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SVP schwenkt bei Renteninitiative um – höheres Rentenalter rückt näher

SVP schwenkt bei Renteninitiative um – höheres Rentenalter rückt näher

06.06.2023, 09:1706.06.2023, 15:36
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Pierre-Yves Maillard, SP-VD, spricht waehrend der Debatte um die Renteninitiative, waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 5. Juni 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Pierre-Yves Maillard, SP, und Andri Silberschmidt, FDP, (hinten) sind anderer Meinung. Bild: keystone

Der Nationalrat will eine Schuldenbremse in der AHV, als indirekten Gegenvorschlag zur Renteninitiative der Jungfreisinnigen. Die zuständige Kommission muss nun eine Vorlage erarbeiten. Über das Volksbegehren selbst hat der Nationalrat am Montag noch nicht entschieden.

Beim Entscheid über die AHV-Schuldenbremse folgte die grosse Kammer knapp, mit 93 zu 92 Stimmen bei einer Enthaltung, dem Antrag einer Minderheit ihrer Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N).

Nebst der FDP votierten auch die SVP und die GLP dafür, das Geschäft an die Kommission zurückzuweisen. Dies gebe der Kommission eine Chance, eine bessere Lösung für die Finanzierung der Renten der Babyboomer zu finden, argumentierte Melanie Mettler (GLP/BE) mit Erfolg. Denn in der heutigen Situation sei der Generationenvertrag aus der Balance.

SVP schwenkt um

Das Ja der SVP-Fraktion zu dem Rückweisungsantrag kam überraschend. Denn Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) hatte zu Beginn der mehrstündigen Debatte angekündigt, man werde gegen den Minderheitsantrag stimmen. Auch eine AHV-Schuldenbemse laufe absehbar auf eine automatische Rentenaltererhöhung hinaus, sagte er.

Höheres Rentenalter – ja oder nein?

In einem ersten Anlauf hatte der Nationalrat den Rückweisungsantrag mit 90 zu 89 Stimmen bei einer Enthaltung angelehnt. Danach stimmte der Rat jedoch auf Antrag von Andri Silberschmidt (FDP/ZH) ein zweites Mal ab, weil zunächst noch nicht alle Nationalrätinnen und Nationalräte an ihrem Platz gewesen waren.

Umstrittener Automatismus

Über die Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» selbst entschied der Nationalrat am Montag nicht.

Die Jungfreisinnigen wollen mit dem Volksbegehren das Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung koppeln. In einem ersten Schritt würde es für beide Geschlechter auf 66 Jahre erhöht. Danach soll das Rentenalter pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung um 0.8 Monate steigen.

Der Bundesrat stellt sich gegen einen solchen Automatismus. Damit hätte die Politik keinen Spielraum mehr, um andere Kriterien wie etwa die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen, wandte er ein. Weitere Reformen der AHV seien zudem bereits in Arbeit.

Der Ständerat hatte der Initiative im März eine Absage erteilt. Über einen möglichen Gegenvorschlag hatte er nicht zu befinden, da kein entsprechender Antrag vorlag.

Jon Pult, SP-GR, aeussert sich an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 30. Mai 2023 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Jon PultBild: keystone

In der mehrstündigen Debatte zeichnete sich ab, dass es die Renteninitiative auch in der grossen Kammer schwer haben dürfte. Mit Ausnahme der Freisinnigen unterstützte keine Fraktion das Vorhaben.

Nicht alle gleich betroffen

Mehrere Rednerinnen und Redner kritisierten die Initiative als sozial ungerecht. Schon heute könnten sich Gutverdienende eine Frühpensionierung eher leisten, sagte etwa Jon Pult (SP/GR). Ein höheres Rentenalter treffe jene, die körperlich hart arbeiteten - und damit jene Menschen, die auch eine geringere Lebenserwartung hätten.

«Das Leben der Menschen ist nicht arithmetisch durchschnittlich», stiess Natalie Imboden (Grüne/BE) ins gleiche Horn. Wenn das Rentenalter steige, bleibe jenen, die es bereits im Erwerbsleben nicht immer leicht hätten, weniger Zeit im wohlverdienten Ruhestand.

Flavia Wasserfallen (SP/BE) warnte, bei einer Annahme der Initiative würden Kosten einfach in andere Sozialwerke verlagert, etwa in die Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe. Die Lage der älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen würde weiter verschlechtert.

Kritik am Zeitpunkt

Christian Lohr (Mitte/TG) erinnerte daran, dass das Volk der Erhöhung des Frauen-Rentenalters auf 65 Jahre nur knapp zugestimmt habe. Nun gleich nachzulegen, zeuge von mangelndem Einfühlungsvermögen gegenüber Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.

Christian Lohr, Mitte-TG, spricht waehrend der Debatte um die Renteninitiative, waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 5. Juni 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Christian LohrBild: keystone

In einer Zeit, in denen Milliarden für die Rettung einer Grossbank zur Verfügung stünden, sei eine Rentenalter-Erhöhung auf 66, 67 oder 68 Jahre der Bevölkerung schwierig zu vermitteln, gab Thomas Bläsi (SVP/GE) zu bedenken.

Interessen der nächsten Generation

Für ein Ja zur Initiative setzte sich die FDP ein. Es gehe darum, den Interessen der nächsten Generation gerecht zu werden, sagte Regine Sauter (FDP/ZH). Das Problem der Alterung der Gesellschaft werde von der Politik auf die lange Bank geschoben wie kein anderes, sagte Beat Walti (FDP/ZH).

Nach aktuellen Prognosen werde die AHV in 19 Jahren ihr Kapital aufgebraucht haben, erklärte Andri Silberschmidt. Ab dann könne die AHV ihre Leistungen nicht mehr finanzieren. (aeg/sda)

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149 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bcZcity
06.06.2023 09:50registriert November 2016
Geld wäre genug da, nur wirft man es in die falschen Hälse. Die Mehreinnahmen der OECD Mindeststeuer könnten z.B vollumfänglich in die AHV fliessen. Nur eines von vielen aber eben das aktuellste Beispiel.
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Tokyo
06.06.2023 09:47registriert Juni 2021
weder SVP noch FDP haben was fürs Fussvolk übrig
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Grobianismus
06.06.2023 09:30registriert Februar 2022
Kann ich verstehen, wenn man zugunsten der Jungen das Rentenalter erhöhen möchte. Bin mir einfach nicht sicher, ob das wieder die Falschen trifft, da Vermögende einfach in Frühpension gehen können. Wenn die Bürgerlichen zusammen etwas erreichen möchten, ist es eigentlich immer nur zugunsten der Reichen...
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