Anmerkung: Der Text ist nicht von mir, sondern von meiner Frau. Aber für kurzfristige Mitarbeiter haben wir keinen lässigen Kopf-Button auf dem Teaserbild, drum nehmen wir meinen.
Wenn sich der Mann quer durch die Schweiz quält, fühle ich mich als Ehefrau natürlich in der Pflicht, seine Leiden nachvollziehen zu können. Dummerweise habe ich mir bisher immer treffsicher die anstrengendsten Etappen ausgesucht: Letztes Wochenende keuchten wir gemeinsam die Alpe di Neggia rauf – ich mit meinem Mountainbike war oben sehr nahe am Ende meiner Kräfte.
Aber aus Erfahrungen lernt man ja bekanntlich und deshalb traut sich frau für die 20. Etappe zum ersten Mal aufs Rennvelo – da muss ich ja die Pässe nun fast rauffliegen, denke ich.
Aussehen tut's schon mal gut, aber die Fahrversuche nach der Ankunft in Airolo sehen alles andere als elegant aus. Warum ist alles so klein und instabil an diesem Velo? Ich wünsche mir sehnlichst mein eigenes Mountainbike von letztem Wochenende herbei. Mein Göttergatte, der ewige Optimist, beruhigt: Das kommt schon gut, wir fahren ja zuerst rauf, da kannst du dich dran gewöhnen. Ach ja, wie beruhigend – es stehen ja nur Nufenen und Furka auf dem Plan.
Der Start am Morgen klappt dann tatsächlich besser als befürchtet, bergauf kann ich sogar trotz schwerem Rucksack wieder die gewohnte Führungsposition einnehmen (wie auf unseren «normalen» Mountainbike-Touren). Kurz nach Bedretto, als die Strasse ansteigt, überholt uns leichtfüssig ein älterer Herr und ruft uns zu «Kommt ihr dann von hinten und ich kann mich weiter oben anhängen?» Wir staunen nicht schlecht – und bezweifeln, dass wir ihn nochmal sehen.
Ein paar Kurven später wartet Peter aber auf uns. Der 71-Jährige erzählt, dass er jeden Sommer so viele Pässe wie möglich bezwingt. So 30 seien es jeweils schon. Er ist ganz überrascht, als Reto ihm bestätigt, dass er «der aus dem Radio» sei. Peter hatte den Beitrag auf SRF1 am Morgen gehört. Es ist schön zu sehen, wie sich Leute wie Peter für Retos Projekt begeistern.
Wir fahren schliesslich alle zusammen bis zur Nufenen-Passhöhe. Peter übrigens in Sandalen, ohne Klick-Pedalen – solche «neumodischen» Sachen brauche er nicht. Um mit 71 noch fit zu sein, braucht es seiner Meinung nach nicht viel, nur regelmässiges Training – und bergauf am besten einen Puls unter 140. Davon können wir nur träumen.
Zur wirklichen Tortur wird für mich die 1000-Höhenmeter-Abfahrt. Die Sitzposition auf dem Rennvelo ist ungewohnt, ich habe das Gefühl, dass mein ganzes Gewicht auf die Hände drückt. Der Typ, der die Position der Bremsen am Rennradlenker erfunden hat, den sollte man … Nun ja, wir sind dann am Schluss doch unten angekommen.
Schon steigt die Strasse Richtung Furkapass wieder an. Das geht relativ problemlos und diverse Schweissperlen später treffen wir beim Hotel Belvedere am Rhonegletscher Ruedi und Meinrad. Ruedi (im herrlichen Bergpreistrikot) hat am Morgen auch den Radio-Beitrag über Reto gehört und freut sich sehr über die Begegnung. Die beiden schlagen ein gutes Tempo zur Passhöhe an.
Nach einer zweiten endlosen Abfahrt erreichen wir Andermatt. Der Tag war lang und anstrengend, einmal mehr staune ich, wie mein Mann diese Strapazen seit drei Wochen scheinbar mühelos wegsteckt. Seine Storys lesen sich immer so leicht und locker, aber wenn man selber mal wieder einen Tag über sieben Stunden im Sattel gesessen hat, dann fragt man sich schon, wie das möglich ist. Ist es die Begeisterung für das Projekt? Der Anreiz, etwas zu leisten, was vorher wohl noch keiner gemacht hat?
Ich freue mich auf weitere Etappen und einmalige Erlebnisse – denn die sind schlussendlich viel mehr wert als jede noch so beeindruckende Zahl wie 11'000 Kilometer. Wer einmal mitgefahren ist, kann erst nachvollziehen, was Reto davon abhält, sein Velo an einem schlechten Tag einfach in den nächsten Busch zu werfen und aufzugeben.