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Er hat 2324 Gemeinden abgeradelt, er hat knapp 11'000 Kilometer hinter sich gebracht – und ist nun am Ende: watson-Sportchef Reto Fehr ist erster und einsamer Finisher der Tour dur d'Schwiiz.
Fertig.
Posted by Tour dur d'Schwiiz mit Reto Fehr on Sunday, October 25, 2015
Und nun? Leidet er nächste Woche an Velo-Entzug? Hat er mit seiner Tortur am Rad der Geschichte gedreht? Wer hat wohl seine miefigen Klamotten gewaschen, in die er den lieben langen Tag hineinschwitzt? Wir haken beim eigenen Kollegen nach.
watson: Hättest du dir jemals träumen lassen, dass du dich mal so auf einen trockenen, breiten, warmen Bürostuhl freuen würdest?
Reto Fehr: Niemals. Lange hatte ich diesen auch nicht vermisst. Aber als das Wetter kälter wurde, dachte ich immer öfter, wie schön es dann sein wird, wenn ich wieder im warmen Büro sitzen kann und mich nicht mehr über eiskalte Füsse und verrutschte Heizbeutel in den Schuhen ärgern muss.
Und wenn wir schon dabei sind: Hättest du dir träumen lassen, dass du mal derart oft auf deinen Hintern, dessen Muskeln und deren Kater angesprochen wirst?
Überhaupt nicht. Manchmal war es fast bisschen hart, auf den Hintern reduziert zu werden. Ich verstehe jetzt alle Frauen, die ... ach, egal.
Nun gut, etwaige Probleme mit dem Allerwertesten liegen hinter dir. Bist du überhaupt noch stubenrein? Auf was am häuslichen Alltag freust du dich am meisten?
Auf das Nichtstun. Endlich mal wieder ausschlafen. Frei haben. Einfach irgendwann kurz vor dem Mittag aufstehen, mich aufs Sofa schleppen und den ganzen Tag dort verbringen. Das werde ich ab Montag mindestens zwei Tage machen. Auf diesen Moment freue ich mich schon seit Wochen.
Es muss bei einer Ochsentour von knapp 11'000 Kilometern Länge Momente gegeben haben, in denen du dich dafür verflucht hast, diese Nummer durchzuziehen ...
Erstaunlicherweise kaum. Vielleicht die wenigen Male, als ich so richtig verschifft wurde und es dazu noch eiskalt war. Aber wenn du dann am Abend angekommen bist, warm geduscht und was gegessen hast, war alles wieder vergessen.
Was hat dich durchhalten lassen?
Ich glaube, es ist einfach eine Kopfsache. Wir wissen gar nicht, wie weit wir unsere Grenzen noch hinausschieben können, wenn wir wollen. Ich hab' mir im Sommer gesagt: Jetzt fährst du durch die Schweiz. Und dann hab' ich einfach mal angefangen und mir vorgenommen nicht gleich bei der ersten Hürde aufzugeben, sondern mindestens die ersten zehn zu nehmen und dann mal weiterschauen.
Du hattest gut 100 verschiedene Begleiter auf deinen 95 Etappen. Was waren das für Menschen? Gibt es eine Art «Homo Velo», oder waren die Leute ganz unterschiedlich?
Einen «Homo Velo» gibt es, glaube ich, nicht. Aber es war faszinierend, zu sehen, wie schnell man sich mit völlig fremden Menschen versteht, wenn man ein gemeinsames Interesse hat. Es waren ganz unterschiedliche und alles sehr positive Begegnungen.
Wo waren die Bewohner am freundlichsten?
Ich habe jetzt eigentlich vier Monate lang fast täglich gestaunt, wie freundlich die Schweizer Bewohner sind. Alle waren hilfsbereit, zuvorkommend und offen. Ich habe nicht eine schlechte Erfahrung gemacht. Egal ob im Wallis, Thurgau oder Genf. Selbst die Basler haben mich als Zürcher herzlich behandelt ;-).
Andere Menschen sind dir via Twitter und Facebook gefolgt: Wie viele Tweets hast du abgesetzt, wie viele Facebook-Einträge gemacht?
Ich hab's noch nicht gezählt. Aber das mach' ich noch. Tweets würde ich auf fast 3'000 schätzen, Facebook-Posts waren's wohl etwa 300.
Wie hast du dich ernährt? Du musst hierfür ja einen Plan gehabt haben?
Pläne sind nicht so mein Ding. Ich hab' einfach alles reingehauen, was geht. So viele Kalorien, wie ich verbrauchte, konnte ich jedoch gar nicht essen. Wichtig war ein gutes Frühstück, unterwegs dann eher kleine Sachen wie Biberli, Bananen oder diverse Energy-Riegel und -Gels. Zum Znacht wieder viel. Sehr viel. Hier habe ich das ein bisschen genauer beschrieben.
Wie viel Kilo hast du dabei auf den Strassen gelassen?
Fast keines. Ich habe nur rund drei Kilo abgenommen.
Was macht dich an dem Erreichten am meisten stolz?
Dass ich es versucht habe. Da waren so viele Zweifel. So viele Leute, die mich auslachten und sagten, ich schaffe das eh nicht. Aber manchmal muss man einfach mal anfangen.
Zwei Fragen, um die du nicht herumkommst: Welche sind für dich die drei schönsten Gemeinden gewesen und welche die drei nicht-so-schönsten?
Die Frage wurde mir immer wieder gestellt. Aber ich kann sie nicht beantworten. Es gibt kein «Schönstes» oder «Nicht-so-schönstes». Für dich mache ich eine Ausnahme: Wald ZH im Zürcher Oberland ist am allerschönsten ;-).
Es muss doch etwas hinter Wald ZH im Zürcher Oberland geben!!!
Ich habe während den letzten Monaten eine lange Liste angelegt mit Orten, die ich nochmals besuchen will, wenn ich wirklich auch Zeit habe. Mir ist einfach bewusst geworden, dass wir in einem unfassbar schönen Land wohnen, in welchem es so viele (unbekannte) Ecken gibt, die es zu entdecken gibt. Am besten, man gönnt sich einfach mal ein Wochenende in einer unbekannten Region – die meisten schönen Orte findet man ja eh nicht in Reiseführern.
Kollege, uns ist aufgefallen, dass du auf allen Bildern grinst. Hand aufs Herz und auf die Leber: Warst du gedopt?
Natürlich nicht. Meist fiel mir das leicht, aber manchmal war es fast das Anstrengendste des Tages. Meine Frau sagte mal, es wäre lustig zu filmen, wie ich abgekämpft am Ortsschild ankomme, eine halbe Sekunde grinse, fötele und dann wieder abgekämpft weiterradle.
Und nun? Willst du im Winter alle Seen durchschwimmen? Oder mal alle Gemeinden durchwandern? Bist du jetzt süchtig nach Rekorden? Was bringt die Zukunft?
Nein, süchtig auf keinen Fall. Gross geplant ist nichts. Zusammen mit meiner Frau habe ich im Januar eine Einladung mit dem Tandem am Snow Bike Festival – einem Fatbike-Rennen in Gstaad – teilzunehmen. Wir fahren weder Tandem noch Fatbike, lustig wird's also auf jeden Fall.
Jetzt haben wir gar nicht mehr darüber gesprochen, wer eigentlich deine dreckige Wäsche wäscht ...
Nina. Die beste Frau der Welt.
(phi)
Du hast es geschafft! Ich gratuliere Dir von Herzen. Jetzt hast Du das Nichtstun redlich verdient! Geniesse die Zeit.
Alles Gute und liebe Grüsse