Der frühere Tessiner FDP-Ständerat, Staatsanwalt und «Mafia-Jäger» Dick Marty ist tot. Der frühere Abgeordnete des Europarats und Mitglied der OSZE-Kommission für Menschenrechte starb im Alter von 78 Jahren.
Marty starb am Donnerstag, wie ein Sprecher der FDP Schweiz der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage sagte. Zuvor hatten mehrere Medien über den Tod des Politikers berichtet.
Sein Tod hinterlasse eine unüberbrückbare Lücke in der politischen und gesellschaftlichen Landschaft des Tessins, teilte die Tessiner FDP am Donnerstag mit. Marty sei eine Persönlichkeit höchsten Formats gewesen, die sich im Laufe der Jahre auf nationaler und internationaler Ebene Respekt und Achtung verschafft habe.
«Er setzte sich unermüdlich für eine offene Schweiz, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit ein», schrieb Bundesrat Alain Berset (SP/FR) auf der Plattform X (ehemals Twitter). Auch ehemalige Parteikollegen bekundeten ihre Trauer und würdigten den Verstorbenen. «Marty war eine Referenz für seine Integrität, Rigorosität und Moral», schrieb Nationalrat Damien Cottier (FDP/NE) ebenfalls auf X.
Der 1945 in Lugano geborene Jurist war von 1975 bis 1989 Staatsanwalt im Tessin und danach bis 1995 Regierungsrat, ehe er von 1995 bis 2011 im Ständerat sass. Ab 1998 war er Abgeordneter im Europarat. Dort machte er sich einen Namen als Sonderermittler zu umstrittenen CIA-Gefangenentransporten und geheimen Gefängnissen in Europa und zu illegalen Organentnahmen an Gefangenen im Kosovo.
Marty hatte als Sonderberichterstatter des Europarates 2010 einen Bericht über mutmassliche Kriegsverbrechen durch kosovarische Milizen im Unabhängigkeitskrieg gegen Serbien veröffentlicht.
Nach dem Kosovo-Krieg wurden laut Martys Bericht mehr als 400 Serben und «nicht-loyale» Albaner gekidnappt und nach Albanien gebracht. Dort wurden ihnen illegal Organe entnommen. Kosovos damaliger Premier Hashim Taci hatte Marty unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe mit Joseph Goebbels verglichen. Die Anschuldigungen Martys wies der ehemalige Rebellenführer zurück.
Die Erkenntnisse des ehemaligen Tessiner Ständerates dienten 2020 der Anklage im Kosovo-Sondergericht in Den Haag gegen den langjährigen kosovarischen Präsidenten Taci, welcher daraufhin von seinem Amt zurücktrat.
Der ehemalige Tessiner Ständerat lebte monatelang unter strengem Polizeischutz. Laut dem «Tages-Anzeiger» haben geheimdienstliche Verstrickungen und Mordpläne gegen den ehemaligen Tessiner Staatsanwalt zur Verstärkung des Sicherheitsdispositivs geführt. Die Zeitung stellt eine Verbindung her zu Martys früherer Tätigkeit als Sonderermittler im Auftrag des Europarates für Kriegsverbrechen im Kosovo.
In einem Interview mit dem Westschweizer Fernsehen RTS erklärte Marty 2022 selbst, dass die Bedrohung offenbar aus bestimmten Kreisen des serbischen Geheimdienstes komme. Diese hätten professionelle Killer beauftragt, ihn zu liquidieren, um die Schuld dann auf die Kosovaren schieben zu können.
Marty war auch von 2011 bis zu ihrer Auflösung Ende 2017 Präsident der Interjurassischen Versammlung (IJV). Das Gremium wurde für die Beilegung des Jurakonflikts gebildet. Der Tessiner war zudem von 1996 bis 2007 Präsident von Schweiz Tourismus und arbeitete auch in Teilzeit als Rechts- und Wirtschaftsberater.
Der ehemalige Tessiner Ständerat war in seinem Leben auch als Buchautor tätig. Marty veröffentlichte insgesamt sechs Werke in vier Sprachen. In seinem letzten Werk «Verità irriverenti» (dt. «Unverblümte Wahrheiten») schrieb Marty über persönliche Schicksalsschläge, politische und wirtschaftliche Krisen und Kriege, welche die Schweiz und die Welt erschütterten.
(hah/sda)
Ich durfte Sie während des Abstimmungskampfs für die Konzernverantwortungs-Initiative kennen lernen und es schmerzt mich sehr, dass Sie nicht mehr miterleben dürfen, das Schweizer Konzerne Verantwortung für ihre Taten im In- und Ausland übernehmen müssen.
Herzlichen Dank für alles was, Sie getan haben! Sie werden mir und uns allen fehlen.