Im kommenden Frühjahr kommt es an der Spitze mehrerer Parteien zum grossen Sesselrücken. SVP, SP, Grüne und BDP brauchen neues Personal für das zeitlich aufwändige und aufreibende Präsidium. Eitel Sonnenschein herrscht einzig bei den Grünen, trotz gescheiterter Bundesrats-Ambitionen. Bei den anderen drei Parteien gibt es mehr oder weniger grosse Baustellen.
Der Amtsinhaber: Wenn die SVP gehofft hatte, mit einem freundlichen Gesicht an der Spitze zusätzliche Wähler im bürgerlichen Segment zu gewinnen, so ist die Bilanz eindeutig: Experiment missglückt. Das lag weniger an Albert Rösti selbst. Der Berner Oberländer hat bei den Wahlen im Oktober mit mehr als 128'000 Stimmen das landesweit beste Ergebnis im Nationalrat erzielt.
Sein Image als «gmögiger» Typ war Segen und Fluch zugleich. Rösti kam bei den Leuten gut an, doch für die Spitze der Volkspartei war er der falsche Mann. Vorgänger Toni Brunner beherrschte den Spagat zwischen Stimmungskanone und Scharfmacher. Albert Rösti fiel beides schwer. Nach vier für die Partei überaus schwierigen Jahren zog er die Konsequenzen und trat zurück.
Die Nachfolge: Ein Indiz könnte die Sitzordnung im Nationalrat sein. Nach den Wahlen vor vier Jahren wurde Albert Rösti in die hinterste Reihe «befördert», wo die Schwergewichte sitzen. Kurz darauf war er Präsident. Nun findet man dort den Schwyzer Marcel Dettling. Dies zeigt, dass der in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannte Bauer innerhalb der Partei sehr viel Kredit geniesst.
Dettling könnte einer zunehmend von Akademikern und Managertypen dominierten Partei eine gewisse Bodenhaftung verleihen. Eine mögliche Alternative wäre Werner Salzmann, der trotz Hardliner-Image in Bern einen Ständeratssitz erobern konnte. Eines allerdings wird sich mit einem neuen Präsidenten nicht ändern: Der Kurs der SVP wird weiterhin von Herrliberg aus diktiert.
Der Amtsinhaber: Christian Levrat ist der Methusalem unter den Parteipräsidenten. Seit 2008 ist der Freiburger im Amt, eine lange Zeit für diesen Verschleissjob. Sein Rücktritt kommt nicht überraschend, er hat sich abgezeichnet. Dennoch geht Levrat zu einem heiklen Zeitpunkt: Die SP hat im Oktober ihr schlechtestes Ergebnis seit Einführung der Proporzwahl vor 100 Jahren erzielt.
Die Verluste gingen auf das Konto der Grünen, und insgesamt hat das linke Lager zugelegt. Dennoch befindet sich die SP in einem ähnlichen Dilemma wie ihre Schwesterparteien in Europa. Der Sozialdemokratie fehlt häufig eine klare Strategie für die Herausforderungen der Gegenwart. Die Grünen wirken im Vergleich frischer und moderner.
Die Nachfolge: Letzte Woche meldeten der Aargauer Nationalrat Cédric Wermuth und die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer ihre Bewerbung an. Sie wollen die SP im Co-Präsidium führen und gelten als klare Favoriten. Unbestritten ist das Duo jedoch nicht. Kritik kommt vom gemässigten Parteiflügel, denn Wermuth und Meyer stehen für einen prononcierten Linkskurs.
Befürchtet wird auch, dass der macht- und selbstbewusste Aargauer seine Zürcher Kollegin, die im Parlament bislang keine grosse Rolle spielte, in den Schatten stellen wird. Der Walliser Nationalrat Mathias Reynard erwägt offenbar eine Gegenkandidatur, gemeinsam mit einer Frau aus der Deutschschweiz. Die Solothurnerin Franziska Roth habe er angefragt, wie sie gegenüber «CH Media» erklärte.
Die Amtsinhaberin: Als Kandidatin für den Bundesrat ist Regula Rytz gescheitert. Als Präsidentin der Grünen aber könnte es der Berner Nationalrätin nach dem Traumergebnis bei den Wahlen kaum besser laufen. Dennoch tritt sie ab, nicht ganz freiwillig. Die Parteistatuten sehen eine Beschränkung der Amtszeit auf acht Jahre vor. Immerhin kann Rytz erhobenen Hauptes gehen.
Die Nachfolge: In der Pole Position befindet sich Fraktionschef Balthasar Glättli. Der 47-jährige Zürcher hat sein Interesse am Präsidium angemeldet. Nicht im Vordergrund scheint ein Jobsharing zu stehen. Der Versuch mit Regula Rytz und der Waadtländerin Adèle Thorens verlief durchzogen. Falls Glättli Präsident wird, dürfte der Fraktionsvorsitz fast zwangsläufig an eine Frau gehen.
Der Amtsinhaber: Bereits Mitte 2018 und damit früher als alle anderen hat Martin Landolt seinen Rücktritt angekündigt. Nun geht der Glarner Nationalrat zu einem schwierigen Zeitpunkt. Die BDP wurde bei den Wahlen gerupft: Die Fraktionschefin und der Vertreter des Gründerkantons Graubünden im Nationalrat wurden abgewählt, der einzige Ständeratssitz in Bern ist weg.
In nur vier Jahren von der stolzen Bundesratspartei und Mehrheitsbeschafferin zum «Anhängsel» der CVP in der neuen Mitte-Fraktion: Der Abstieg der BDP ist in der Schweizer Parteiengeschichte beispiellos. Das macht die Ausgangslage für Landolts Nachfolgerin oder Nachfolger überaus heikel. Es geht um nichts weniger als das langfristige Bestehen der Partei als nationaler Faktor.
Die Nachfolge: Wenn ein Bundesparlamentarier gefordert ist, kommen nur die beiden Berner Lorenz Hess und Heinz Siegenthaler in Frage. Andere gibt es nicht mehr. Die BDP könnte auch den Befreiungsschlag mit einem jüngeren und unverbrauchten Gesicht suchen. Ein Name, der in diesem Zusammenhang öfter genannt wird, ist der 28-jährige Berner Kantonalpräsident Jan Gnägi.