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Nach Anklage wegen Kinderarbeit: Scientology-Boss war untergetaucht

Der US Amerikaner David Miscavige, Leader der Scientology-Kirche, spricht waehrend der Eroeffnungsfeierlichkeiten der Scientology Kirche in Basel am Samstag, 25. April 2015. Es handelt sich um die ers ...
Der Scientology-Boss David Miscavige bei der Einweihung des Basler Zentrums 2015.Bild: KEYSTONE
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Nach Anklage wegen Kinderarbeit: Scientology-Boss war untergetaucht

David Miscavige hatte mehrere Klagen am Hals und war für die Justizbehörden nicht erreichbar.
10.06.2023, 08:0322.06.2023, 10:30
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Scientologen sehen sich als Retter der angeblich dekadenten Welt. «Die einzige winzige Chance, die dieser Planet hat, lastet auf ein paar schmalen Schultern – überarbeitet, unterbezahlt und bekämpft – den Scientologen», prophezeite Sektengründer L. Ron Hubbard in apokalyptischer Manier.

Seinen Machtanspruch brachte er mit der Aussage zum Ausdruck, dass über Scientology die Sonne niemals untergehe. Um seine Lakaien anzulocken und ideologisch aufzuladen, versprach er ihnen, sie zu Genies auszubilden, die alles und jedes erfolgreich handhaben können.

Ursache über Leben, Raum und Zeit

In seinem Grössenwahn machte er ihnen weis, sie seien dereinst fähig, Ursache über Leben, Raum, Zeit und Materie zu werden. Deshalb unterschreiben heute noch Elite-Scientologen einen Arbeitsvertrag über eine Milliarde Jahre. Denn sie glauben, in den nächsten Tausenden Leben als Scientologen wiedergeboren zu werden und die Erinnerungen an die früheren Leben konservieren zu können.

Von seinen angeblichen scientologischen Errungenschaften profitierte Hubbard keinen Deut. Er starb 1986 unter mysteriösen Umständen. Spuren seiner Wiedergeburt fehlen bisher.

Portrait des US-amerikanischen Schriftstellers und Sekten-Gruenders Ron Lafayette Hubbard, undatierte Aufnahme. Der einstige Science-Fiction-Autor Hubbard gruendete 1954 die als Scientology Church bek ...
Scietology-Gründer L. Ron Hubbard.Bild: keystone

Nach dem Tod von Ron Hubbard bestieg David Miscavige im zarten Alter von 26 Jahren den Thron. Er hatte das knallharte und gnadenlose System Scientology perfekt verinnerlicht und mit einem unbändigen Machtwillen das Ruder des Milliardenkonzerns an sich gerissen.

Nun erlebt auch er, dass er nur im Reich der Scientologen ein unantastbarer Held ist. Denn während mehrerer Monate war er für die Behörden von Florida nicht zu erreichen.

«David Miscavige ist paranoid. Er sieht das FBI an jeder Ecke.»
Karen de la Carriere in einem Interview mit der New York Post

Diese hatten rund 30 Mal erfolglos versucht, ihm eine 90-seitige Klageschrift auszuhändigen. Die Anwälte von Miscavige waren nicht bereit, den Aufenthaltsort ihres Mandanten der Richterin zu verraten. Falls sie ihn überhaupt kannten.

Der Hintergrund: Drei ehemalige Anhängerinnen, die selbst zur Eliteeinheit der Sekte gehörten, hatten ihn angeklagt. Sie werfen ihm Kindsentführung, Kinderhandel und Kinderarbeit vor. Sie seien als Kinder gezwungen worden, in Scientology zu leben. Faktisch seien sie zu Sklaven geworden und hätten ohne Entlöhnung arbeiten müssen.

Vor rund zehn Jahren konnten sie sich befreien und fanden nun den Mut, den Sektenboss anzuklagen. Der Anwalt der Klägerinnen verlangt ein Verfahren in Abwesenheit von Miscavige.

Laut der «New York Post» habe Miscavige panische Angst vor Gerichtsverfahren und sei deshalb schon 2019 untergetaucht, sagten frühere Kadermitglieder, die den Ausstieg aus der Sekte geschafft haben.

«Scientology-Richter» untersuchen die Sachverhalte

Doch Miscavige konnte inzwischen seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Seine Anwälte erklärten, die ehemaligen Scientologen hätten Verträge unterschrieben, dass sie allfälligen Streitigkeiten durch ein religiöses Schlichtungsverfahren beilegen müssten.

