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Es ist EM – und die Schweiz diskutiert vor allem über Sascha Ruefer

Verband will ihn weghaben – Sascha Ruefer spaltet an der EM wieder die Gemüter

Sascha Ruefer polarisiert. An der EM bisher mehr als alles andere. Die einen verehren den Nati-Kommentator, die anderen würden ihn lieber heute als morgen ersetzen. Zu letzteren gehört offenbar auch der Schweizer Fussballverband.
19.06.2024, 05:1619.06.2024, 12:32
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Die Schweiz besiegt zum EM-Auftakt Ungarn in überzeugender Manier. Eine absolut dominante erste Halbzeit, sowohl physisch als auch mental zu hundert Prozent auf Höhe der Aufgabe, sogar die viel gescholtene Offensivabteilung liefert ab.

Sascha Ruefer, Swiss sports moderator for the Swiss TV SRF, looks on prior to the 2018 Fifa World Cup Russia group B qualification soccer match between Switzerland and Hungary in the St. Jakob-Park st ...
Der Schweizer Fussballverband wollte den langjährigen Kommentator offenbar absetzen lassen.Bild: KEYSTONE

Und in der zweiten Halbzeit, als der Schweiz kurzzeitig das Zepter aus der Hand gerissen zu werden droht, dreht Trainer Murat Yakin (erneut) an den richtigen Stellschrauben. Und die Routiniers um Xhaka, Sommer und Co. auf dem Platz reagieren ebenso mit einer beeindruckenden Souveränität, welche das kurzzeitige Aufbegehren der Ungarn zu einem im Endeffekt lauen Lüftchen verkommen lässt.

Es scheint die Sonne im Fussballland Schweiz nach dem Auftakt, es gibt neben der fussballerischen 1A-Leistung auch keine kontroversen Nebengeräusche wie Doppeladler-Jubel oder Coiffeur-Besuche zu diskutieren.

Worüber also sollen die Medien anno 2024 schreiben und die Fans debattieren? Die Antwort liegt nahe: über jenen Mann, der seit 2008 immer mit dabei ist, wenn die Nati spielt. Jenen Mann, der stets von einer Prise Polarisierung begleitet wird. Sei es, und es gibt hier eine Menge Perspektiven, wegen seiner Überschwänglichkeit, seiner Emotionalität, seiner klaren Meinung oder seiner nervtötenden Art.

Letztere Perspektive teilt Mitte-Chef Gerhard Pfister, der sich nach dem Ende der Bürgenstock-Konferenz wieder auf die wesentlichen Dinge, die die Welt, oder zumindest die Schweiz, bewegen, konzentriert. In einem X-Post erklärt der Zuger Politiker, dass Ruefers «Gebrüll-Performance» zum EM-Auftakt gegen Ungarn zur «Fahnenflucht zu ARD/ZDF motiviert».

Pfister erhält auf seinen Tweet jede Menge Reaktionen (weit mehr als zu jeder seiner Stellungnahmen zur Bürgenstock-Konferenz). Verteidiger von Ruefer und Befürworter der Kritik halten sich in etwa die Waage.

Wie sehr Ruefer die Meinungen im Land spaltet, verdeutlicht eine Umfrage des Tagesanzeigers. Die über 6000 Teilnehmenden teilen sich ziemlich präzise in drei Drittel: 35 Prozent geben an, Ruefers Emotionalität zu lieben, 30 Prozent finden ihn unerträglich und die weiteren 35 Prozent beides, je nach Situation.

Zu jenen, die ihn unerträglich finden, scheint indes auch der Schweizerische Fussballverband (SFV) zu gehören. Wie CH Media aus «zuverlässigen Informationen» weiss, ist Ruefer den Verbandsfunktionären seit längerem ein Dorn im Auge. Insidern zufolge stören sich die SFV-Leute daran, dass Ruefer kein bisschen davor zurückschreckt, Verband und Mannschaft zu kritisieren, wann immer er Anlass dazu sieht.

Besonders sauer aufgestossen sein soll den SFV-Leuten, als Ruefer dem Verband Planlosigkeit unterstellte, unter anderem im Zusammenhang mit der Vertragssituation von Trainer Yakin. Die SFV-Funktionäre scheint auch nicht milde zu stimmen, dass Ruefer bei starken Leistungen der Nati ebenso wenig mit Lob geizt.

Die Abneigung gegenüber dem langjährigen Kommentator im Verband ist mittlerweile offenbar so gross, dass dieser beim SRF intervenierte und die Absetzung von Ruefer forderte – oder zumindest eine Verkleinerung seiner Rolle: Er solle das «Deutungsmonopol über die Nati» verlieren, so der Wunsch des Fussballverbands, berichtet CH Media unter Berufung auf Insider.

Ein Putschversuch gegen den TV-Kommentator, der das Team seit 16 Jahren begleitet? Wenn es mal keine Vogel-Jubelgesten, Friseur-Besuche oder ungenügende Leistungen zu diskutieren gibt, muss halt der ewig umstrittene Sascha Ruefer herhalten. Wirklich überraschend ist das nicht.

Nachgekommen ist das SRF dem Wunsch nicht. Sascha Ruefer kommentiert und wird weiter die Nati kommentieren. Bis mindestens zur WM 2026. Und geht es nach ihm, dann bleibt er bis zur Euro 2032 hinter dem Mikrofon bei Nati-Spielen. «Die Freude, die Begeisterung sind noch genauso da», sagte er vor Turnierbeginn in einem Interview mit CH Media.

Bei aller Kritik und Kontroverse: Dass er genügend Leidenschaft und Energie für den Job mitbringt, das kann Sascha Ruefer niemand absprechen.

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288 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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SCL - Maulwurf
19.06.2024 05:40registriert März 2021
Das wäre ja noch schöner, wenn der Verband die Kommentatoren bestimmen könnte. Klar, der SR geht mir zuweilen auch auf den Geist, aber man hört ihn. Ist das gleiche Phänomen wie beim Eismeister, der nervt auch, aber interessant alleweil und somit liest man ihn!
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El fuego
19.06.2024 05:39registriert April 2023
An seiner Art scheiden sich die Geister. Was aber leider gar nicht thematisiert wird, ist die Tatsache, dass Ruefer fachlich der schlechteste SRF-Kommentator an dieser EM ist. Gehrer, Kern, Ledergerber und auch Köng sind ihm da weit überlegen, die informieren sich jeweils ausführlich über die Mannschaften. Man stelle sich nur schon vor Ruefer hätte den Match zwischen Georgien und Türkei kommentiert, da wäre kein einziger Name richtig ausgesprochen worden.
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insert_brain_here
19.06.2024 06:21registriert Oktober 2019
Ich habe mich schon ein bisschen gewundert woher plötzlich die koordiniert scheinende Kampagne gegen Rufer kommt. Voilà, der Verband möchte ihn durch jemanden ersetzt haben der ihm gegenüber die gebotene Servilität an den Tag legt. Dass Pfister eifrig mithilft mit finanziellem Potential gesegnete Partikularinteressen zu vertreten wundert mich somit auch nicht.
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