Scientologen sehen sich als Retter der angeblich dekadenten Welt. «Die einzige winzige Chance, die dieser Planet hat, lastet auf ein paar schmalen Schultern – überarbeitet, unterbezahlt und bekämpft – den Scientologen», prophezeite Sektengründer L. Ron Hubbard in apokalyptischer Manier.
Seinen Machtanspruch brachte er mit der Aussage zum Ausdruck, dass über Scientology die Sonne niemals untergehe. Um seine Lakaien anzulocken und ideologisch aufzuladen, versprach er ihnen, sie zu Genies auszubilden, die alles und jedes erfolgreich handhaben können.
In seinem Grössenwahn machte er ihnen weis, sie seien dereinst fähig, Ursache über Leben, Raum, Zeit und Materie zu werden. Deshalb unterschreiben heute noch Elite-Scientologen einen Arbeitsvertrag über eine Milliarde Jahre. Denn sie glauben, in den nächsten Tausenden Leben als Scientologen wiedergeboren zu werden und die Erinnerungen an die früheren Leben konservieren zu können.
Von seinen angeblichen scientologischen Errungenschaften profitierte Hubbard keinen Deut. Er starb 1986 unter mysteriösen Umständen. Spuren seiner Wiedergeburt fehlen bisher.
Nach dem Tod von Ron Hubbard bestieg David Miscavige im zarten Alter von 26 Jahren den Thron. Er hatte das knallharte und gnadenlose System Scientology perfekt verinnerlicht und mit einem unbändigen Machtwillen das Ruder des Milliardenkonzerns an sich gerissen.
Nun erlebt auch er, dass er nur im Reich der Scientologen ein unantastbarer Held ist. Denn während mehrerer Monate war er für die Behörden von Florida nicht zu erreichen.
Diese hatten rund 30 Mal erfolglos versucht, ihm eine 90-seitige Klageschrift auszuhändigen. Die Anwälte von Miscavige waren nicht bereit, den Aufenthaltsort ihres Mandanten der Richterin zu verraten. Falls sie ihn überhaupt kannten.
Der Hintergrund: Drei ehemalige Anhängerinnen, die selbst zur Eliteeinheit der Sekte gehörten, hatten ihn angeklagt. Sie werfen ihm Kindsentführung, Kinderhandel und Kinderarbeit vor. Sie seien als Kinder gezwungen worden, in Scientology zu leben. Faktisch seien sie zu Sklaven geworden und hätten ohne Entlöhnung arbeiten müssen.
Vor rund zehn Jahren konnten sie sich befreien und fanden nun den Mut, den Sektenboss anzuklagen. Der Anwalt der Klägerinnen verlangt ein Verfahren in Abwesenheit von Miscavige.
Laut der «New York Post» habe Miscavige panische Angst vor Gerichtsverfahren und sei deshalb schon 2019 untergetaucht, sagten frühere Kadermitglieder, die den Ausstieg aus der Sekte geschafft haben.
Doch Miscavige konnte inzwischen seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Seine Anwälte erklärten, die ehemaligen Scientologen hätten Verträge unterschrieben, dass sie allfälligen Streitigkeiten durch ein religiöses Schlichtungsverfahren beilegen müssten.
Im Klartext: «Scientology-Richter» untersuchen die Sachverhalte und fällen die Entscheide. Doch diese Knebelverträge sind offenbar rechtsgültig, wie Gerichte kürzlich entschieden haben. Deshalb wurde das Verfahren gegen fünf Scientology-Organisationen und David Miscavige eingestellt.
Die ehemaligen Scientologen geben aber nicht auf. Sie erklären, die Verträge unter Zwang unterschrieben zu haben und kämpfen juristisch weiter.
Scientologysprecher hingegen jubeln und werten die Wende als grossen Erfolg. Die Anschuldigungen der Kläger seien absurd, lächerlich und skurril.
Der ehemalige hochrangige Scientologe Karen de la Carriere sagte der New York Post:
Er hat denn auch in all den Jahren nur ein einziges Interview gegeben. Für die Imagepflege schickte er lieber einen seiner vielen Promis vor. Besonders seinen Freund Tom Cruise.
Das Verhalten von Miscavige erinnert stark an den Sektengründer Hubbard. Dieser war ebenfalls paranoid und hatte mehrere Gerichtsverfahren am Hals. Er flüchtete mit seinen Kaderleuten auf ein Schiff und baute die Eliteeinheit «Sea-Org» auf, die heute noch eine zentrale Rolle spielt.
Miscavige erlebt nun eine ähnliche Geschichte wie seine Frau Shelly. Ehemalige Freundinnen, die sie Sekte verlassen haben, alarmierten die Behörden und versuchen seit Jahren, die Frau von David Miscavige zu kontaktieren. Erfolglos. Sie vermuten, dass Shelly im gefängnisähnlichen Scientology-Zentrum in Twin Peaks, Kalifornien, steckt.
Die Los Angeles Police Departement hielt im vergangenen November fest, Beamte ihrer Vermisstenabteilung hätten Shelly Miscavige 2014 aufgesucht. Seitdem sei der Fall für sie abgeschlossen.
Amerikanische Medien haben Tom Cruise gefragt, ob er den Aufenthaltsort von Miscavige kenne. Doch der Schauspieler, der auch schon als neuer Scientology-Boss gehandelt wurde, schweigt beharrlich. Die bizarre Geschichte dürfte ihn ordentlich ärgern, denn sie kratzt weiter an seinem Image.