Im Klartext: «Scientology-Richter» untersuchen die Sachverhalte und fällen die Entscheide. Doch diese Knebelverträge sind offenbar rechtsgültig, wie Gerichte kürzlich entschieden haben. Deshalb wurde das Verfahren gegen fünf Scientology-Organisationen und David Miscavige eingestellt.

Die ehemaligen Scientologen geben aber nicht auf. Sie erklären, die Verträge unter Zwang unterschrieben zu haben und kämpfen juristisch weiter.

Scientologysprecher hingegen jubeln und werten die Wende als grossen Erfolg. Die Anschuldigungen der Kläger seien absurd, lächerlich und skurril.

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Der Scientology-Boss schickte Tom Cruise vor

Der ehemalige hochrangige Scientologe Karen de la Carriere sagte der New York Post:

«David Miscavige ist paranoid. Er sieht das FBI an jeder Ecke. Er rechnet damit, dass ihm jemand eine Kugel in die Brust jagt, deshalb hat er eine Entourage wie ein Diktator der Dritten Welt. Er macht keinen Schritt ohne sein Sicherheitspersonal.»

Er hat denn auch in all den Jahren nur ein einziges Interview gegeben. Für die Imagepflege schickte er lieber einen seiner vielen Promis vor. Besonders seinen Freund Tom Cruise.

Das Verhalten von Miscavige erinnert stark an den Sektengründer Hubbard. Dieser war ebenfalls paranoid und hatte mehrere Gerichtsverfahren am Hals. Er flüchtete mit seinen Kaderleuten auf ein Schiff und baute die Eliteeinheit «Sea-Org» auf, die heute noch eine zentrale Rolle spielt.

Miscavige erlebt nun eine ähnliche Geschichte wie seine Frau Shelly. Ehemalige Freundinnen, die sie Sekte verlassen haben, alarmierten die Behörden und versuchen seit Jahren, die Frau von David Miscavige zu kontaktieren. Erfolglos. Sie vermuten, dass Shelly im gefängnisähnlichen Scientology-Zentrum in Twin Peaks, Kalifornien, steckt.

Die Los Angeles Police Departement hielt im vergangenen November fest, Beamte ihrer Vermisstenabteilung hätten Shelly Miscavige 2014 aufgesucht. Seitdem sei der Fall für sie abgeschlossen.

Amerikanische Medien haben Tom Cruise gefragt, ob er den Aufenthaltsort von Miscavige kenne. Doch der Schauspieler, der auch schon als neuer Scientology-Boss gehandelt wurde, schweigt beharrlich. Die bizarre Geschichte dürfte ihn ordentlich ärgern, denn sie kratzt weiter an seinem Image.

* Update: Wir haben den Artikel aktualisiert und ergänzt, dass die Vorwürfe in einem Scientology-internen Untersuchung geklärt werden. In einer früheren Version des Artikels stand zudem, dass David Miscavige wegen Vergewaltigung angeklagt war. Das ist nicht korrekt. Weiter haben wir die Angaben rund um Shelly Miscavige präzisiert. (red)

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Hugo Stamm, Sektenblog
Bild: zvg
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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279 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Menel
10.06.2023 09:38registriert Februar 2015
Wenn man eine Frau oder ein Kind ist, ist es ratsam, so weit weg von sämtlichen spirituellen oder religiösen Gruppierungen zu leben wie möglich.
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femegox604@raotus.com
10.06.2023 08:39registriert April 2023
"Der abgetauchte Miscavige erlebt nun eine ähnliche Geschichte wie seine Frau Shelly."

Während seine Frau vermutlich wie eine Gefängnisinsassin festgehalten wird, entzieht sich Miscavige mithilfe seiner Organisation der Zustellung. Ich finde, dass sind ganz und gar andere Umstände. Seine Frau ist ein mutmassliches Opfer, er ein mutmasslicher Täter.
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Brummbär
10.06.2023 08:35registriert August 2020
Scientology-Zentrum in Twin Peaks? Haben die Scientologen auch Laura Palmer ermordet?
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    Ich gestehe, ich gehöre definitiv zu den Putzmuffeln. Aber beim Belauschen im Zug kam ich auf die Idee, einen Frühlingsputz fürs Stromsparen zu machen. Wie das so lief und warum ich jetzt einen neuen Kühlschrank will.

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