Schweiz
Verbrechen

Zürcher Obergericht muss bei Brians Sicherheitshaft über die Bücher

Beschwerde von Brian gutgeheissen – Zürcher Obergericht muss über die Bücher

17.08.2021, 12:0017.08.2021, 13:07
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Das Obergericht Zürich hat seinen Entscheid zur Verlängerung der Sicherheitshaft von Brian bis zum Beginn des Strafvollzugs unzureichend begründet. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Es hat eine Beschwerde des 25-jährigen Mannes teilweise gutgeheissen.

Die erste öffentlich-rechtliche Abteilung führt in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil aus, die Zürcher Vorinstanz habe zwei von Brian eingereichte Privatgutachten zu den psychischen und sozialen Auswirkungen des strikten Haftregimes nicht ausreichend in die Begründung ihres Entscheids einbezogen. Damit habe sie den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

ARCHIVBILD ZUM URTEIL DES ZUERCHER OBERGERICHTS IM FALL CARLOS, AM MITTWOCH, 16. JUNI 2021 - Portraitzeichnung des Haeftlings Brian (bekannt als Carlos). Die Anwaelte von Carlos, der mittlerweile auch ...
Die Beschwerde des 25-jährigen Brian wurde teilweise gutgeheissen. Bild: keystone

Der von den Medien ursprünglich als «Carlos» benannte Mann, der mit richtigem Namen Brian heisst, ist in der Sicherheitsabteilung der Justizvollzugsanstalt Pöschwies ZH untergebracht. 23 Stunden pro Tag ist er in einer Einzelzelle eingesperrt. Beim täglichen, einstündigen Spaziergang hat er keine sozialen Kontakte zu anderen Gefangenen. Er wird lediglich vom Sicherheitspersonal begleitet.

Dieses strikte Regime verlangt laut Bundesgericht eine vertiefte Auseinandersetzung, was das Zürcher Obergericht nicht gemacht habe. Von den Vollzugsbehörden sei zu erwarten, dass sie sich grundsätzliche Überlegungen zur weiteren Unterbringung des Mannes und zu Lockerungen der Haftbedingungen gemacht hätten.

Es bedürfe einer Perspektive. Dies könne eine Haftverlängerung allenfalls zulässig machen, auch wenn das Haftregime nicht sofort gelockert werde.

Hängiges Verfahren

Das Zürcher Obergericht verurteilte Brian im Juni zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten. Es befand ihn der Körperverletzung, Beschimpfung, Drohung, mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie der Sachbeschädigung für schuldig.

Der 25-Jährige war angeklagt, weil er in 29 Fällen Mitarbeiter und Mithäftlinge im Gefängnis Pöschwies angegriffen und teilweise verletzt hatte. Brian und die Zürcher Staatsanwaltschaft haben das Urteil ans Bundesgericht weitergezogen, wo der Fall hängig ist.

Der Uno-Sonderberichterstatter für Folter, der Schweizer Jurist Nils Melzer, intervenierte im Juni wegen der Haftbedingungen von Brian beim Aussendepartement. Er verlangte eine schriftliche Stellungnahme zur unterdessen rund drei Jahre andauernden Isolationshaft. Eine solche darf gemäss Uno-Standards nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen und in keinem Fall länger als 15 Tage dauern. (Urteil 1B_398/2021 vom 4.8.2021) (saw/sda)

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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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fidget
17.08.2021 15:03registriert Dezember 2018
Das Sondersetting hätte damals nie auf öffentlichen Druck (BLICK) hin aufgegeben werden dürfen. Die Massnahme hat eigentlich gut funktioniert. Damals waren die Kosten von 30k/Monat Grund für die Empörung, unterdessen muss man konstatieren, dass die Kosten ein Vielfaches höher sind, wie wenn das Sondersetting wie gehabt fortgeführt worden wäre.
Nun hat man einen sozial unverträglichen und perspektivlosen Menschen geformt und exorbitant hohe Kosten. Im Fall Brian/Carlos haben alle verloren.
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sapnu puas
17.08.2021 13:32registriert Juli 2019
Na wenn 29 (nachgewiesene) Fälle von Angriffen auf Beamte und Mitinsassen kein Grund für Isolationshaft sind, was denn dann?
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Wendy Testaburger
17.08.2021 14:32registriert November 2018
Von einem Gewalttäter angegriffen zu werden kann schlimmstenfalls auch lebenslange Isolationshaft bedeuten. PTBS und eine Angsterkrankung machen es Betroffenen unter Umständen sehr schwer(an manchen Tagen unmöglich) ihre Wohnung zu verlassen. Einsamkeit ist auch ein Thema, Krankheit und Arbeitslosigkeit führt auch zu sozialer Isolation. Deshalb, null Mitleid mit Brian. Aber grosses Mitgefühl mit seinen Opfern.
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