Seit Martin Landolt, Präsident der BDP, der SVP braune Tendenzen vorgeworfen und SP-Präsident Christian Levrat ihr gar «faschistische Züge» attestiert hat, ist in der Schweiz eine Grundsatzdiskussion ausgebrochen: Darf man das?
Nein, sagt Martine Brunschwig Graf, die Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. «Wir sind nicht im Nationalsozialismus und nicht in den 1930er Jahren» erklärte sie in der «NZZ am Sonntag». «Wenn man weiss, wie es damals war, ist es völlig klar, dass diese Vergleiche zu weit gehen.»
Die Nazi-Verbrechen waren in der Tat ungeheuerlich. Die Perversion der Nazis lässt sich am besten am Beispiel des Vernichtungslagers Treblinka demonstrieren. Dort töteten 25 SS-Soldaten mit Hilfe von ukrainischen Hiwis in einem Jahr rund 800'000 Menschen.
Erstaunlicherweise haben jedoch gerade die Rechtspopulisten kein Problem damit, die Nazikeule zu schwingen. Die «Weltwoche» etwa vergleicht die EU gerne mal mit dem Dritten Reich und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit dem Führer. Die amerikanische Tea Party zeigt Präsident Barack Obama regelmässig mit Hitlerschnauz.
Trotzdem lässt es sich unter zivilisierten Menschen unter keinem Titel rechtfertigen, der SVP oder irgendjemandem zu unterstellen, er hätte Ähnliches im Sinn wie die Nazis. Doch es lässt sich auch nicht leugnen, dass sich in Europa derzeit etwas Unheimliches zusammenbraut. «Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich», hat Mark Twain einst erkannt.
Derzeit reimt sie sich an den verschiedensten Orten, und es besteht Grund, sich Sorgen zu machen. So ist der russische Präsident Wladimir Putin im Begriff, sich seine Dolchstosslegende zu basteln. Vor Selbstmitleid triefend behauptet er, die Nato und die EU wollten nach Osten «expandieren». Das erweckt den Eindruck, als ob der Westen unter Führung der USA eine Formschwäche Russlands ausnützen und sich grosse Teile des Ostens einverleiben wollte.
Putin stellt damit die historischen Fakten auf den Kopf. Nach dem Fall des eisernen Vorhanges polterten Polen, Balten und Tschechen geradezu an die Türen der Nato und der EU und begehrten Einlass. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie sie von Stalin und der ehemaligen UdSSR einst behandelt worden sind.
Mit seinen Tiraden gegen den angeblich dekadenten Westen, seiner Hatz auf Homosexuelle und kritische Journalisten stösst Putin gerade bei den Rechtspopulisten auf grosses Verständnis, auch mit seinen Attacken auf Brüssel und seinen Machoposen. Die Rechtspopulisten sind zu einem politischen Machtfaktor geworden, und man kann sie nur noch auf eigene Gefahr ignorieren. Vielerorts haben sie die 15-Prozent-Hürde, die lange als Richtmarke für ihr Wählerpotenzial galt, überschritten.
In Frankreich ist eine Präsidentin Marine le Pen möglich geworden. Selbst Deutschland hat nun mit der «Alternative für Deutschland» eine Art SVP und die Schweizer SVP hat sich – wie Christian Levrat zu Recht feststellt – massiv radikalisiert. Es ist zu befürchten, dass sich diese Tendenz noch verstärken wird. Europa ist wirtschaftlich aus dem Gleichgewicht geraten. Derzeit muss damit gerechnet werden, dass die Eurokrise nach einer Pause von zwei Jahren wieder ausbrechen wird. Davon dürften vor allem Rechtspopulisten mit ihren simplen, nationalistischen Parolen profitieren.
«Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen», hat uns der Philosoph Heraklit gelehrt. Dass bedeutet jedoch nicht, dass man die Augen vor der Vergangenheit verschliessen kann. Die Anzeichen, dass Europa in sehr bewegte Zeiten geraten wird, mehren sich. Vergleiche mit den Nazis gehen zu weit –, aber wir können es uns deswegen nicht leisten, Parallelen zum Faschismus zu ignorieren.
Dass die SVP (oder wenigstens Teile davon) rechtsextreme Tendenzen aufweist, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen und dass ihr Stil zeitweise an die Propaganda aus jener Zeit erinnert ebensowenig. Wer die SVP deswegen aber als faschistisch bezeichnet, schiesst sich damit ins eigene Knie, weil - s.o. - Man kommt damit vielleicht in die Zeitung - mehr aber nicht.