berset und der Arbeitsgruppe Strategie. Was genau besprochen wurde, ist nicht klar. Es existieren laut Bersets Sprecherin keine Protokolle, schreibt der «Tagi» weiter.

Was man weiss: Gebracht hat das Treffen nichts, zwei Tage später – am 12. August – beschloss der Bundesrat, dass Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen ab Oktober wieder zugelassen werden.

Das Papier erreichte den Bundesrat nicht. Zwar heisst es von Bersets Sprecherin, dass dieser wie «an fast jeder Sitzung schriftlich über die aktuelle Lagebeurteilung informiert» werde. Gemäss Lagebeurteilung wird die Warnung der Arbeitsgruppe aber nicht erwähnt.

Ebenso blieb die Bevölkerung im Unwissen: Berset sagte am Abend des 12. Augusts in der SRF-Sendung «10 vor 10»: «Im Moment haben wir die Kontrolle über die epidemiologische Situation.»

Die Arbeitsgruppe Strategie nahm den Entscheid des Bundesrats «zur Kenntnis» – an einer Sitzung in der Folgewoche fragte sie nach, «ob das aktuell gültige Oberziel noch immer darin besteht, eine zweite Welle zu verhindern.» (jaw)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So sieht die Luzerner Fasnacht 2021 aus
1 / 14
So sieht die Luzerner Fasnacht 2021 aus
Schmutziger Donnerstag, 2021: Ein Fasnächtler am Rande des Kapellplatz in der Altstadt von Luzern.
quelle: keystone / urs flueeler
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Ohne Maske und Abstand: In Neuseeland feiern sie wieder Partys
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
55 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Staedy
15.02.2021 08:01registriert Oktober 2017
Überrascht? Aber hört doch auf mit diesen Nachbetrachtungen, sie helfen aktuell einfach gar nichts. Würde das BAG heute Berset über die bevor stehende 3. Welle informieren und er am Mittwoch den Bundesrat mit den Vorschlag für entsprechende härtere Massnahmen, wie wäre wohl die Reaktion? Dies ist viel eher das Problem. Die teils immer noch vorhandene Verweigerungshaltung bei den verantwortlichen Gesamtgremien.
35848
Melden
Zum Kommentar
avatar
Spüdlifalt
15.02.2021 08:37registriert September 2019
Die ganze Zeit von allen Seiten her Druck ausüben und sich dann über «Fehler» wundern. Ist halt auch nur eine feige Taktik…
22122
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bär51
15.02.2021 07:47registriert Juni 2019
Und wie sieht es jetzt aus? Die Taskforce warnt vor der dritten Welle durch das mutierte Virus, die Zahlen sinken zwar insgesamt, und doch bahnt sich die Wende für Anfang März schon an. Einige Bundesräte haben offenbar dazugelernt - aber der Druck von Wirtschaft und "Ungläubigen" wid ihn zum Kippen bringen und die dritte Welle startet. Zum Leidwesen aller!
22257
Melden
Zum Kommentar
55
Gesundheitskosten 2022 erneut stark gestiegen – das sind die 9 wichtigsten Grafiken
Im Jahr 2022 nahmen die Gesundheitskosten gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Prozent zu. Dieser Anstieg fällt weniger stark aus als in den letzten fünf Jahren, dennoch betragen die Ausgaben erstmals über 90 Milliarden Franken.

2022 stiegen die Kosten des Gesundheitswesens im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Milliarden auf 91,5 Milliarden Franken an. Der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandprodukt (BIP) zu laufenden Preisen verringerte sich gegenüber 2021 leicht von 12,0 Prozent auf 11,7 Prozent im Jahr 2022. Dies geht aus den neusten Zahlen der Statistik «Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens» des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.

Zur Story