Die Hotline der Exportförderung läuft gerade heiss
Seit Donald Trump der Schweiz 39 Prozent Strafzoll aufgebrummt hat, läuten bei der Schweizer Exportförderorganisation Switzerland Global Enterprise (S-GE) in Zürich die Telefone ununterbrochen. Schweizer Firmen holen sich dort Rat, um zu erfahren, welche Zoll-Bedingungen für ihre Produkte gelten – und welche Umgehungsmöglichkeiten es gibt.
«Der Informationsbedarf bei den Unternehmen ist sehr hoch. Unser Team hat seit Anfang August 308 Anfragen zu den US-Zöllen erhalten», sagt Orlando Alfonso, Direktor von Exporthelp, eines Angebots von S-GE. Die Zahl der Anfragen bezüglich US-Exporte ist im Vergleich zu einem durchschnittlichen Vorjahresmonat um ganze 172 Prozent gestiegen und hat sich damit fast verdreifacht. Am meisten Hilfe suchen KMU aus der Industrie, heisst es. Das ist nicht überraschend. Nach der Pharmabranche – die von Zöllen noch ausgenommen ist – sind Uhren- und Maschinenbauer besonders vom US-Markt abhängig.
Tipps stützen sich auf Trumps Proklamationen
Viele Fragen drehen sich darum, ob ein Schweizer Produkt von den US-Zöllen überhaupt betroffen ist. Andere Unternehmen präsentieren ihre Ideen, wie sie Zölle umgehen wollen, und möchten diese auf die Legalität hin prüfen lassen. Jüngst erreichten die Export-Experten viele Anfragen zur Preisgestaltung, sagt Orlando. Zum Beispiel diese: Wie kann der Zollwert, der als Basis für die Erhebung der Zölle dient, tiefer angesetzt werden?
Vorneweg: Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Es gibt aber etwas Spielraum. Wichtig ist beispielsweise, dass der Warenwert für die Zollberechnung nur die Transportkosten bis zum Abgangshafen enthalten muss – und nicht die Lieferung bis zum endgültigen Empfänger in den USA.
«Wir informieren die Unternehmen dabei über die aktuellen rechtlichen Vorgaben und helfen ihnen, diese einzuhalten», sagt Orlando. Dabei stütze man sich hauptsächlich auf offizielle Informationen aus den jeweiligen «Proclamations» oder «Executive Orders» aus der Trump-Regierung.
Noch keine Krise wie Covid-Pandemie
Während einzelne Schweizer Firmen und Branchen massiv betroffen sind, sehen die Aussichten für die Gesamtwirtschaft nicht so düster aus – trotz Rekord-Zoll von 39 Prozent. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) rechnet zwar für dieses und nächstes Jahr mit einem Einbruch des Bruttoinlandprodukts, nicht aber mit einer Rezession.
Aktuell scheint es so, dass der Zoll-Schock weniger verheerend ausfallen dürfte als frühere Krisen wie etwa die Aufhebung des Franken-Mindestkurses oder der erste Lockdown in der Coronapandemie. Die verordneten Schliessungen im Frühjahr 2020 zum Beispiel legten das Wirtschaftsleben plötzlich lahm, betrafen viel mehr Sektoren und hatten das Potenzial, eine Finanzkrise auszulösen.
Das ist heute anders. Die Zölle wirken sich schleichend aus und treffen nur etwa 10 Prozent aller Schweizer Exporte. Das Seco rechnet deshalb kurzfristig nicht mit einer Welle an Kurzarbeitsanträgen. Mittelfristig könne die Arbeitslosenquote zwar ansteigen – doch das hänge auch vom «Deal» ab, den der Bundesrat mit Trump verhandeln kann.
Der Bundesrat will dem US-Präsidenten bald ein «verbessertes» Angebot unterbreiten, um die Zölle herunterzubringen. Bis dahin müssen auch die Schweizer Exportfirmen versuchen, ihren Umgang mit der Zoll-Situation zu optimieren. Switzerland Global Enterprise gibt dafür nicht nur kurzfristige Tipps. Sie unterstützt auch Firmen dabei, die eigene Betroffenheit im US-Markt zu reduzieren, etwa durch den Aufbau von Partnerschaften, die Gründung von Niederlassungen oder die Diversifikation hin zu alternativen Absatzmärkten.
Düsterer könnten die Aussichten für die Schweiz werden, wenn Donald Trump auch die Pharmagiganten Roche und Novartis mit Zöllen belegt – oder sie zu tieferen Preisen zwingen kann. Dann droht laut der Konjunkturforschungsstelle KOF eine Rezession. (aargauerzeitung.ch)
