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Experte erklärt, warum wir im April Ski fahren sollten

«Skisaison verschieben»: Experte erklärt, warum wir im April Ski fahren sollten

Mit einem frühen Start und einer langen Saison locken Skigebiete viel Kundschaft an. Warum das aus ökologischer Sicht problematisch ist, erklärt ein Experte vom Schnee- und Lawinenforschungsinstitut.
19.11.2022, 08:24
Ann-Kathrin Amstutz / ch media
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Ein Sessellift und Schneekanone in der Zwischensaison, aufgenommen am Donnerstag, 10. November 2022, in Parpan.(KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Parpan, 10. November 2022: Kein Schnee in Sicht.Bild: keystone

Braune Wiesen unter den Gondeln und Sesselliften: Nach dem rekordwarmen Oktober und bisher spärlichen Niederschlägen kämpfen viele Skigebiete mit schwierigen Schneebedingungen. Trotzdem hat die Saison etwa in Engelberg und Saas Fee schon im Oktober begonnen – und in den nächsten Tagen öffnen weitere Skigebiete ihre Pforten.

Dieser frühe Start ins Skijahr wäre ohne technische Beschneiung kaum möglich. In den letzten zehn bis zwanzig Jahren haben die Skigebiete teils massiv aufgerüstet, um möglichst früh im Jahr möglichst gute Pisten bereitstellen zu können.

In einer Umfrage von CH Media bei grossen Schweizer Skigebieten gaben fast alle an, ihr Beschneiungsangebot in den letzten Jahren ausgebaut oder «laufend optimiert» zu haben – bei der Energieeffizienz, aber auch bei der beschneiten Fläche.

Die Beschneiung ist bei vielen Skigebieten eine heilige Kuh. Wer sie in Frage stellt, trifft einen wunden Punkt. So geschehen bei Markus Meili, Geschäftsführer der St.Moritz Mountains AG. Auf die Frage, ob man die Beschneiung aus Klimabedenken grundsätzlich hinterfragen müsste, antwortete er genervt:

Die ganze Saison nach hinten verschieben

«Die Bergbahnunternehmung ist der Motor einer Destination. Es kann doch nicht sein, dass seitens Medien immer auf den Seilbahnen rumgehackt wird, ohne deren volkswirtschaftlichen Treiber die Randgebiete sich noch mehr entvölkern würden. Und Sie in der Stadt haben alle erdenklichen, energieintensiven Angebote auf dem Tablett serviert und fühlen sich dabei gut, weil sie mit dem Tram, Fahrrad oder Elektro-Uber dort vorfahren. Kurz: Nein, müsste man nicht.»

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Die Beschneiung nicht abschaffen, aber so effizient wie möglich gestalten: Dafür plädiert Fabian Wolfsperger, Experte für Beschneiung am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos. Konkret würde das bedeuten, die ganze Skisaison nach hinten zu verschieben. Denn am Ende der Saison, im März und bis weit in den April hinein, hat es laut Wolfsperger meist noch «mehr als genug Schnee».

Fabian Wolfsperger, Experte für Beschneiung.
Fabian Wolfsperger, Experte für Beschneiung.Bild: zvg

Der natürlich fallende Schnee kommt immer später, doch beschneit wird immer früher und umfangreicher. Dafür sieht Wolfsperger zwei Gründe: den Klimawandel, aber auch einen «Wettlauf im Wintertourismus». Wer startet am frühesten in die Saison, wo dauert sie am längsten, wer bietet die beste Pistenqualität? «Das sind wichtige Verkaufsargumente für Saisonabos und für die Winterferienzeit», so Wolfsperger.

Hohe Frequenzen im November, wenig Gäste im April

Der Wettlauf der Bergbahnen deckt offenbar ein Kundenbedürfnis ab. Spätestens an Weihnachten wollen alle auf die Piste, im April dagegen haben die wenigsten noch Lust auf Schneesport.

Das bestätigen mehrere von CH Media angefragte Skigebiete. So heisst es von der Andermatt Swiss Alps AG, an den November-Wochenenden habe man «sehr hohe Frequenzen» – von Skiclubs und Junioren, aber auch von anderen Gästen. Es lohne sich, so früh in die Saison zu starten. Im April stelle man dagegen fest, dass die Gäste kaum mehr auf die Skipisten wollten, sondern lieber wandern oder biken gingen.

Auch die Titlis-Bergbahnen stellen fest, «die mindestens 200 Tage dauernde Skisaison macht uns zu einem erfolgreichen Saison- und Jahreskarten-Anbieter». Ähnlich klingt es bei der Engadin St.Moritz Mountains AG: Dank übersommerter Schneedepots könne man etwa auf der Diavolezza an gut sieben Monaten im Jahr Schneesport anbieten. In der Gesamtbetrachtung rechne sich das, ansonsten würde man den Aufwand nicht betreiben.

Wie wäre eine ökologischere Skisaison möglich? Laut Beschneiungs-Experte Wolfsperger bräuchte es zunächst ein Bewusstsein bei den Leuten, dass man dann Ski fahren solle, wenn es «ohne allzu grossen technischen Aufwand möglich» sei. Zudem sollten die Skigebiete alternative Geschäftsmodelle mit weniger Beschneiung prüfen: Vorstellbar wäre eine kürzere und später startende Skisaison, die dafür mit weniger Aufwand und Kosten für die Beschneiung verbunden ist.

Dennoch ist es Wolfsperger wichtig, die Beschneiung nicht als Sündenbock herauszuheben: «Der Wintertourismus allgemein ist stark im Luxussegment anzusiedeln.» Da der Schneesport aber einen hohen Gesundheitswert habe und für die Bergregionen sehr wichtig sei, gelte es, möglichst nachhaltige Lösungen zu finden. (aargauerzeitung.ch)

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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
19.11.2022 09:25registriert April 2016
Empfehle jedem der kann seine Skiferien (Ende) März und nicht im Februar zu planen.

- Mehr Schnee
- Mehr Sonnenschein
- Weniger Leute
- Attraktivere Hotelangebote
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Snowy
19.11.2022 09:23registriert April 2016
Ist leider ein Fakt:

In meinem Wintersport-Heimatort im schönsten Kanton der Schweiz bietet sich seit Jahren folgendes Bild:

Sonntag im Dez, eisige Pisten, wenig Sonnenschein (und um 16:00 schon fast dunkel) , sehr wenig Schnee. Wetterbericht mässig/bewölkt: Pisten gut bis sehr gefüllt

Sonntag Ende März/Anfang April: Beste Schneeverhältnisse, Neuschnee über Nacht, Wetterber. sehr gut (Sonne und blauer Himmel den ganzen Tag).
Im Gebiet sind aber nicht die Hälfte Menschen vom oben beschriebenen „schlechten“ Tag für Schneesport im Dez.. .. . davon noch die Hälfte mit Saisonkarten.
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Barsukas
19.11.2022 09:09registriert Dezember 2014
Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, der Wolfsperger hat recht. Meine Skiferien habe ich schon lange suf den März verlegt. Es hat dann in der Regel immer genug Natur-Schnee. Im Januar/ Februar, wenn der Grossteil meiner Verwandtschaft/Bekanntschaft Ski fahren geht, sind die Verhältnisse bedeutend schlechter. Die Skisaison muss nicht künstlich länger gemacht werden. Wenn man sie nach hinten verschiebt, ist sie lange genug und umweltfreundlicher.
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