Manche sahen den Sturz nicht kommen. Es würde schon reichen, dachten sie; nichts ahnend, dass dies einer ihrer schwärzesten Tage werden sollte. Andere hatten eine böse Vorahnung. Sie wussten, dass es knapp werden könnte. Der 18. Oktober 2015 war ein Wendepunkt in ihrem Leben, er lässt sich einfach datieren. 25 Nationalrätinnen und Nationalräte wurden abgewählt; nicht wiedergewählt, wie die Betroffenen das selbst lieber formulieren.
Die einen verloren ihr Mandat, weil ihre Partei den Sitz einer anderen abgeben musste. Die anderen wurden – und das ist besonders bitter – von einem Konkurrenten auf der eigenen Liste überrundet. Ihnen gemeinsam ist: Sie mussten sich von einem Tag auf den andern neu orientieren.
Da ist etwa der Schwyzer Sozialdemokrat Andy Tschümperlin, zuvor Fraktionschef seiner Partei. Er hat heute eine Kaderstelle beim Kanton Zug. Da ist die St. Galler Grünliberale Margrit Kessler, die als Patientenschützerin weiterarbeitete und nun ihr Grossmuttersein geniesst. Und da ist der CVP-Mann Urs Schläfli aus Solothurn, der inzwischen eine Fahrschule eröffnet hat.
Drei der Abgewählten konnten während der laufenden Legislatur für zurücktretende Kollegen nachrücken und sitzen heute wieder im Nationalrat: Die Berner Heinz Siegenthaler von der BDP und Aline Trede von den Grünen sowie die Freiburger SP-Frau Ursula Schneider Schüttel.
Die Rückkehr kann mitunter ein heikles Unterfangen sein. So verpasste das Zürcher SVP-Urgestein Ulrich Schlüer im Jahr 2007 die Wiederwahl, rutschte später nach und wurde 2011 erneut abgewählt.
Die meisten jedoch schliessen nach der Nichtwiederwahl mit der Politik ab. «Nun sollen die Jungen ran», sagte GLP-Frau Kessler kürzlich den CH-Media-Zeitungen. Viele halten es wie die Basler Liberale Christine Wirz-von Planta, die einst nach ihrer Abwahl erklärte: «Wenn man nicht mehr gewählt wird, sollte man es nicht durchstieren.»
Das sehen freilich nicht alle so eng. Dieses Jahr drängt es gleich mehrere abgewählte Nationalräte zurück ins Bundeshaus.
Der prominenteste unter ihnen ist Christoph Mörgeli, der für die Zürcher SVP von 1999 bis 2015 in der grossen Kammer sass. Bei den Grünen will es die St. Gallerin Yvonne Gilli, von 2007 bis 2015 im Rat, noch einmal wissen.
Und bei den Grünliberalen steigen gleich drei erneut ins Rennen: der Luzerner Roland Fischer, der Bündner Josias Gasser und der Thurgauer Thomas Böhni. Sie alle sassen bis 2015 während bloss vier Jahren im Parlament.
Können die Wiederkandidierenden einfach nicht loslassen? «Ich bin und bleibe ein politischer Mensch», sagt Yvonne Gilli, «erst recht nach einem Sitzverlust unserer Partei.» Dass sie dieses Jahr erneut antritt, begründet die Grüne mit dem Rechtsrutsch bei den Wahlen 2015 im Allgemeinen und in St. Gallen im Besonderen.
Aus der Ostschweiz schicke die Grüne Partei derzeit keinen einzigen Vertreter nach Bern, erinnert Gilli. «Eine ökologische Stimme fehlt.» Überdies will sich die Ärztin und profilierte Gesundheitspolitikerin wieder in ihrem angestammten Themenfeld im Parlament einbringen. Gilli betont: Sie habe keine Angst davor, nicht gewählt zu werden. «Dieses Risiko muss man auf sich nehmen.»
