Sie missionieren verdeckt sowie manipulativ und folgen in blindem Gehorsam einem 92-jährigen Südkoreaner. Die Sekte Shincheonji ist auch in der Schweiz aktiv.
Shincheonji ist eine religiöse Gemeinschaft, die von Man Hee Lee 1984 in Südkorea gegründet wurde. Sie hat inzwischen mehrere Hunderttausend Mitglieder, vor allem in Südkorea, aber auch in verschiedenen Ländern auf allen Kontinenten. Der Name ist koreanisch und bedeutet so viel wie «Neuer Himmel, neue Erde» – unter diesem Namen ist die Gemeinschaft in der Schweiz aktiv.
Die Bewegung bedient sich auch verschiedener Tarnorganisationen wie der Heavenly Culture, World Peace, Restoration of Light (HWPL), die vorgibt, Friedensarbeit zu betreiben, dabei allerdings eine Art Feigenblatt darstellt.
Internationale Aufmerksamkeit erlangte Shincheonji im Jahr 2020, als sie wegen Massenspreader-Events in der Coronakrise angeklagt wurden. Etwa 60 Prozent der Coronafälle in Südkorea waren zu dem Zeitpunkt auf die Gemeinschaft zurückzuführen. Ihr Gründer Man Hee Lee wurde 2022 vom höchsten Gericht in Südkorea wegen Verfehlungen in der Coronapandemie und Veruntreuung von Spendengeldern schuldig gesprochen.
Weil die Sekte so sehr im Verborgenen agiert, ist nur wenig über ihr Wirken in Zürich oder der Schweiz im Allgemeinen bekannt. Mindestens seit 2015 oder 2016 ist die Gruppierung in Zürich aktiv. Wegen Corona setzte sie zeitweise auf Zoom-Meetings für ihre Bibelkurse und Gottesdienste, inzwischen treffen sich die Mitglieder wieder vor Ort. Es ist weiter bekannt, dass ein «Lehrer» der Sekte aus Neuseeland stammt und mindestens seit 2016 hierzulande aktiv ist.
Gemäss Relinfo wurde von Zürich aus auch ein Ableger in Rom gegründet (mit der Erwartung, bald den Vatikan zu übernehmen). Ausserdem sollen die Shincheonji-Mitglieder aus Ungarn zum Zürcher Ableger gehören. Es gibt neben der Zürcher Gruppe in der Schweiz auch eine in der Romandie. Es wird geschätzt, dass Shincheonji hierzulande etwa 150–250 Personen angehören.
Gemäss der Merkmale von Infosekta lässt sich Shincheonji als Sekte einstufen. InfoSekta, eine politisch und konfessionell unabhängige Fach- und Beratungsstelle, definiert eine Sekte so:
InfoSekta listet 15 Merkmale einer Sekte, von denen Shincheonji die meisten erfüllt. Hier ein paar Beispiele:
Shincheonji bezeichnet sich als Kirche und hat eine protestantische Bibel als Grundlage ihrer Lehre. Ein entscheidender Unterschied zu den meisten christlichen Konfessionen ist jedoch, dass die Sekte die Dreifaltigkeit ablehnt. Sie leugnet die Gottheit Jesu wie auch die Gottheit des Heiligen Geistes. In diesem Punkt gleicht Shincheonji den Zeugen Jehovas.
Zentral für den Glauben der Sekte ist jedoch die Person ihres Gründers Man Hee Lee. Mitglieder jubeln ihm zu wie einem Popstar und verehren ihn, vergöttern ihn fast. Sie glauben daran, dass der 92-jährige Südkoreaner unsterblich sei. Lee behauptet, er habe eine besondere Offenbarung erhalten und trage den «Geist Jesu» in sich.
Es geht bei Shincheonji nicht etwa um gute Lebensführung, Moral oder Nächstenliebe wie in den verschiedenen christlichen Konfessionen. Die Sekte ist endzeitlich ausgerichtet und sagt, entscheidend sei es, die wahre Bedeutung der Offenbarung des Johannes zu kennen. Diese ist das letzte Buch der christlichen Bibel. Laut Shincheonji habe ihr Gründer Man Hee Lee diese «wahre Bedeutung» empfangen und die Endzeit stehe kurz bevor.
Während christliche Kirchen die Person Jesu und sein Kreuzesopfer in den Fokus rücken und Liebe zum Schwerpunkt ihres Glaubens machen, geht es bei Shincheonji darum, eine Art Geheimwissen zu erlangen. Dieses Wissen bringe zusammen mit der Mitgliedschaft in der Gruppierung das Heil, die Erlösung.
