Eine letzte Runde noch, dann ist diese denkwürdige Fussball-Saison in der Schweiz vorbei. Was bleibt? Der Alleingang von YB? Das Gerangel um das Präsidium beim FC Basel? Der Niedergang von Sion? Die Ausgeglichenheit der Liga im Allgemeinen? Wohl von allem ein bisschen. Vor allem aber: Der Kampf der Klubs ums Überleben. Die Tristesse auf den Rängen. Die Spiele ohne Zuschauer.
Seit das Coronavirus hierzulande angekommen ist, prägt es den Schweizer Fussball. Für die Fans ist nichts mehr wie zuvor. Der Stadionbesuch ist verboten. Der einzige Ausweg: das Fernsehen. Wie aber haben sich die TV-Zahlen entwickelt während dieser Corona-Saison?
SRF überträgt pro Runde ein Live-Spiel, 36 pro Saison. Auf Anfrage von CH Media schreibt SRF: «Bei den Super-League-Übertragungen lassen sich vergleichsweise saubere Vergleiche anstellen, weil sie sowohl vor als auch während der Coronapandemie einen fixen Sendeplatz im SRF-Programm hatten.» Nämlich am Sonntagnachmittag um 16:00 Uhr.
Um eine möglichst grosse Vergleichbarkeit zu gewährleisten, hat SRF die TV-Zuschauerzahlen zwischen September und Februar in den beiden Saisons 2019/20 (also vor Corona) und 2020/21 (also während Corona) untersucht. Es handelte sich dabei um 14 bzw. 15 Spiele. Das Ergebnis ist deutlich: Das TV-Interesse am Schweizer Fussball ist auf dem Sendeplatz am Sonntag um 27.4 Prozent gesunken. Während in der letzten Saison vor dem Lockdown noch durchschnittlich 168'000 Zuschauer die Spiele verfolgten, sind es im Vergleichszeitraum der Geister-Saison nur noch 122'000.
Warum ist das so? Und wäre es nicht zu erwarten gewesen, dass in einer Zeit, wo so vieles verboten ist, die Lust, wenigstens Fussball am TV schauen zu können, grösser ist als früher? Susan Schwaller ist Chefredaktorin von SRF Sport. Sie sagt: «Für mich sind die Ergebnisse im betrachteten Saisonabschnitt nachvollziehbar. Klar, im Lockdown hat der Sport den Menschen gefehlt. Aber je länger die Pandemie dauerte, desto mehr sind andere Bedürfnisse in den Vordergrund gerückt. Hinzu kommt, dass die Atmosphäre eines Fussballspiels fehlte - auch im Fernsehen.»
Zwar hatte sich YB im untersuchten Zeitraum noch nicht so deutlich abgesetzt wie nun zum Ende der Meisterschaft. Die Tendenz war aber bereits erkennbar. Und es zeichnete sich ab, dass ein echter Herausforderer an der Spitze wie es St.Gallen in der letzten Saison war, fehlen würde.
Vielleicht hat der eine oder andere Fussball-Fan in der Zeit der verbotenen Stadionbesuche auch ein Abo bei «Blue» gelöst, dem Pay-TV-Sender, der die Rechte für alle Schweizer Super-League-Spiele innehat. Schliesslich war das die einzige Möglichkeit, verlässlich die Partien «seines» Vereins zu schauen. Auf Anfrage heisst es bei «Blue»: «Entgegen der Tendenz bei SRF beobachten wir einen positiven Trend - aber wie immer veröffentlichen wir keine Pay-TV-Zahlen.»
Ueli Mäder ist pensionierter Soziologe an der Universität Basel. Er sagt:
Stattdessen umweht den Fussball in Corona-Zeiten etwas Trostloses. Weil er nicht mehr so ist, wie man sich das gewohnt ist. Und sich darum einige Fussball-Interessierte, die sich aber nicht gleich als eingefleischte Fans bezeichnen würden, anderen Aktivitäten zuwenden.
Auffallend an den SRF-Zahlen ist: Seit dem Ausbruch der Pandemie stossen im Sport die Ski-Übertragungen mit grossem Abstand auf das meiste Interesse. 24 von den 27 meistgeschauten Sport-Sendungen sind Skirennen. Erst auf Rang 17 findet sich ein Fussball-Spiel. Die Ski-Zahlen sind sogar noch besser als vor der Pandemie. Ein Grund dafür dürfte sein, dass das TV-Erlebnis eines Skirennens aufgrund der fehlenden Zuschauer vor Ort nicht wirklich beeinträchtigt ist. Im Fussball ist das ganz anders.
Claudius Schäfer, der Chef der Swiss Football League, räumt ein:
Er gibt jedoch zu bedenken, dass das junge und urbane Publikum des Fussballs sich je länger je mehr via Handy oder Streams einschaltet - und nicht mehr herkömmlich via TV. Diese Zugriffe werden nicht zu den TV-Zuschauerzahlen hinzugerechnet. Und Schäfer ist auch bezüglich der Zukunft zuversichtlich. «Wir müssen schauen, dass wir jene Leute, die eine gewisse Fussball-Müdigkeit feststellten, zurückholen können. Doch ich denke, die Aussichten stimmen zuversichtlich. Das zeigt schon alleine, wie gross das Interesse bei verschiedenen Klubs für Jahreskarten ist.» YB hat beispielsweise bereits über 15'000 verkauft, der FCSG über 8'000.
Während die Super-League-Saison Ende dieser Woche zu Ende ist, rückt die Fussball Europameisterschaft immer näher. Obschon immer mehr Menschen geimpft sind, müssen wir davon ausgehen, für einmal eine EM ohne Public Viewings und kollektive Partys zu erleben. Entsprechend dezent ist die Vorfreude in der breiten Bevölkerung. SRF-Sport-Chefredaktorin Susan Schwaller gibt indes zu bedenken: «Auch in normalen Jahren herrscht ein Monat vor Turnierbeginn kaum Vorfreude.» Sie hat mit ihrem Team die Erfahrung gemacht, dass eine EM bei den Zuschauern erst etwa eine Woche vor Beginn ins Bewusstsein rückt.
Auch dass wieder Fans zugelassen sein werden - die Stadien werden zwischen 25 und 50 Prozent ausgelastet sein - stimmt sie optimistisch. «Es ist gut möglich, dass die EM der erste Sportanlass seit Ausbruch des Coronavirus ist, der wieder in Richtung Normalität zielt.» (aargauerzeitung.ch)