Am 20. Oktober wird ein neues Parlament gewählt. Doch richtig spannend wird es erst danach. Neue Allianzen müssen geschmiedet, Mehrheiten gefunden werden. Eine Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse rückt vor jeder Legislaturperiode andere Themen in den Fokus.
Isabel Garcia, Präsidentin des Vereins Secondas Zürich hofft, dass die Wahlen einen Richtungswechsel bei der Migrations- und Integrationspolitik bringen. Dass dies gar nicht mal so unwahrscheinlich ist, zeigt ein Blick auf eine gross angelegte Umfrage, die Secondas Zürich zusammen mit der Vereinigung Gewählte Stimme durchgeführt hat.
Die zwei Migrantenorganisationen haben in den vergangenen Wochen sämtlichen National- und Ständeratskandidaten einen Fragenkatalog zu den Themen «Einbürgerung» und «politische Partizipation von Ausländern» zugeschickt. Rund 400 Kandidierende aus 19 Kantonen und aus fast allen Parteien nahmen daran teil. Von den Antworten überrascht eine besonders: Bis weit in bürgerliche Kreise ist man sich einig, dass die Hürden für eine Einbürgerung in der Schweiz zu hoch sind.
Dabei geht es vor allem um kürzere Wohnsitzfristen in Gemeinden und Kantonen und darum, dass der ausländerrechtliche Status bei der Einbürgerung keine Rolle spielen soll. Garcia sagt: «Im Gegensatz zu noch vor wenigen Jahren werden diese Anliegen von den GLP-Kandidierenden fast lückenlos und von denjenigen der anderen Mitte-Parteien mehrheitlich befürwortet, Unterstützung kommt auch von zahlreichen FDP-Kandidaten.»
Garcia sieht diese Entwicklung als Teil eines generellen Trends hin zu mehr Offenheit bei Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. «Dieser hat sich in den letzten Jahren auch bei Themen wie ‹Ehe für Alle› und der Liberalisierung des Cannabis-Konsums gezeigt.» Jetzt erreiche er langsam aber sicher auch die Partizipations- und Einbürgerungsfragen. Das bestätige auch eine Analyse der Smartvote-Profile der Kandidierenden.
«Eines der grössten Probleme in unserer Demokratie ist, dass ein grosser Teil der Menschen in der Schweiz keine politischen Rechte haben», sagt Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli. Er würde es sehr begrüssen, wenn eine Senkung der Hürden bei der Einbürgerung im neuen Parlament eine Mehrheit findet.
Insbesondere die kantonalen Wohnsitzfristen findet er nicht mehr zeitgemäss. Schon bei der Debatte um das neue Bürgerrechtsgesetz, das seit 2018 in Kraft ist, habe er gegen solche Fristen plädiert. «Es macht keinen Sinn. Einerseits wird im Beruf maximale Flexibilität erwartet, andererseits darf der Wohnort während 5 Jahren nicht gewechselt werden.»
Auch BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti wünscht sich eine erneute Debatte über die Bestimmungen rund um die Einbürgerungen. «Bei der Revision des Bürgerrechtsgesetzes wurden Grundsatzverschärfungen vorgenommen, die einer modernen Gesellschaft nicht gut tun. Ich hoffe, dass ein neu zusammengesetztes Parlament dieses Thema neu aufrollen kann.» Realistischerweise werde dies aber nicht auf offene Ohren stossen, da das neue Gesetz erst vor kurzem verabschiedet wurde.
FDP-Nationalrat Kurt Fluri will nicht ausschliessen, dass die Diskussion um die Einbürgerungsbestimmungen bald wieder aktuell werden. «Politik ist nie etwas Endgültiges, auch wenn diese Debatte erst vor kurzem abgeschlossen wurde.» Allerdings glaube er nicht, dass wesentliche Erleichterungen derzeit eine Chance hätten vor dem Volk.
Dass derzeit bei der politischen Mitsprache von Ausländern ein Trend spürbar ist, beobachtet auch Fluri. «Der Kanton Zürich wird möglicherweise als nächstes das Stimm- und Wahlrecht für Nicht-Schweizer einführen. Weitere Kantone werden folgen.» Das Stimm- und Wahlrecht auf Kantonsebene ist für Fluri ein Indiz für die Integration. Für die Einbürgerung brauche es weitere Voraussetzungen.« Ich finde den jetzigen Zustand gut. Ganz ohne Hürden geht es nicht.»
Für Garcia von Seconda Zürich sind die Anzeichen klar: Es gebe eine gute Voraussetzung für eine breit abgestützte Lösung bei der politischen Partizipation von Ausländern und kürzeren Wohnsitzfristen bei der Vergabe des roten Passes. «Es liegt nun an den Parlamentariern, diese Ausgangslage ab 21. Oktober für konkrete und mehrheitsfähige Vorschläge zu nützen», sagt sie.
Wenn es beruflich dumm läuft kann das eine Einbürgerung sehr verzögern.