Sie gehen oft vergessen, wenn man an die Schweiz denkt: die im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer.
Dabei machen sie fast 10 Prozent der gesamten Bevölkerung aus: Per Ende 2022 lebten 800'041 Personen mit Schweizer Pass im Ausland. Diese Personen haben ihre Heimat nicht vergessen: 43 von ihnen wollen am 22. Oktober sogar in den Nationalrat gewählt werden.
watson hat mit vier Kandidierenden aus dem Ausland darüber gesprochen, was sie zu ihrer Kandidatur motiviert. Dabei zeigten sich spannende Unterschiede.
Nationalratskandidatinnen aus dem Ausland sind in der Minderheit: Von den 43 Kandidierenden sind lediglich 30 Prozent Frauen. Eine davon ist Leonor Chevalier, die für die SVP in die grosse Kammer möchte. Sie lebt in der Millionenstadt Medellín in Kolumbien und kandidiert für die Liste «SVP International» in Genf.
Die 71-jährige pensionierte Privatlehrerin möchte im Nationalrat für die «Interessen der Schweizer in der Schweiz und im Ausland kämpfen», wie sie gegenüber watson sagt. Dafür wäre sie bereit, viermal pro Jahr – also für jede Session – in die Schweiz zu reisen. «Ich weiss aber nicht, ob ich eine Chance habe, gewählt zu werden», sagt sie.
Sollte sie den Sprung in den Nationalrat schaffen, würde sie sich in der Schweiz konkret für die «Kaufkraft der Landsleute einsetzen», speziell bei den Kosten für die Krankenversicherung. Dies hat auch einen persönlichen Grund: Chevalier ist zwar in Kolumbien geboren, aber hat 32 Jahre lang in der Westschweiz gelebt und dort ihre Kinder aufgezogen. Nach ihrer Scheidung habe sie ein Jahr in Kolumbien verbringen wollen. Sie sagt:
Gleichzeitig verfolgt Chevalier die SVP-Linie und ist «für eine kontrollierte und nicht massenhafte Migration». Aber auch für die Auslandsschweizer möchte sie einiges mitgestalten: «Bankkonten, E-Voting, Versand von Wahlunterlagen und Schweizer Schulen im Ausland» seien nur ein paar Baustellen.
Mit Abstand am meisten Kandidierende aus dem Ausland hat die Mitte-Partei: Total sind es 16. Im Kanton Thurgau kandidiert für die Liste «Mitte-International» der 70-jährige Matthias Anderegg. Der im Kanton Bern aufgewachsene Anderegg lebt mit seiner Partnerin und ihrer Tochter in Thailand. Genauer gesagt in Chon Buri, einer Küstenprovinz im Osten des Landes.
Der Mitte-Kandidat ist pensioniert und arbeitete davor über 30 Jahre lang als humanitärer Helfer im Ausland, unter anderem für das Rote Kreuz. Viele Konflikt- und Krisengebiete habe er direkt vor Ort miterlebt, was ihn geprägt habe. «Krieg und Elend sind globale Herausforderungen, die eine internationale Zusammenarbeit erfordern», sagt Anderegg. Er vertrete deshalb eine Migrationspolitik, die «hilfsbedürftige Menschen unterstütze, ohne dabei missbräuchliches Verhalten gutzuheissen».
Matthias Anderegg hat in seinem Leben schon so manchen Fleck auf der Erde gesehen, weshalb er die «Schweizer Werte» enorm schätze. Zentral sind für ihn die direkte Demokratie, weshalb er mehr Menschen dazu bringen möchte, abstimmen und wählen zu gehen. Aber politisiert wurde Anderegg eigentlich durch die Krankenkassenpolitik. Er stört sich vor allem an einer Tatsache:
Anderegg schätzt seine Wahlchancen selbst als «nicht hoch» ein, wie er zu watson sagt. Sollte er gewählt werden, würde er vermehrt in die Schweiz reisen. Schliesslich habe er noch immer eine Eigentumswohnung im Land und auch seine zwei Töchter würden mit ihren Familien in der alten Heimat leben.
Ebenfalls für die Mitte im Kanton Thurgau kandidiert Noel Frei. Er arbeitet zurzeit als Informatik- und Geschichtslehrer an der deutschen Botschaftsschule in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens. Der 39-jährige Pädagoge kommt ursprünglich aus dem Kanton Basel-Stadt und sagt auf Anfrage zu seiner Kandidatur im Thurgau: «Die Kandidatur erfolgte kurzfristig in einem Kanton, wo ich kein eigenes Netzwerk habe. Aus diesem Grund sehe ich den Erfolg vor allem darin, Auslandsschweizerinnen und Auslandsschweizer in das Bewusstsein der Landsleute zu bringen.»
Sollte er überraschenderweise trotzdem gewählt werden, würde er aber sicher viermal im Jahr in die Heimat reisen. Langfristig möchte Frei nicht in Äthiopien bleiben. «Ich schätze die Möglichkeiten in der Heimat zu sehr, als dass ich mir permanent an einem anderen Ort als der Schweiz einen Lebensmittelpunkt aufbauen möchte», sagt er.
Frei sagt, als «junger Vater liege ihm eine intakte Umwelt sehr am Herzen». Dafür würde er sich engagieren. Aber auch soziale Errungenschaften, namentlich die AHV oder die Verteilung der Gesundheitskosten, möchte er im Blick behalten. «Bei diesen Themen sehe ich die Gefahr einer Schieflage, die späteren Generationen Schwierigkeiten bereiten könnte», sagt er.
Leider nicht auf eine Anfrage reagiert haben SP-Kandidat Pascal Cuttat, der in Kenias Hauptstadt Nairobi lebt, und Grünen-Kandidatin Judit Hecke, die in Berlin wohnt. Seine Antworten zurückgezogen hat der St.Galler EDU-Nationalratskandidat Oliver Häberlin aus Kolumbien.
Eine der grössten Bundeshausparteien stellt indes gar keine Kandidatinnen oder Kandidaten aus der fünften Schweiz: die FDP. Gegenüber swissinfo.ch teilte die FDP International mit, dass dies ein bewusster Entscheid sei. Man vertrete die fünfte Schweiz indirekt im Parlament.
Was die Mitte-Partei für ein Spiel betreibt, ist einfach absurd.
Da werden Listen kreiert bis zum Geht-nicht-mehr, und mit irgendwelchen Gaga-Kandidaten gefüllt, die absolut kein echtes Interesse an einem Amt haben.
Nur damit ein paar Omis und Opis, Gottis und Göttis den "Kandidaten" zum Spass panaschieren und der Mitte eine zusätzliche Parteistimme bringen.
Im Kanton SG tritt die Mitte z.B. mit 84 Kandidaten auf 7 (!!) Listen an. Zu vergeben haben sie 2 Sitze 🤦♂️😵
Aber im ernst: wenn jemand nicht in der Schweiz wohnt, soll er sicherlich nicht die parlamentarische Arbeit beeinflussen, die direkten Einfluss auf die in der Schweiz lebenden Menschen hat. Da sind Auslandschweizer einfach weg von der hiesigen Realität. Oder wie meint ein seit 30 Jahren in Thailand lebender Rentner, Themen wie ÖV, Klima, (nationale) Schulen, etc. auch nur im Ansatz beurteilen zu können?