Kurdistan, Sansibar oder Tibet sind keine eigenständigen Staaten – aber auch dort spielen Menschen Fussball. Weil unter dem Dach der FIFA kein Platz für regionale Teams ist, hat sich die CONIFA ihrer angenommen – und diese «CONfederation of Independent Football Association» lädt nun zur Weltmeisterschaft der unabhängigen Fussballverbände.
Wie schon beim ersten Turnier im kurdischen Teil des Iraks sind auch diesmal wieder Schweizer am Start: Raetia vertritt die Eidgenossenschaft beim Stelldichein in Abchasien. Gut, eigentlich vertritt die Fussballauswahl (FA) ja die Menschen in Rätien – aber in diesem Fall sind wir wohl alle ausnahmsweise Bündner.
Der Austragungsort der WM: die Republik Abchasien, die völkerrechtlich zu Georgien gehört, aber wegen zweier Kriege nicht gut auf Georgien zu sprechen ist. Dass sie sich auf heikles Terrain begeben, haben die Kicker von der FA Reatia bereits zu spüren bekommen, erzählt uns Präsident Yacine Azzouz: Die Anmeldung der Schweizer hat prompt zu einer diplomatischen Intervention geführt. Der Grund: Die Einreise nach Abchasien über die russische Grenze ist nach georgischem Recht illegal.
«Der georgische Botschafter hat das EDA kontaktiert», erklärt Azzouz. «Das EDA hat wiederum das Bundesamt für Sport informiert. Die haben mir ein Mail geschickt – und die Bündner Regierung CC genommen. Ich habe zurückgefragt: ‹Wie soll ich damit umgehen?› Und diese haben sinngemäss geantwortet: ‹Wir leiten ihnen das von den Georgiern weiter.›» Helvetia – korrekt wie immer: «Ich denke, in anderen Ländern landet sowas wohl im Papierkorb. Aber in der Schweiz wird sowas pflichtbewusst weitergereicht.»
Doch damit nicht genug: «Dann hat mich noch das Bündner Sportamt auf dem Natel angerufen. Ich weiss nicht, woher die meine Nummer haben.» Die Behörde informierte Azzouz über den rechtlichen Rahmen: Diplomaten können nicht helfen, wenn in Abchasien etwas passieren sollte. Wirklich freundlich, diese diplomatische Warnung!
Und wie kommen seine Kicker nun zum Turnier? «Über Georgien einreisen geht nicht», verdeutlicht der FA-Raetia-Präsident. «Ich denke aber, dass wir einen Weg finden werden, der ganz legal ist.» Den ersten Match bestreiten die Bündner am 30. Mai. Der Gegner: die Roma. Zwei Tage später steigt das Duell gegen Nordzypern.
Die Situation in der Region sei anders als in der Ukraine, führt Azzouz aus: «Die Abchasen sind weder Russen noch Georgier, sondern ein eigenständiges Volk.»
Für die autonome Republik ist das Turnier eine seltene Gelegenheit, sich zu zeigen. «Der Ministerpräsident ist Schirmherr der ganzen Veranstaltung», berichtet der FA-Raetia-Präsident. «Die Erfahrungen in Kurdistan haben gezeigt, dass sich die Ausrichter viel Mühe geben, gute Gastgeber zu sein.» Das zeigt sich nicht zuletzt in der Freizeitgestaltung: «An den spielfreien Tagen werden Besichtigungstouren angeboten. Etwa zu Stalins Datscha.»
Die Schweizer gehen aber nicht unbedarft auf die ungewöhnliche Reise. «Wir haben einen Fachmann, der prüft, gegen wen wir spielen: Ein Ethiker schaut sich die historischen Hintergründe an und prüft alles», versichert Azzouz. Hat sein FA Raetia schon mal aus ethischen Gründen ein Spiel abgesagt?
«Nein. Man muss dabei auch bedenken, dass, wenn man sowas absagt, man sich auch auf eine Seite schlägt.»
Es ist also schon irgendwo vermintes Terrain, auf dem die Kicker spielen. Bleibt zu hoffen, dass allein das Sportliche beim Turnier für Schlagzeilen sorgt – und die Politik ins Abseits stellt.