2019 ist nationales Wahljahr. Für die Parteien und Kandidierenden bedeutet dies: Ein knackiges Plakat und ein prägnanter Slogan muss her.
Den ersten Volltreffer diesbezüglich hat die BDP gelandet, deren Spruch «langweilig, aber gut» für viel Echo gesorgt hat. Der Spruch ist zwar etwas gewagt, doch bei Wahlkampfexperten und Werbern kommt er gut an.
Neue Wege wagt dieses Jahr auch Nationalrat Cédric Wermuth. Er will den Sprung von der grossen in die kleine Kammer schaffen und Ständerat werden. Ihm fällt die schwierige Aufgabe zu, für die SP den freiwerdenden Sitz von Pascale Bruderer zu verteidigen.
Dies dürfte im traditionell bürgerlichen Kanton Aargau nicht einfach werden. Zumal der 33-Jährige deutlich weiter links politisiert als Bruderer und der Ständerat nach dem Majorz-System gewählt wird.
Nicht wenn es nach Wermuth geht. Er glaubt an seine Chancen und hat sich mit jenen Leuten zusammengetan, die wissen müssen, was es für eine Überraschung braucht. Er hat mit jenen Menschen zusammengearbeitet, die mitverantwortlich für einen der grössten Polit-Coups der letzten Jahre waren. Mit jener Design-Agentur, die hinter dem sensationellen Aufstieg von Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) steckt.
Noch vor einem Jahr war die 29-jährige Demokratin kaum bekannt. Heute ist Alexandria Ocasio-Cortez eine der einflussreichsten US-Politikerinnen überhaupt. Am Anfang ihres Erfolgs stand der überraschende Sieg in den Vorwahlen gegen Joe Crowley. Ein mächtiges Urgestein der Demokraten. Ocasio-Cortez wurde im Vorfeld der Wahlen nicht der Hauch einer Chance eingeräumt, gewonnen hat sie trotzdem.
Der Aargauer beobachtet den Werdegang des amerikanischen Polit-Shootingstars ganz genau. «Sie ist die grosse Hoffnung für die internationale Linke», sagt Wermuth gegenüber watson. «Noch vor drei, vier Jahren hätte ich nie mit einem linken Aufbruch in den USA gerechnet.»
Vom Know-How, welches das Team von AOC im vergangenen Jahr gesammelt hat, will nun auch Wermuth profitieren. Das Corporate Design für seine neue Kampagne und das Wahlplakat hat wie bei Ocasio-Cortez die New Yorker Firma Tandem entworfen.
Bei den Werbern und den Designern der Firma handle es sich um gute Freunde von Ocasio-Cortez, sagt Wermuth. Erst nach einem langen Gespräch hätten sie Ja gesagt zur Zusammenarbeit. «Sie wollten genau wissen, welche politischen Ziele ich verfolge. Am Ende sagten sie zu, da sie mein Projekt cool fanden.»
Seit Beginn dieses Jahres wurde in New York gearbeitet. Immer im engen Austausch mit Wermuth und seinem Team in der Schweiz. Entstanden ist eine Kampagne unter dem Motto «Equity», «Gleichheit und Gerechtigkeit» also.
Für den SP-Politiker ist die Zusammenarbeit mit dem Team von AOC auch ein politisches Statement: «Die aktuellen Probleme – Klima, Rechte, Flucht, Finanzkrise – brauchen eine Generation, die ernsthaft global zusammenarbeitet. Das soll die Kooperation auch unterstreichen.» Sowohl Ocasio-Cortez als auch er versuchten, Politik mit und bei den Menschen zu machen, sagt Wermuth.
Die Vorlagen wird der ehemalige Juso-Präsident nun einsetzen. Das neue Design wird auf Flyern, Instagram, Facebook und dergleichen ab sofort zu sehen sein. Die Plakate dürfen im Kanton Aargau indes erst acht Wochen vor den Wahlen aufgehängt werden.
Nach dem Wahlerfolg von Ocasio-Cortez erhielt Tandem viel mediale Aufmerksamkeit. «Fast so bemerkenswert wie ihr politischer Umsturz sind die radikal gestalteten Poster und Knöpfe ihrer Kampagne», schrieb etwa die Washington Post. CNN, Vox und Politico bliesen ins gleiche Horn.
Auch in der kürzlich erschienenen Netflix-Dokumentation über AOC kommt die Arbeit der Agentur zur Sprache. Die junge Demokratin vergleicht darin ihren Wahlflyer mit jenem von Crowley – mit einem vernichtenden Resultat für letzteren. Bei ihrem Konkurrenten sei nicht einmal das Wahldatum vermerkt, stellt AOC kopfschüttelnd fest.
Diesen Fehler wird Wermuth schon mal nicht begehen, das Wahldatum vom 20. Oktober ist deutlich erkennbar. Auch ansonsten sind die Parallelen in der Bildsprache deutlich sichtbar. Etwa der vorwärtsgerichtete Blick der beiden Kandidaten, der einen Aufbruch signalisiert.
Mindestens einen weiteren Aspekt der AOC-Kampagne hat Wermuth ebenfalls übernommen: So stattet er in diesen Tagen Dutzenden Aargauer Familien einen Besuch ab und spricht mit ihnen über ihre Bedürfnisse. Auch Ocasio-Cortez ging während des Wahlkampfes von Tür zu Tür und sprach mit zahlreichen Bewohnern ihres Quartiers.
«Die Grassroot-Kampagnen, die sie, aber auch schon andere Mitglieder der ‹Justice Democrats› vor ihr aufgebaut haben, waren sicher eine Inspiration für meine Tour durch den Aargau», so Wermuth.
Nun stellt sich die Frage, ob das Erfolgsrezept aus der Bronx und Queens auch im Aargau einschlagen wird. Angst, dass er wegen der Zusammenarbeit mit AOCs Team in eine linksextreme Ecke geschoben wird, hat Wermuth keine. Ocasio-Cortez wird in den USA von Kritikern zwar als Kommunistin bezeichnet, doch Wermuth meint: «Die Positionen, welche sie vertritt, sind in den europäischen Sozialdemokratien längst Mainstream.»
Ob das die Wähler ebenfalls so sehen und Wermuths Rechnung aufgeht, wird sich weisen. Spätestens am 20. Oktober wissen wir mehr.
Ansonsten: Finde die Kampagne gelungen und mit der Zeichensetzung gegen Lobbyismus sicher auch ein "sexy" Thema über die SP-Stammwählerschaft hinaus.
Das watson über beide sehr häufig berichtet, im Wissen, das es dank Köpfen wie mir Klicks und Kommentare gibt?
Mal schauen, es käme einem kleinen Erbeben gleich, würde Wermuth gewählt werden.....
Und wüde natürlich auch von grossem politischen Geschick zeugen.