Beim Fleischkauf steht das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten auf der Kippe. Diese müssten beim Einkaufen sicher sein können, dass das Fleischangebot die Grenzwerte einhalte, meint Sara Stalder, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz, gegenüber dem Tages-Anzeiger. Das gelte auch für PFAS. Dabei handelt es sich um schlecht abbaubare «Ewigkeitschemikalien», die sich im Körper ansammeln und gesundheitsschädigend sind. Stalder ist klar der Meinung: «Der Gesundheitsschutz geht vor.»
Die PFAS-Vorschriften des Bundes werden aber derzeit angezweifelt. Eine eventuelle Anpassung der Regeln ist am Mittwoch Thema beim Ständerat. Dazu kommt, dass der Kanton St.Gallen das Fleisch mit überhöhten PFAS-Werten weiterhin nicht verbieten möchte. In einer Medienmitteilung vom letzten Jahr hiess es noch: «Lebensmittel mit einer PFAS-Belastung über dem geltenden Höchstwert dürfen nicht mehr in den Verkauf kommen.»
Mittlerweile haben die St.Galler Behörden bei 15 Betrieben überhöhte Fleisch-Werte festgestellt. Bei weiteren fünf Betrieben gab es überschrittene Werte für Eier. Verkaufsverbote gab es bislang aber keine. Der Kanton habe stattdessen seine Praxis angepasst, sagt Mediensprecher Thomas Zuberbühler der Zeitung.
Die St.Galler Behörden möchten die betroffenen Bauern dazu bringen, die PFAS-Belastung der Tiere zu senken. «Sofern die Betriebe aktiv an der Reduktion mitarbeiten, können sie ihr Fleisch weiterhin in den Handel bringen», meint Zuberbühler. Damit wolle der Kanton einerseits die Gesundheit der Menschen schützen und andererseits die Existenz der Betriebe sichern. «Dafür braucht es eine pragmatische, lösungsorientierte Vorgehensweise», sagt der Mediensprecher.
Das Fleisch komme über die gängigen Vertriebswege in den Handel. Gemeint sind Schlachtbetriebe, der Grosshandel und andere Vertriebskanäle. Die Migros nimmt die Strategie des Kantons St.Gallen «zur Kenntnis». Man werde jedoch die eigenen Kontrollen nun erweitern und die Risikoeinschätzung erhöhen.
«Wir setzen weiterhin alles daran, dass keine Waren mit zu hohen PFAS-Werten auch auf nationaler Ebene in den Umlauf gelangen, auch wenn es leider nie eine 100-prozentige Sicherheit gibt», sagt Prisca Huguenin-dit-Lenoir, Leiterin der Migros-Medienstelle.
Beim Bund nennt man die Herangehensweise des Kantons St.Gallen «nicht konform mit den Vorgaben des Lebensmittelrechts». Man habe den Kanton öfter darauf aufmerksam gemacht und einen korrekten Vollzug gefordert, sagt Sarah Camenisch vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) gegenüber der Zeitung. Der Kanton sei «verpflichtet, die Vorgaben des Bundesrechts umzusetzen».
Der St.Galler Kantonschemiker Pius Kölbener favorisiere aber eine fünfjährige Übergangsfrist für PFAS-belastetes Fleisch, wie er in einem Interview mit der Appenzeller Zeitung klarmachte. Darüber sind die Grünen gar nicht erfreut. «Jede weitere Verzögerung ist verantwortungslos», meint die St.Galler Kantonalpartei in einer Medienmitteilung.
Sie sammeln deshalb Unterschriften. In ihrer Petition verlangen sie einen sofortigen Verkaufsstopp für PFAS-belastetes Fleisch. Tiere aus dem Risikogebiet sollen zudem zukünftig auch dann getestet werden, wenn sie in einem anderen Kanton geschlachtet werden. Heute könne man so den Kontrollen entgehen, kritisieren die St.Galler Grünen.
Der St.Galler Ständerat Benedikt Würth ist dagegen für eine Anpassung der nationalen Regeln. Sein Vorschlag wäre, PFAS-belastete Lebensmittel mit sauberen Lebensmitteln mischen zu dürfen, damit so die durchschnittliche Belastung unter den Grenzwert sinkt. Möglich sei dies bei Bratwürsten oder bei Hackfleisch. Anders sieht es bei Steaks oder Schnitzeln aus.
«Wir sehen eine solche Vermischung kritisch», sagt Philippe Häberli, Mediensprecher bei Proviande. Die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft stützt sich auf «hohe Qualität und Sicherheit». Sie will dem guten Ruf des Fleisches nicht schaden.
Würths Vorschlag ist Teil einer Motion der ständerätlichen Umweltkommission. Am Mittwoch wird der Ständerat darüber debattieren. Laut dem Vorstoss müssten auch die wirtschaftlichen Folgen bedacht werden.
Der Kanton St.Gallen will den betroffenen Bauern auch finanziell entgegenkommen. Dafür hat der Kantonsrat einen Sonderkredit bewilligt, auch wegen der Vermutung, dass die überhöhte PFAS-Belastung in den Böden vom Klärschlamm kommt, der dort früher ausgebracht wurde.
Ein betroffener Betrieb im Kanton St.Gallen hat die Produktion schon eingestellt, laut Zuberbühler aber nicht ausschliesslich wegen PFAS.
PFAS ist eine Abkürzung und steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Diese Stoffe sind nicht sofort giftig, wirken aber gesundheitsschädigend. Neben Krebs können das Immunsystem geschwächt oder die Fruchtbarkeit reduziert werden. Bei ungeborenen Kindern können zudem Wachstumsstörungen auftreten.
Der Kanton St.Gallen fordert deshalb vom Bund einen nationalen Aktionsplan. Konsumentenschützerin Sara Stalder ist ebenfalls für ein nationales Monitoring dieser Substanzen in der gesamten Schweiz. «Das wird uns noch lange beschäftigen», meint sie. (kek)
Zusätzlich bitte Regio-Angabe beim Fleisch. Ich möchte wissen, woher etwas kommt. Weil die Schlaumeier wollen ja nun das Fleisch mischen um die Grenzwerte einhalten zu können.
Genau dasselbe Unding, wie im Mittelland Wasser aus kontaminierten Wasserfassungen (ebenfalls dank der Landwirtschaft und deren Pestiziden) einfach mit anderen Standorten gemischt wird.
Die Bevölkerung erfährt nicht, wo die kontaminierten Standorte sind.
Hier muss den Bürgern endlich "klarer" Wein (resp Wasser) eingeschenkt werden. Dann würden Initiativen zum Gewässerschutz zukünftig auch angenommen werden.