Shincheonji missioniert oft verdeckt. Ihre Mitglieder verschleiern meist, welcher Gruppierung sie angehören und was ihre Ziele sind. Erst im Herbst 2021 starteten sie international koordiniert eine Online-Missionierung, bei der sie von Anfang an ihre Lehren unter ihrem Namen verbreiteten.
Wie bei anderen Sekten müssen auch bei Shincheonji die Mitglieder viel Zeit darin investieren, neue Mitglieder anzuwerben. Zu ihrem Beuteschema gehören vor allem junge Menschen – Studierende und freikirchlich orientierte Christinnen und Christen. Auch über Social Media schreiben die Mitglieder gezielt Personen an.
Die Kontaktaufnahme scheint oft beiläufig und spontan, gerne machen die Shincheonji-Missionare Strassenumfragen. Aus Zürich sind watson zwei konkrete Beispiele bekannt. In beiden Fällen waren die Missionare zu zweit unterwegs. Im ersten Fall (2019) gaben zwei junge Männer vor, Rapper auf der Suche nach Inspiration zu sein. Sie sprachen mit Passanten über Gott und die Welt und nutzten das als Vorwand für eine Kontaktaufnahme. In diesem Fall hatte die kontaktierte Person zwei Jahre unregelmässigen Austausch mit einem der beiden Missionare, bis dieser offenlegte, dass er zu Shincheonji gehört und versuchte, die kontaktierte Person in die Sekte zu locken.
Und aktuell sind die Mitglieder der Sekte mit einer Strassenumfrage beschäftigt, bei der sie Passantinnen fragen, was ihnen Hoffnung mache. Als Leserreporter von watson bei den Missionaren nachhakten, gaben diese an, zu «Neuer Himmel, neue Erde», also zu Shincheonji, zu gehören und luden auch gleich zu einem Event in derselben Woche ein.
Wie andere Sekten setzt auch Shincheonji bei der Missionierung auf Love Bombing, wie «20 Minuten» berichtete. Dabei spielen die Sektenmitglieder den Anzuwerbenden ein tiefes Interesse an ihrer Person vor, stellen Fragen zum Privatleben, melden sich oft, unternehmen privat etwas zusammen, laden sie ein, machen Geschenke und Komplimente. Dies ist eine Form der psychischen Manipulation – gerade einsame Menschen sprechen leicht darauf an.
Das Ziel der Missionare ist es, ihre Opfer in Bibelkurse zu locken. Diese scheinen zuerst harmlos und es wird verschwiegen, dass es sich um Shincheonji handelt. Langjährige Mitglieder sitzen oft auch in diesen Kursen und geben vor, ebenfalls Neulinge zu sein. Mit der Zeit wird dann der Druck erhöht, die Kurse finden abends statt, mehrmals pro Woche. Die neuen Teilnehmenden müssen die dort präsentierte Lehre auswendig lernen und Prüfungen ablegen, um die nächste Stufe zu erreichen. Erst in den höheren Stufen wird offengelegt, worum es Shincheonji geht und Man Hee Lee als Prophet und Erlöser präsentiert.
Wer alle Kurse absolviert hat, kann vollwertiges Mitglied von Shincheonji werden. Die Propaganda der Sekte inszenierte 2023 bereits zum dritten Mal den gemeinsamen «Studienabschluss» von angeblich über 100'000 Personen aus aller Welt.
Shincheonji lehrt, es sei heilsnotwendig, ihrer Gruppierung anzugehören, wie auch Relinfo bestätigt. Alle anderen Menschen würden verdammt. Wer die Gruppierung kritisiert, wird als «Verfolger» und «falscher Prophet» bezeichnet, der mit dem Teufel im Bunde sei – watson sind konkrete Fälle bekannt.
Sie sehen sich als verfolgt und schärfen ihren Missionsopfern und Mitgliedern ein, sie sollten ja nicht über Shincheonji recherchieren, es würden nämlich viele Lügen und böswillige Behauptungen über die Gruppierung kursieren. Wie bei Sekten üblich, sind die Mitglieder einer Überwachung und Kontrolle unterworfen. Sie sollen so viel Zeit und Geld wie möglich in die Missionierung investieren und Kontakt mit Leuten ausserhalb der Sekte so gering wie möglich halten.
Scheint bei fast allen Sekten ein gleiches Muster zu geben.
-Guru, Heilsbringer,..
-bisschen Christentum reingemischt
-nur wir kennen die Wahrheit
-gib uns dein Geld
-sozial von der Gemeinschaft abhängig machen