Schweiz
UserInput

«Bastien Girod zu 100 Prozent in den Ständerat gewählt»: Wie die Wahlbörse des «Tages-Anzeigers» manipuliert wurde

«Bastien Girod zu 100 Prozent in den Ständerat gewählt»: Wie die Wahlbörse des «Tages-Anzeigers» manipuliert wurde

02.10.2015, 14:5702.10.2015, 15:17
Mehr «Schweiz»

Bastien Girod hat höchstens Aussenseiterchancen auf einen Sitz im Ständerat. Die Wahl von Ruedi Noser (FDP) und Daniel Jositsch (SP) gilt gemäss einer Prognose der «Schweiz am Sonntag» als fast sicher – wenn auch wohl erst im zweiten Wahlgang. 

Wer aber am vergangenen Montag einen Blick auf die Wahlbörse des «Tages-Anzeigers» geworfen hat, der kommt auf eine andere Voraussage: Da gibt es am Einzug von Girod in die kleine Kammer keine Zweifel – der Grüne liegt mit 100 Prozent auf Platz 1. Weit abgeschlagen folgt Daniel Jositsch mit 48 Prozent. Etwas später lag der Grünen-Nationalrat dann mit 39 Prozent auf Rang 2.

Bild

Das wirft die Frage auf: Wurde die Wahlbörse der Zeitung manipuliert? Denn Girod bewegte sich zuvor und danach konstant ausserhalb der Top 2, aktuell liegt er mit 24 Prozent auf Rang vier. Hinter Jositsch, Noser und Hans-Ueli Vogt von der SVP.

Wie die Wahlbörse funktioniert, ist auf der Website festgehalten:

«Ein Prognosemarkt funktioniert wie eine richtige Börse. Anstelle von Unternehmens-Aktien werden Aktien zukünftiger Ereignisse gehandelt, wie etwa Sportevents, Fragestellungen aus dem Bereich Wirtschaft und Finanzen oder eben Wahlen und Abstimmungen.»

Die Devise lautet also:

«Kaufe billig, verkaufe teuer. Optimiere dein Portfolio.»
Wahlen 2015

Was ist passiert? Einzelne Personen haben wohl Aktien des Grünen-Politikers und Umweltwissenschafters zu überhöhten Preisen gekauft – und so seinen Wert künstlich nach oben getrieben. Der «Tages-Anzeiger» bestätigte gegenüber dem watson-Leser die Manipulationen: 

«[...] Falls dennoch eine Manipulation stattfindet – dies war gestern bei der Aktie Girod (GPS) der Fall – werden die verantwortlichen Händler umgehend gesperrt und von der weiteren Teilnahme an der Wahlbörse ausgeschlossen.»

Bastien Girod, der einen Screenshot der für ihn vorteilhaften Rangliste am Montag auf seiner Facebook-Seite geteilt hat, sagt auf Anfrage: «Ich habe das Bild auf Facebook mit einem Augenzwinkern gepostet. Natürlich war mir klar, dass das so nicht sein kann.» Wer hinter den Manipulationen steckt, kann sich Girod aber nicht erklären: «Eine Kampagne der Grünen war es jedenfalls nicht, das kann ich Ihnen versichern.»

«Eine Wahl wäre eine Sensation»

Der «Tages-Anzeiger» schrieb dazu in einer Mail an den watson-Leser lediglich: «[...] unsere Wahlbörsenmoderatoren achten darauf, dass die Kurse möglichst nicht manipuliert werden» und: «Kursschwankungen sind ein temporäres Phänomen und haben keinerlei Auswirkung auf die endgültige Prognose der Wahlbörse.»

Tamedia-Sprecherin Eliane Loum bestätigte gegenüber watson, dass es zu einem Fall von Manipulation gekommen sei, hält aber fest, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Damit sich ein solcher Fall nicht wiederholt, seien die Projektverantwortlichen an einer vertieften Analyse. «Ganz ausschliessen lassen sich die Manipulationen aber nicht – genauso wenig wie bei einer behördlichen Wahl», sagt die Mediensprecherin. Wer genug «kriminelle Energie» an den Tag legt, der könne beides fälschen. «Letztlich muss man aber sehen, dass es sich bei der TA-Wahlbörse um ein Spiel handelt», betont Loum.

Angesprochen auf seine Wahlchancen gibt sich Girod kämpferisch: «Zu Beginn des Wahlkampfs hat man mir keinen Kredit gegeben. Mittlerweile sieht das ein wenig anders aus: Wenn Jositsch tatsächlich im ersten Wahlgang gewählt wird, dann könnten sich Noser und Vogt im zweiten Durchgang gegenseitig Stimmen wegnehmen.» In diesem Fall wäre Girod der lachende Dritte. Aber der Grünen-Nationalrat hält fest: «Eine Wahl wäre natürlich eine Sensation». (wst)

Die aktuelle Rangliste (Stand: 2. Oktober 2015):

Stand: 2.Oktober, 08.15 Uhr
Stand: 2.Oktober, 08.15 Uhr

Dir gefällt diese Story? Dann teile sie bitte auf Facebook. Dankeschön!👍💕🐥

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
4 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Howard271
02.10.2015 16:25registriert Oktober 2014
Man kann ja auch einfach bis am 18.10. warten - dann hat man das richtige Resultat. Haben die Leute (oder wohl eher die Medien) wirklich so wenig Geduld?
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
koks
02.10.2015 15:23registriert August 2015
kapiere den sinn dieser wahlbörse nicht. am wahltag hat jeder eine stimme, und gut ist. die wird weder teuer noch günstig verkauft. dass selbst der angeblich linke tagi diesem marktwahn - alles ist käuflich, der markt regelt alles - verfallen ist, sagt ja wohl bereits genug über den zustand unserer gesellschaft und gewisser exponenten des linken mainstreams.
00
Melden
Zum Kommentar
4
Rüge: SRF hat bei Berichterstattung zu Gaza-Protesten das Vielfältigkeitsgebot verletzt

Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hat mit seiner Berichterstattung über Gaza-Proteste an Universitäten das Vielfältigkeitsgebot verletzt. Zu diesem Schluss kommt die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen. Die Beschwerde hatte ein Rechtsanwalt erhoben.

Zur Story