Ähnlich äussert sich Christoph Mörgeli. Sein Comeback verkündete er mit viel Getöse im «SonntagsBlick». Nach dem zuletzt schlechten Abschneiden der Zürcher SVP ist er überzeugt, dass die Partei ihn wieder brauchen kann.
Die SVP dürfe nicht auf einen grünen Kurs umschwenken, das sei für ihn von «existenzieller Bedeutung». Mörgeli sagt, er wolle der Partei helfen, sich aus der Abwärtsspirale zu befreien. Die Delegierten der Kantonalpartei setzten ihn auf die erste Hälfte ihrer Nationalratsliste. Zwar fanden einzelne, Mörgelis Zeit sei abgelaufen. Doch ein Antrag, ihn von der Liste zu streichen, scheiterte haushoch.
Die vergangenen Jahre zeigen: Nur wenige Abgewählte kandidieren erneut. Und nur den wenigsten gelingt das Comeback. Die Bündner SP-Politikerin Silva Semadeni sass von 1995 bis 1999 im Nationalrat, dann verlor die Partei ihren zweiten Sitz im Bundeshaus. 2007 scheiterte ihre erneute Kandidatur, 2011 klappte es doch noch. Dieses Jahr tritt Semadeni zurück.
Der CSP-Mann Roberto Schmidt, inzwischen Walliser Staatsrat, wurde 2011 abgewählt und schaffte 2015 die Rückkehr. Und Jacques Neirynck konnte 2007 für die Waadtländer CVP das Nationalratsmandat zurückerobern, das er vier Jahre zuvor verloren hatte. Er blieb bis 2015 im Rat.
Geradezu skurril mutet die Geschichte des Baselbieters Christian Miesch an. Er wurde insgesamt dreimal als Nationalrat vereidigt. Zuerst sass er während einer Legislatur für die FDP in der grossen Kammer, 1995 entzog ihm das Volk das Vertrauen. Miesch brach mit dem Freisinn.
2003 kehrte er, nun als Mitglied der SVP, nach Bundesbern zurück. Acht Jahre war er danach wieder im Rat, bis er 2011 erneut die Wiederwahl verpasste. Miesch aber hatte noch nicht genug. 2014 konnte er nochmals in den Nationalrat nachrutschen – um dann bei den Wahlen 2015 nicht mehr anzutreten.
Nicht nur Ex-Nationalräte, die abgewählt worden sind, drängen am 20. Oktober zurück in die grosse Kammer. Unter den bereits bekannten Kandidaten finden sich auch solche, die sich einst aus freien Stücken verabschiedet haben – per Rücktritt.
Hohe Wahlchancen hat der Sozialdemokrat und neue Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard. Er sass bereits von 1999 bis 2004 im Rat, dann wurde er in die Waadtländer Kantonsregierung gewählt.
Ebenfalls zurück ins Bundesparlament will der frühere SP-Nationalrat und Ex-Fraktionschef Franco Cavalli aus dem Tessin. Der unterdessen 76-Jährige kandidiert im Herbst mit der von ihm mitgegründeten linken Gruppierung «Forum Alternativo»; seine Chancen werden als gering eingeschätzt.
Bei der SVP soll Yvan Perrin ihren Neuenburger Sitz verteidigen. Perrin vertrat den Kanton schon von 2003 bis 2013 im Rat. Dann wurde er kurzzeitig Regierungsrat, bevor er 2014 wegen eines Burnouts und Alkoholproblemen zurücktrat. (sva) (bzbasel.ch)
Hatte der je "seine Zeit"? Populist vom feinsten ohne irgendwas sinnvolles erreicht zu haben...
Es gibt kein Mörgeli für Mörgeli! ;)
Mir erschliesst sich diese Logik nicht wirklich. Aber ich glaube es wäre für alle besser, Herr Mörgeli würde nicht gewählt und die SVP etwas grüner. Dann wäre allen geholfen, vor allem dem Klima. Dem Echten und dem Politischen...😉