Was passiert, wenn zwei Welterklärer aufeinander treffen? Genau, sie sind sich uneinig in so ziemlich allen Punkten. Klar: Kritik, Widerspruch und abgeschnittene Argumente sind in der Sendung von Roger Schawinski Programm. Ist es aber Jean Ziegler, der dem Fernsehmoderator gegenübersitzt, so wandelt sich die Sendung zum Duell zweier dozierenden Allwissenden.
Eingeladen hat Schawinski den 85-jährigen Jean Ziegler, um über die Lage in Venezuela zu sprechen. Ziegler, emeritierter Soziologieprofessor, ehemaliger SP-Nationalrat, UNO-Sonderberichterstatter, Autor von diversen Büchern und bekennender Marxist, macht keinen Hehl um seine Unterstützung von dem Sozialisten Nicolás Maduro. Dieser ist bei vielen in Ungnade gefallen und seit Juan Guaidó sich selbst zum neuen Präsidenten des Landes ernannte, herrschen in Venezuela bürgerkriegsähnliche Zustände.
Vorerst will Schawinski aber noch über andere «kommunistische Länder» sprechen. Über Russland zum Beispiel. «Russland?», fragt Ziegler nach. Das habe doch mit Kommunismus nichts zu tun. Sowieso habe es den Kommunismus noch nie gegeben auf der Welt, ausser bei der Pariser Kommune 1871.
Noch bevor Ziegler zu einem historischen Abriss ansetzen kann, hüpft Schawinski schnell weiter. «Aber den Lenin, den findest du gut, oder?» Ziegler beginnt, Marx und Engels zu zitieren. «… Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen …»
Schawinski klemmt ihn ab. Dann halt China. «Dort hat die kommunistische Partei eine kapitalistische Wirtschaftsmacht hochgezogen. Findest du, das ist dort gut rausgekommen?» Ziegler: «China ist eine Polizeidiktatur, wie die Sowjetunion eine war. Auch das hat nichts mit Kommunismus zu tun.»
Dieser Schlagabtausch geht noch etwas weiter. Schawinski lässt Ziegler sich auch von der Schreckensherrschaft der roten Khmer in Kambodscha und vor Kim Jong Un in Nordkorea distanzieren. Irgendwann hakt er etwas genervt nach: «Roger, warum fragst du mich das alles?»
Schawinskis Plan scheint nicht ganz aufzugehen. Ziegler solidarisiert sich weder mit Nicaraguas Präsident Ortega, noch mit Simbawes Mugabe oder Libyens Gaddafi. Was die machen oder gemacht haben, sei alles eine Perversion, so sein knapper Kommentar.
Schawinski verwirft die Hände: «Am Anfang findest du die immer die Grössten, und ein paar Jahre später sagst du, dass die alle spinnen.» Er will Ziegler darauf festnageln, dass er zugibt, dass der Sozialismus in den Mülleimer der Geschichte gehört.
Nach einem Schwenker über Kuba landet das Gespräch endlich dort, wo es Schawinski haben will: bei Venezuela. Ziegler, voll in seinem Element, beginnt zu dozieren. Man müsse zurückschauen auf die Wahl von Hugo Chavez 1999, wie er in Venezuela den Hunger bekämpft habe und dann 2013 ermordet wurde. Schawinski runzelt die Stirn, beschliesst aber, nicht weiter auf Zieglers Geschichtsschreibung einzugehen. Vielmehr will er über die venezolanischen Flüchtlinge sprechen, die das Land verlassen haben, über das korrupte Militär, die Inflation.
Die zwei Männer sind sich zumindest darüber einig, dass es den Venezolanern schlecht geht. Wer die Schuld an diesen Umständen trägt, darüber herrscht allerdings grosse Uneinigkeit.
Laut Ziegler ist es Donald Trump, der wiederhole, was Kissinger und Nixton 1973 mit Pinochet in Chile getan haben. Die Wirtschaftsblockade der USA sei es, die Venezuela in den Abgrund treibe. Blödsinn, sagt Schawinski. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.
Zum Schluss sagt Schawinski: «Jean, jetzt bist du 85 und hast dich dein Leben lang geirrt. Deine sozialistischen Experimente sind in der Realität immer gescheitert. Du musst du langsam einsehen, dass ein aufgeklärter Kapitalismus am Ende des Tages einfach besser ist.»
Mitnichten lenkt Ziegler ein. «Der Kapitalismus muss zerstört werden, bevor er uns und den Planeten zerstört.» (sar)